Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: thelonious monk

spinnennetz mit tau (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (10.10.)

Ins Netz gegan­gen am 10.10.:

  • Wer liest heu­te noch Arndt? | Lyrik­zei­tung & Poet­ry News → die lyrik­zei­tung zum streit um den namen der uni­ver­si­tät in greifs­wald:

    Wo „Arndt“ drauf­steht, ist heu­te in den aller­meis­ten Fäl­len schlimms­tes neo­na­zis­ti­sches „Gedanken“gut drin. Nicht alle, die auf dem Markt in Greifs­wald für Arndt als ver­meint­li­che Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur demons­trier­ten, kann­ten die­sen brau­nen Sub­text. Eini­ge aber schon! Den ande­ren rufe ich zu: Lest mei­net­we­gen Arndt, den ori­gi­na­len. Die Geschmä­cker sind ver­schie­den wie die Mei­nun­gen. Aber paßt auf, ob wirk­lich Arndt drin ist, wo Arndt drauf steht.

  • Ach ja, und der Rauch | Get­idan → eini­ge mei­nes erach­tens gute und tref­fen­de beob­ach­tun­gen und ein­schät­zun­gen zur docu­men­ta 14
  • Bericht zu Lage der Nati­on | taz → ein­fach gut (oder eben auch nicht …)
  • The­lo­nious Monk – Exzen­tri­ker im Zen­trum der Jazz­ge­schich­te | NZZ → vor hun­dert jah­ren wur­de the­lo­nious monk gebo­ren

    Monk-Kom­po­si­tio­nen sei­en gefro­re­ne Monk-Soli, sei­ne Soli geschmol­ze­ne Monk-Kom­po­si­tio­nen, lau­tet ein schö­ner Satz. Er erklärt, war­um Monk-Stü­cke – selbst wenn sie von ande­ren schlecht gespielt wer­den – immer nach Monk klin­gen. Des­we­gen war Monk ein Genie. Auch nach sei­ner eige­nen Defi­ni­ti­on: «A geni­us is the one most like hims­elf.»

Schlippenbachs Monk

Eine neue CD, die mir mein Abon­ne­ment der Intakt-Ver­öf­fent­li­chun­gen ins Haus bringt: Schlip­pen­bach plays Monk. Das macht er ja nicht zum ers­ten Mal, Intakt hat ja auch sei­ne gran­dio­se „Gesamt­auf­nah­me“ des Mon­kschen Oeu­vres mit den groß­ar­ti­gen Musi­kern von Die Ent­täu­schung ver­öf­fent­lich. Das hier ist aber noch ein­mal etwas ande­res. Ob bes­ser oder schlech­ter, ist schwer zu sagen. Schlip­pen­bachs Musik ist hier locke­re Kom­ple­xi­tät: Jeder Moment atment Luft, jeder Klang bleibt offen, Lücken in der Form beflü­geln Mon­ks genia­le Kom­po­si­tio­nen in die­ser Ein­spie­lung von Alex­an­der von Schlip­pen­bach, die neun Kom­po­si­tio­nen (eine dop­pelt ein­ge­spielt) mit kur­zen, frei impro­vi­sier­ten Zwi­schen­spie­len Schlip­pen­bachs kom­bi­niert.
In kom­ple­xen Mus­tern und Abläu­fen bleibt die­se Inter­pre­ta­ti­on Mon­ks quick­le­ben­dig. Sicher, immer wie­der kann man die (geis­ti­ge) Nähe zur kom­po­nier­ten Neu­en Musik hören. Über­haupt kann man hier schon mal (wie­der) die Fra­ge stel­len, ob das Jazz ist (oder sein soll). Das klang­li­che Ergeb­nis unter­schei­det sich – gera­de bei den Eigenkompositionen/​Improvisationen Schlip­pen­bachs – zumin­dest beim ers­ten hören nicht wesent­lich von vie­len Kom­po­si­tio­nen der letz­ten 50 jah­re oder so. Bei den Monk-Inter­pre­ta­tio­nen, die so etwas wie das Gerüst die­ser Ein­spie­lung bil­den, ist das jaz­zig-impro­vi­sa­to­ri­sche Moment stär­ker zu hören – weil hier mit klas­si­schen Vor­ga­ben gear­bei­tet wird: einer Melo­die und zuge­hö­ri­ger Akkord­fol­ge als Aus­gangs­punkt. Aber selbst das stimmt nicht immer, man kann sich da schnell täu­schen: Weil Monk sich Schlip­pen­bach annä­hert und Schlip­pen­bach sich monk anver­wan­delt. Ulf Drech­sel schreibt im Begleit­text des­halb ganz tref­fend:

Mon­kIst­Mon­kWird­Schlip­pen­bach­Bleibt­Mon­kBleibt­Schlip­pen­bach

Das triff die Qua­li­tät die­ser CD viel­leicht am bes­ten: Dass sich hier zwei Musi­ker, zwei See­len tref­fen, ver­mi­schen, ver­wan­deln und doch sie selbst blei­ben. Klang­lich ist das fas­zi­nie­rend und bele­bend, der Sound der Auf­nah­me ist wun­der­bar leben­dig und detail­ge­sät­tigt, so dass man Schlip­pen­bachs behut­sa­mes Spiel auf dem gro­ßen Stein­way in allen Facet­ten wahr­neh­men, nach­spü­ren und mit-/nach­voll­zie­hen kann. Die­se schein­bar ganz schlich­te Musik, die solis­ti­sche Impro­vi­sa­ti­on mit und über neun Monk-Kom­po­si­tio­nen ist aber unge­heu­er ein­neh­mend. Nicht nur durch ihre kul­ti­viert-ver­fei­ner­te Gelehr­sam­keit und for­ma­le Klar­heit – von dem wun­der­ba­ren Klang sprach ich ja schon -, son­dern auch dadurch, dass sie ganz unbe­küm­mert frisch und leben­dig bleibt. Das Alter der Wer­ke und des Pia­nis­ten hört man eben gera­de nicht. Höchs­tens mal in der abge­klär­ten Ent­spannt­heit, mit der Schlip­pen­bach das mon­ksche Mate­ri­al benutzt und ver­ar­bei­tet – er muss sich und uns nichts mehr bewei­sen. Und das hört man unbe­dingt – mit gro­ßer Freu­de. Irgend­wie spü­re ich da mehr Wahr­heit und Wahr­haf­tig­keit als in der meis­ten Musik, die uns sonst so umgibt (ohne jetzt direkt sagen zu kön­nen, wel­che Wahr­heit das ist): Das hat die Wir­kung erha­be­ner Kunst – sie ver­än­dert den Hörer, läu­tert ihn oder lässt ihn zumin­dest die Erha­ben­heit de Schön­heit wahr­neh­men.

Alex­an­der von Schlip­pen­bach: Pia­no Solo. Schlip­pen­bach plays Monk. Intakt CD 207, 2012.

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