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Schlagwort: wise guys

Bei den Wise Guys läufts

wise guys, läuft bei euchDie „Ach­ter­bahn“ ist kaum ein Jahr alt, schon gibt’s mit „Läuft bei euch“ Nach­schub aus Köln. Und ohne gro­ße Umstän­de star­ten die Wise Guys ihre neue CD gleich mit einer Lie­bes­er­klä­rung ans A‑cap­pel­la-Sin­gen, ent­spannt und der eige­nen Fähig­kei­ten gewiss: „Wenn wir zusam­men sin­gen, ist da sofort Musik drin“. Da haben sie natür­lich Recht.

Und da ist Musik in bewähr­ter Qua­li­tät drin: Sau­ber pro­du­ziert und ordent­lich gesun­gen – ziem­lich genau das, was man von den Wise Guys schon lan­ge gewöhnt ist. Kein Wun­der, Musik und Tex­te kom­men ja haupt­säch­lich von Dani­el „Däni“ Dick­opf. Und doch wird schnell klar: Auf „Läuft bei euch“ sind die Wise Guys etwas anders, es gibt weni­ger Blö­de­lei und Witz – sie wol­len doch nicht etwa erwach­sen wer­den? Gesellschafts‑, Gegen­warts- und Kul­tur­kri­tik sind jetzt stark ver­tre­ten. Von den Aus­wüch­sen der Sel­fie-Sucht über das sehn­sa­ti­ons­gie­ri­ge Gaf­fen bis zum töd­li­chen Mob­bing reicht die Band­brei­te der The­men. Musi­ka­lisch ist „Läuft bei euch“ lei­der nicht ganz so viel­fäl­tig. Man­ches ist rich­tig gut, wie „Wah­re Hel­den“, das die Hel­den des All­tags – also Kran­ken­pfle­ger oder Allein­er­zie­hen­de zum Bei­spiel – hym­nisch lobt und sehr ein­gän­gig, mit behut­sam dosier­tem Pathos im bes­ten Wise-Guys-Stil besingt. Auch sehr schön: „Der Rock-n-Roll ist tot“, in dem das Quin­tett rockend über die Zei­ten, als man mit Musik noch Pro­test her­vor­ru­fen konn­te, singt – musi­ka­lisch ist das sehr tref­fend umge­setzt.

Über­haupt scheint es den Wise Guys die Meta-Musik ange­tan zu haben. Nicht nur die feh­len­de poli­ti­sche Kraft der Musik besin­gen sie, auch die Musik selbst und ihre erin­ne­rungs­psy­cho­lo­gi­sche Wir­kung, wie bei „Das Lied bei dei­nem ers­ten Kuss“. Das ist eines der High­lights, eine schö­ne, nur leicht sen­ti­men­ta­le Bal­la­de über die Kraft der Musik, die Erin­ne­rung an das ers­te Hören wecken kann, bei dem ein­fach alles stimmt – und dann läuft es … Nur lei­der pas­siert das auf „Läuft bei euch“ nicht so häu­fig, wie man das von den Wise Guys kennt. Songs wie „Lass die Sau raus“ oder „Teu­fels­kreis“ zum Bei­spiel zün­den ein­fach nicht recht. Obwohl nichts falsch ist, ist da auch nichts, was sie irgend­wie beson­ders macht: Das ist nett, das lässt sich gut hören und schnell wie­der ver­ges­sen.

Auch der Schluss der CD greift dann die Erfah­run­gen der Wise Guys als A‑Cap­pel­la-For­ma­ti­on noch ein­mal auf und singt von den Schwie­rig­kei­ten, sich in eine Frau zu ver­lie­ben, die falsch klatscht („Sie klatscht auf die 1 und die 3“) – wie kann man so etwas bei den Wise Guys auch nur machen! Gera­de wenn sie das musi­ka­lisch so tref­fen spöt­tisch besin­gen und dabei naht­los vom Mar­schie­ren zum swin­gen­den Tan­zen wech­seln, ist das doch gänz­lich unmög­lich.

