Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: spd

Ins Netz gegangen (10.10.)

Ins Netz gegan­gen am 10.10.:

  • Fleu­ron → coole sache: eine daten­bank von orna­menten des buch­drucks des 18. jahrhun­derts

    Fleu­ron is a data­base of eigh­teenth-cen­tu­ry print­ers’ orna­ments. Eigh­teenth-cen­tu­ry books were high­ly dec­o­rat­ed and dec­o­ra­tive. Their pages were adorned with orna­ments that ranged from small flo­ral embell­ish­ments to large and intri­cate head- and tail­pieces, depict­ing all man­ner of peo­ple, places, and things. Fleu­ron includes orna­ments cut by hand in blocks of wood or met­al, as well as cast orna­ments, engrav­ings, and fleu­rons (orna­men­tal typog­ra­phy).

    Print­ers’ orna­ments are of inter­est to his­to­ri­ans from many dis­ci­plines (learn more here), not least for their impor­tance as exam­ples of ear­ly graph­ic design and crafts­man­ship. These minia­ture works of art can help solve the mys­ter­ies of the book trade, and they can be used to detect pira­cy and fraud.

  • We Need to Save the Inter­net from the Inter­net of Things | Moth­er­board → bruce schneier über die sicher­heit­sprob­leme, die — schon jet­zt abseh- und spür­bar, in naher zukun­ft aber um ein vielfach­es poten­ziert — das “inter­net of things” darstellt

    What this all means is that the IoT will remain inse­cure unless gov­ern­ment steps in and fix­es the prob­lem. When we have mar­ket fail­ures, gov­ern­ment is the only solu­tion. The gov­ern­ment could impose secu­ri­ty reg­u­la­tions on IoT man­u­fac­tur­ers, forc­ing them to make their devices secure even though their cus­tomers don’t care. They could impose lia­bil­i­ties on man­u­fac­tur­ers

    we need to build an inter­net that is resilient against attacks like this. But that’s a long time com­ing.

  • „vor­wärts“ und nicht vergessen? | car­ta → klaus vater über den “vor­wärts”, mit inter­es­san­ten anek­doten
  • Was läuft: Musik war immer wichtig | der Fre­itag → über die musik, die serien für die end-cred­its benutzen …
  • Weimar­er Repub­lik: Hat­te Weimar eine Chance? | ZEIT ONLINE → die “zeit” stellt zwei bew­er­tun­gen der weimar­er repub­lik gegenüber — von tim b. müller und andreas wirsching. inter­es­sant die unter­schiede (müller wieder­holt, was er seit zwei jahren auf allen kanälen mit­teilt …), aber auch die gemein­samkeit­en. und vielle­icht sollte man die bei­den ansätze/bewertungen über­haupt gar nicht so sehr als gegen­sätze, son­dern als ergänzun­gen betra­cht­en …

Ins Netz gegangen (19.5.)

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  • Eurokrise: “Es gibt keine ein­deuti­gen Geg­n­er” | ZEIT ONLINE — joseph vogl im gespräch mit der “zeit”:

    Ein­er­seits hat es ein gewaltiges Umverteilung­spro­gramm gegeben, bei dem pri­vate Schuld­ner – also vor allem die hoch ver­schulde­ten Großbanken – mith­il­fe öffentlich­er Gelder saniert wur­den. Ander­er­seits hat man mit der Restau­ra­tion des Finanzsys­tems auch das alte Schla­mas­sel der Zeit vor 2008 wieder her­bei­fi­nanziert: Es herrschen heute wieder die gle­ichen Risiko­la­gen, die gle­iche Insta­bil­ität an den Finanzmärk­ten. Para­dox­er­weise entste­ht diese neue Unsicher­heit eben genau durch die Maß­nah­men, also das Auss­chüt­ten von viel Geld, mit denen die Krise bekämpft wer­den sollte. Was sich in dieser Zeit hinge­gen tat­säch­lich verän­dert hat, ist die Art und Weise, wie wir regiert wer­den. […] Wir erleben also ger­ade ein finanzpoli­tis­ches Dou­blebind: Ein­er­seits gibt die herrschende Dog­matik vor, dass das Wirtschaftswach­s­tum nur mit Investi­tio­nen und neuem bil­ligem Geld zu erre­ichen ist. Ander­er­seits erhöht das gle­iche bil­lige Geld die Risikoan­fäl­ligkeit auf den Märk­ten. Dieses Dilem­ma kennze­ich­net also an einem Punkt ihre Macht und gle­ichzeit­ig ihre struk­turelle Ohn­macht.

