Ins Netz gegangen (29.5.–1.6.):
- Mauert Luther nicht ein! — DIE WELT — Der Historik Heinz Schilling ist mit den bisherigen Vorbereitungen des Reformations-Jubiläums 2017 nicht so ganz zufrieden …
Die Kluft zwischen gegenwartsorientiertem Verkündigungsbegehren und Verlangen nach historischer wie biografischer Tiefenbohrung ist zu überbrücken, will das Reformationsjubiläum nicht unter das hohe Niveau der auf das 20. Jahrhundert bezogenen Gedenkkultur unseres Landes zurückfallen. Es geht um die ebenso simple wie folgenreiche Frage, wie viel Wissenschaft das Reformationsjubiläum braucht und wie viel Wissenschaft es verträgt. Denn nur auf einer soliden historischen Basis ist eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem “protestantischen Erbe” in der europäischen Neuzeit und globalen Moderne möglich.
- “Es muss ja nicht alles von mir sein” — DIE WELT — Literatur — Frank Kaspar besucht Monika Rinck und lässt sich von ihr erklären und zeigen, wie man heute Gedichte schreibt, ohne peinlich und nervend zu sein (was ihn anscheinend ziemlich überrascht, dass das geht …):
Wer in Monika Rincks Texte eintaucht, dem schwirrt bald der Kopf vor lauter Stimmen und Sprachen, die dort frei zusammenschießen. Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Pfälzisch, innere treffen auf äußere Stimmen, rhythmisch Ausgefeiltes auf bewusst gesetzte Brüche, Sprünge, Ausrufe: Ha! Ach so! Hohoho! Die “Gischt der wirklichen gesprochenen Sprache”, die Walter Benjamin an Alfred Döblins Montage-Roman “Berlin Alexanderplatz” so begeistert hat, gurgelt zwischen den Zeilen und macht das Gewebe lebendig und beweglich.
- Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim: Vorkämpfer der katholischen Aufklärung — FAZ -
Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim, auch bekannt unter dem Spitznamen „Breitfass von Schüttesheim“ — angeblich trank er zu jeder Mahlzeit sechs Maß Rheinwein. Emmerich galt als offenherzig und volksnah, obwohl seine Ansichten so gar nicht in Einklang mit dem wundergläubigen Barock-Katholizismus der konservativen Landbevölkerung standen. Er las Voltaire und Diderot, wurde schließlich zum bedeutendsten Herrscher der katholischen Aufklärung. Besonders seine Schulreform wirkte nachhaltig. Letztlich schuf die Rationalisierung des Kurmainzer Ausbildungssystems die Grundlage für die Revolution in der Domstadt.
Dass die Mainzer den Wein lieben, ist also nichts Neues …
- Lebensmittelspekulation in der Frühen Neuzeit – Wie Wetter, Grundherrschaft und Getreidepreise zusammenhingen | Die Welt der Habsburger — Nahrungsmittelspekulation ist keine Erfindung und auch nicht nur ein Problem des 21. Jahrhunderts — wer hätte es gedacht .…:
Die Preissteigerungen waren jedoch nicht nur auf Wetterkapriolen zurückzuführen, auch das Verhalten der weltlichen und kirchlichen Grundherren trug maßgeblich zum Anstieg der Getreidepreise bei.
- »Wie ein Rausch« | Jüdische Allgemeine — Ein Interview mit dem Klavierduo Tal & Groethuysen über Wagner, Alfred Pringsheim und Israel:
Darin liegt auch die Leistung des Bearbeiters. Er steht ja ständig vor großen Fragen: Wie teile ich das auf? Wie kann ich möglichst viel vom Original unterbringen, sodass es plastisch ist, aber nicht überladen? Aber auch pianistisch realisierbar? Und es hat sich herausgestellt, dass Alfred Pringsheim, der eigentlich Autodidakt war, mit die interessantesten und auch pianistischsten Lösungen gefunden hat.
Schön auch der Schlusssatz: “Und was Wagner angeht, sind wir jetzt wieder für eine Weile bedient.” — ich glaube, das gilt nach diesem Jahr für alle …
- Adresscomptoir: Auf der Suche nach Grillparzer — Heinrich Laube irrt durch Wien:
Grillparzer, wo bin ich überall hingerathen, um Dich zu finden! — erster Hof, zweite Stiege, dritter Stock, vierte Thür! Es wirbeln mir noch die Beschreibungen im Kopfe. Nach einer vormittäglichen Suchjagd stand ich endlich in einer schmalen, öden Gasse vor einem großen schweigsamen Hause
Grillparzers überraschend bescheidene Wohnung kann man übrigens im städtischen Wien-Museum besichtigen.