Wise Guys: Läuft bei euch (Uni­ver­sal), 55:40

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“, Novem­ber 2015)

Mit den Wise Guys auf der Achterbahn

wise guys, achterbahnKei­ne Angst, auf die­ser Ach­ter­bahn wird nie­man­den übel. Denn die 14. CD der Wise Guys ist über­wie­gend harm­los. Mit ihren bewähr­ten Kon­zep­ten machen sie auch in neu­er Beset­zung wei­ter­hin ihren bekann­ten char­t­ori­en­tier­ten Vokal-Pop. Aus­ge­rech­net der Titel­song ist aber eher lang­wei­lig: kein zün­den­der Text, kei­ne beson­ders ein­gän­gi­ge Melo­die, kein bemer­kens­wer­tes Arran­ge­ment. Das konn­ten die Wise Guys schon bes­ser.

Ein paar ein­gän­gi­ge Songs sind aber auch auf „Ach­ter­bahn“ zu hören: „Das Säge­werk Bad Sege­berg“ hat etwa net­te Momen­te, die vor allem auf dem herr­lich blö­deln­den Text beru­hen. Der ist der­ma­ßen blöd­sin­nig, dass es wirk­lich lus­tig wird, sich über Holz­sor­ten und feh­len­de Kör­per­tei­le zu amü­sie­ren – auch wenn die kon­se­quen­te Quo­ten­ra­dio-Ori­en­tie­rung selbst bei eigent­lich guten Songs ganz schön ner­ven kann: Das fängt mit dem quiet­schen­den Beat an, geht über die garan­tiert mit­gröl­taug­li­che Melo­die bis zum voll­kom­men erwart­ba­ren Arran­ge­ment.

Zu den posi­ti­ven Ein­drü­cken gehört auch „Kei­ne gute Idee“, das aber ande­rer­seits auch recht naht­los an die „älte­ren“ Wise Guys anschließt. Aller­dings haben die Wise Guys noch nie die Begleit­stim­men von den jewei­li­gen Lead­vo­cals so sehr in den Hin­ter­grund drän­gen las­sen – gut, die Wise Guys sind sicher nicht die aller­bes­ten Sän­ger Deutsch­lands, aber ver­ste­cken muss man sie auch nicht. Ein Kunst­stück beherr­schen die Wise Guys aller­dings aus­ge­spro­chen gut: Aus mäßi­gem Mate­ri­al guten Pop zu machen. Aus schwa­chen Tex­ten und einer weit­ge­hend bana­len Musik zau­bern sie immer wie­der Ein­gän­gig­keit und eine Men­ge guter Lau­ne her­vor. Die elek­tro­nisch ange­hauch­te eska­pis­ti­sche Glücks­fan­ta­sie „Ans Ende der Welt“ macht das fast per­fekt vor.
„Alles so schön bunt hier“ bringt dann tat­säch­lich etwas (Klang)Farbe mit in den Mix, bei „Küss mich“ geschieht das – welch Sakri­leg – durch eine weib­li­che Stim­me: Jas­min Wag­ner, vor Jah­ren auch mal „Blüm­chen“ bekannt, unter­stützt das Quin­tett. Am bes­ten sind die Wise Guys dann, wenn sie sich wie bei „Gene­ra­ti­on Hör­ge­rät“ auf ihre Stär­ken besin­nen: Trei­ben­de Dis­co­beats, freund­li­che Melo­dien und ein humor­vol­ler Text, bei dem die fünf Köl­ner zei­gen, dass sie sich selbst nicht so ganz ernst neh­men. Dass muss man auch „Ich kann nur den Refrain“ zugu­te­hal­ten. Denn das passt zum Glück nicht auf die Wise Guys selbst: „Ich kann nur den Refrain, die Stro­phen sind zu schwer“ heißt es da, „den Rest krieg ich nicht hin, weil ich mit den Stro­phen ein­fach über­for­dert bin“ – davon ist das Quin­tett wahr­lich weit ent­fernt. Aber das ist noch kein Grund zum Jubeln: Nuan­cen feh­len auch hier, und nicht nur in der Stro­phe. Inhalt­lich, kom­po­si­to­risch und lei­der auch stimm­lich blei­ben die 16 Songs der „Ach­ter­bahn“ schließ­lich doch reich­lich ein­di­men­sio­nal. Die Wise Guys sind stolz dar­auf, das ers­te Mal ein Album kom­plett in Eigen­re­gie pro­du­ziert zu haben – aber ob das so eine gute Idee war? Etwas Input von außen hät­te viel­leicht nicht gescha­det, etwas mehr Adre­na­lin wäre sicher kein Feh­ler gewe­sen. So ist das näm­lich eher ein Kin­der­ka­rus­sell als eine Ach­ter­bahn.