    — er sagt noch einiges mehr, was das inter­view sehr lesenswert macht. und sehr beze­ich­nend ist, dass solche eigentlich emi­nent ökonomis­chen (und poli­tis­chen) beobach­tun­gen ger­ade ein kul­tur­wis­senschaftler machen muss — die “fach­leute” scheinen da (zumin­d­est in der deutschen öffentlichkeit) keine posi­tion und/oder stimme zu find­en …

  • Wolf­gang Ull­rich: „Urhe­ber­rechte für die sozialen Net­zw­erke gän­zlich sus­pendieren“ – iRights.info — der kun­sthis­torik­er wolf­gang ull­rich im inter­view mit irights über kun­st, inter­net, jus­tiz, das urhe­ber­recht — und tech­noviking

    Das Urhe­ber­recht denkt auch in den sozialen Net­zw­erken viel zu sehr vom klas­sis­chen Werk­be­griff her und nicht vom Ort, an dem etwas stat­tfind­et. Und da sehe ich die Par­al­le­len zur Prob­lematik in der Kun­st. Wer etwas in die Social Media platziert, gibt es frei – und die Welt kann damit machen, was sie will. Aber in den meis­ten Fällen macht die Welt gar nichts damit. Ab und zu passiert dann doch etwas, es entste­ht gar ein Mem.[…] Mein­er Mei­n­ung nach hinkt bei etlichen Urteilen die Recht­sprechung der Kun­st­prax­is um zwei bis drei Jahrzehnte hin­ter­her. Und das ist auch beim Tech­noviking der Fall.

  • Wehrma­cht: Die vergesse­nen Sol­datin­nen | ZEIT ONLINE — die his­torik­erin karen hage­mann erin­nert an die rolle der frauen im zweit­en weltkrieg

    Nicht nur in der pop­ulären Erin­nerung wurde das Aus­maß der mil­itärischen Krieg­sun­ter­stützung von Frauen lange vergessen, selb­st in der umfan­gre­ichen Geschichtss­chrei­bung zum Zweit­en Weltkrieg wer­den Frauen zumeist nur als Arbei­t­erin­nen in der Kriegsin­dus­trie oder Kranken­schwest­ern porträtiert. Dies ist um so bemerkenswert­er, als wir heute auf fast dreißig Jahre Forschung zum The­ma Geschlecht, Mil­itär und Krieg zurück­blick­en kön­nen und die Ära der Weltkriege zu den am besten erforscht­en Peri­o­den über­haupt gehört. Dieser Befund gilt nicht nur für die deutsche, son­dern ähn­lich auch für die inter­na­tionale Geschichtswis­senschaft. Wie ist die Ver­drän­gung zu erk­lären? Warum fällt es vie­len offen­bar noch heute so schw­er, sich Frauen als Sol­datin­nen vorzustellen?
    Ein Grund hier­für dürfte die Bedeu­tung sein, die dem Recht, im Dien­ste des Staates oder ein­er anderen höheren Macht Waf­fen tra­gen und töten zu dür­fen – oder im Kriegs­fall zu müssen – für die Markierung der Geschlech­ter­dif­feren­zen zukommt. Seit der Antike ist dieses Recht männlich kon­notiert. Die kom­ple­men­täre Rolle der Frauen bestand bis ins frühe 20. Jahrhun­dert hinein vor allem darin, Män­ner zum Kampf zu motivieren, Ver­wun­dete zu pfle­gen und Gefal­l­ene zu betrauern. […]Teil der Demo­bil­isierung in der Nachkriegszeit war in allen kriegs­beteiligten Staat­en eine Poli­tik, die die Vorkriegs­geschlechterord­nung und damit die soziale Sta­bil­ität wieder­her­stellen sollte. Frauen wur­den aus den Armeen ent­lassen und mussten ihre während des Krieges ein­genomme­nen Arbeit­splätze in Indus­trie, Han­del und Ver­wal­tung für die heimkehren­den Vet­er­a­nen frei machen, die wieder alleinige Fam­i­lienernährer wer­den soll­ten. Die 1950er Jahren mit ihrem Wirtschaftswun­der wur­den in West­deutsch­land und anderen Län­dern Wes­teu­ropas dank ein­er entsprechen­den Fam­i­lien­poli­tik zum “gold­e­nen Zeital­ter” des Mod­ells der “Alleinverdiener-Hausfrau”-Familie.

  • Stradi­varis Cel­lo: Oh, Mara! | ZEIT ONLINE — car­olin pirich über eines der berühmtesten cel­los aus der stradi­vari-werk­statt und seinen momen­tan­ten besitzer, chris­t­ian poltéra:

    “Das Mara zu spie­len ist wie mit der Stimme eines anderen zu sprechen”, sagt der neue Part­ner des Mara. “Das dauert ein, zwei Jahre, bis es nach mir klingt.”

