Das Kernargument von Holger Noltze, , ist simpel: “Klassische” Musik — wie viele andere Kunst — ist komplex. Um sie erfolgreich genießen, verstehen, erleben zu können, darf die “Vermittlung” — durch Didaktik, Projekte, Events, Aufführung — diese Komplexität nicht — wie es gerne geschieht — übermäßig stark reduzieren, weil dadurch der Kern des Kunstwerkes verloren ginge. Und das war’s dann auch schon — eigentlich. Der Rest der 275 Seiten dieses Buches ist aufgeblasenes, etwas geschwätziges Hin und Her zum Stand der Bildung, zur Situation des Marktes der Musik (ganz, ganz schlecht, dieser Teil), zu den Medien und so weiter — ein kulturkritischer Rundumschlag also, der aber erstaunlich seicht bleibt, finde ich. Und der natürlich sehr genau weiß, wie problematisch solche Generalabrechnungen sind und deshalb ständig die entsprechenden Sicherungen einbaut. Aber der andererseits auch wieder nur bekannte Versatzstücke arrangiert und wenig selbst denkt. Und auch nie wirklich in die Tiefe geht, sondern zwar nicht an der verabscheuten Oberfläche, aber doch sehr nahe zu ihr bleibt. Warum das “das beste Musikbuch des Jahres,vielleicht das beste Musikbuch der letzten Jahre überhaupt” sein soll, wie Arno Lücker in der nmz ausweichlich des Schutzumschlages behauptet hat, erschließt sich mir nun überhaupt. Zumal es um die Musik selbst ja gar nicht (bzw. nur sehr anektdotisch am Rande) geht und auch gar nicht gehen soll. Wahrscheinlich is das so ein Fall von Betriebsblindheit oder übermäßigem Verharren im kleinen Zirkel der Musikvermittler, der so ein Buch so herausragend findet. Naja, zum Glück habe ich es nur aus der Bibliothek und nicht selbst gekauft …
Holger Notze: Die Leichtigkeitslüge. Über Musik, Medien und Komplexität. Hamburg: edition Körber-Stiftung 2010.294 Seiten. ISBN 978–3‑89684–079‑0.