Wise Guys: Ach­ter­bahn. Poly­dor. CD 2014.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­ga­be Okto­ber 2014.

wise guys: so viel nettigkeit – das kann doch nicht sein

sie nervt zumin­dest ein biss­chen. aber bevor ich das läs­tern anfan­ge, zunächst ein­mal den text, den ich für die main­zer rhein-zei­tung schrieb:

Sie sind brin­gen alle zusam­men: Sin­gen­de Kin­der, krei­schen­de Tee­nies mit und ohne Eltern, alte Fans, die schon beim ers­ten Kon­zert dabei waren genau wie zahl­reich neu enthu­si­as­mier­te, sol­che mit Par­ti­tur unterm Arm und die­je­ni­gen, die schon im Tour-T-Shirt erschei­nen und signier­te CDs als Tro­phä­en heim­tra­gen. Bei den Wise Guys ist ein­fach jeder zu Hau­se. Und die fünf sind über­all dort daheim, wo ein Büh­ne und eini­ge gut gelaun­te Zuhö­rer zu fin­den sind. In Mainz pas­siert das öfters. Jetzt wie­der mal in der Phö­nix-Hal­le, um ihr neu­es Album vor­zu­stel­len. Das heißt „Klas­sen­fahrt“ – ein wun­der­ba­rer, pas­sen­der Titel für das Quin­tett. Die auch nicht mehr ganz so jun­gen Her­ren aus Köln wer­den näm­lich ein­fach nicht so rich­tig erwach­sen. Dafür haben sie viel zu viel Spaß am Rum­al­bern. Und am Sin­gen. Und ganz beson­ders, wenn sie bei­des ver­bin­den kön­nen. Zum Bei­spiel in der Rap-Par­odie „Ham­let“, in der zumin­dest zwei aus ihrer Mit­te, Sari und Ferenc, mal die ganz har­ten Ker­le geben. Das erfor­dert eini­ge Umstel­lung, denn eigent­lich sind die Wise Guys viel zu nett für so etwas. Des­halb ist das auch nicht gera­de der Höhe­punkt des Kon­zer­tes. Davon gibt es aber mehr als genug ande­re – mit den alten Hits wie „Es ist nicht immer leich ich zu sein“ oder dem unver­ges­sen­li­chen „Radio“. Aber auch mit neu­er Musik und neu­en Tex­ten, wie immer vor allem von Dän und Eddi.
Denn, das zeigt „Klas­sen­fahrt“ sehr schön, die Wise Guys blei­ben sich treu. Und das heißt, dass sie wei­ter­hin sehr net­te, hit­ver­däch­ti­ge Pop­songs schrei­ben. Dass sie die als A‑Cap­pel­la-Grup­pe halt aus­schließ­lich mit ihren Stimm­bän­dern pro­du­zie­ren, ist da fast zufäl­lig. Und gar nicht so wich­tig. Haupt­sa­che, die gute Lau­ne kommt. Dafür brau­chen sie nie viel: Eine ein­gän­gi­ge Melo­die, ein unbe­dingt gereim­ter Text, etwas Augen­zwin­kern: Und fer­tig ist schon die Rock-Hym­ne „Latein“, die den Klas­sen­pri­mus zum Hel­den macht. Zumin­dest für die­sen Song. Über­haupt ihr unge­bro­che­ner Opti­mis­mus. Das wird manch­mal fast zu viel, wenn sie immer noch und wie­der nur an das Gute glau­ben – selbst „Am Ende des Tages“, mag er noch so rup­pig gewe­sen sein. Und das „Schlech­te Kar­ma“ wird natür­lich auch umge­hend über­wun­den. Das sind eben die Wise Guys: unver­dros­sen gut drauf. Das es musi­ka­lisch ein­falls­rei­che­re und stimm­lich raf­fi­nier­te­re Grup­pen gibt, macht da gar nix. Denn wenn die Wise Guys dann zum Bei­spiel „Wo der Pfef­fer wächst“ anstim­men, könn­ten sie sich ganz ent­span­nen und aufs pan­to­mi­ni­sche Sin­gen ver­le­gen – das Publi­kum singt ger­ne und rund­um begeis­tert an ihrer Stel­le. Aber das tun sie natür­lich nicht. Son­dern legen noch einen Zahn zu und rocken auf der Büh­ne mal so rich­tig ab. Schließ­lich wol­len ja alle Spaß haben – und das „ganz ohne Dro­gen“, wie es ein­mal heißt. Aber irgen­de­wie sind die Wise Guys doch auch eine Dro­ge. Man kommt ein­fach nicht los von ihnen.

ja, so war das. und ich habe noch ein biss­chen mehr drü­ber nach­ge­dacht. viel­leicht ist ja der erfolg der wise guys in deutsch­land das bes­te zei­chen für ihr mit­tel­maß – in zeit und ort -, für die zufrie­den­heit der musi­ker & des publi­kums mit der beque­men mit­te, dem ewi­gen sowohl-als auch: ein biss­chen witz, ein biss­chen nach­denk­lich­keit, ein biss­chen gut, ein biss­chen böse, ein biss­chen freud und ein biss­chen leid. aber halt nichts rich­tig … nichts wirk­lich zu ende gedacht oder geführt. und das nervt nach einer wei­le – mich zumin­dest: die­se ewi­gen halb­hei­ten, die – das unter­stel­le ich – durch­aus berech­net, zumin­dest beab­sich­tigt sind: näm­lich aus der ori­en­tie­rung am größ­ten gemein­sa­men nen­ner. die offen­sicht­li­che ästhe­ti­sche (und intel­lek­tu­el­le) belang­lo­sig­keit ist die fol­ge davon. und damit ist die musik nicht nur nach­ran­gig, son­dern auch voll zufrie­den: das stre­ben nach beson­de­rem, nach außer­ge­wöhn­li­chem hat sie längst auf­ge­ge­ben. das aber macht sie (fast) blöd­sin­nig (ok, das ist viel­leicht ein wenig hoch gegrif­fen) mas­sen­kom­pa­ti­bel. nur eben auch lang­wei­lig und vor­her­seh­bar. da ist für mich ein­fach kein kit­zel, kein reiz mehr dran – weder musi­ka­lisch noch inhalt­lich irgend etwas über­ra­schen­des, neu­es.

schon die beset­zung weist ja dar­auf hin: fünf män­ner­stim­men – aber kei­ne extre­me. kein wirk­lich tie­fer bass und kein ordetn­li­cher hoher tenor. auch kei­ne beat­box oder wirk­lich gute vocal per­cus­sion. und, das ist die kehr­sei­te, des­we­gen sind sie ja auch so wun­der­bar zum mit­sin­gen geeig­net. aber das liegt natür­lich auch an den ein­fachst gebau­ten songs, den über­sicht­li­chen arran­ge­ments und vor allem den ein­gän­gi­gen, unkom­pli­zier­ten, eigent­lich sogar simp­len melo­dien.

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