  • Social Media: Das Netz bist du! | ZEIT ONLINE — kil­ian troti­er porträtiert den britis­chen anthro­polo­gen daniel miller (und seine forschung), der weltweit die nutzung sozialer net­zw­erke erforscht und schon mal eines fest­gestellt hat: die regionalen nutzung­sun­ter­schiede sind gewaltig.
  • Eine Lanze für bloggende Studierende: Patrick Bah­n­ers zur Causa Mün­kler-Watch | Redak­tions­blog — patrick bah­n­ers legt dar, warum es nicht ganz so abstrus, unver­schämt und ohne vor­bild ist, als bloggende studierende mit einem kri­tis­chen blog anonym bleiben zu wollen. und macht neben­bei eine inter­es­sante anmerkung:

    Heikel für Mün­kler ist, dass einige der ihm zugeschriebe­nen Ein­las­sun­gen, die ihn in keinem guten Licht daste­hen lassen, für Leute, die ihn ken­nen, einen nur allzu glaub­würdi­gen Sound haben.

  • Nachruf auf Odo Mar­quard — Mit Witz zum Denken anre­gen — ein Nachruf auf den Philosophen Odo Mar­quard beim deutsch­landra­dio
  • Gewalt | Schmalenstroer.net — michael schmalen­stroer bringt auf den punkt, warum man bei der darstel­lung von gewalt­täti­gen momenten der geschichte manch­mal sich ein­er sehr krassen sprache (und/oder bilder) bedi­enen muss:

    Wenn Dig­i­tal­Past also bru­tal ist, dann beschw­ert euch bei euren Großel­tern. Weil die bru­tal waren.

  • Streik: Hur­ra, Deutsch­land liegt lahm | ZEIT ONLINE — sehr guter kom­men­tar zum streiken in deutschlnd, unter anderem mit diesem schö­nen und lei­der so abso­lut zutr­e­f­fend­en satz: »Die SPD agiert momen­tan also unge­fähr so sozialdemokratisch wie Ayn Rand beim Rest­posten­verkauf.«
  • The Opera Plat­form — schöne ini­tia­tive:

    Die Opern­plat­tform ist eine Part­ner­schaft zwis­chen Opera Europa, einem 155 Opern und Fest­spiele umfassenden Net­zw­erk, dem Kul­tursender ARTE und 15 Opern­häusern aus ganz Europa. Sie wird vom Pro­gramm Kreatives Europa der Europäis­chen Kom­mis­sion unter­stützt und ist für alle Beiträge offen, die Oper einem bre­it­eren Pub­likum zugänglich machen wollen.

  • Bahn-Streik: Danke, Claus Wesel­sky! — Aug­stein-Kolumne — SPIEGEL ONLINE — sehr richtiger kom­men­tar von jakob aug­stein zur rel­e­vanz des gdl-streiks & warum die deutschen der gdl danken soll­ten

Ins Netz gegangen (10.3.)

Ins Netz gegan­gen am 10.3.:

  • Liebe Raubkopier­er bei der SPD, | taz Haus­blog — Sebas­t­ian Heis­er mah­nt SPD-Grup­pierun­gen ab, weil sie eines sein­er Fotos nicht lizen­zgemäß ver­wandten:

    Nor­maler­weise stört es mich nicht, wenn andere Leute meine Texte oder Bilder weit­er­ver­bre­it­en. Falls es mich doch mal stört, schreibe ich eine fre­undliche E‑Mail oder greife zum Tele­fon (außer bei Kai Diek­mann). Aber in diesem Fall dachte ich mir: Warum sollen unter dem kaput­ten Urhe­ber­recht immer nur die Leute lei­den, die damit täglich arbeit­en müssen? Und nicht auch mal die, die dafür ver­ant­wor­lich sind?

  • Hubert Fichte — Der schwarze Engel — (Nach­trag zur Erin­nerung an seinen Todestag am 8. März)
  • Sybille Lewitscharoff: Sybille Bergs Gedanken zur Skan­dalrede — SPIEGEL ONLINE — Sybille Bergs heutige Kolumne kön­nte man Satz für Satz zitieren — sie hat ein­fach Recht …

    Unver­ständlich jedoch: Was bringt schein­bar gesunde, gut­si­tu­ierte Men­schen dazu, unver­drossen über Dinge zu reden, die sie nicht betr­e­f­fen, son­dern nur die Trägheit ihres Geistes offen­baren? Homo­pho­bie, Angst vor Rand­grup­pen und Ekel vor in Retorten gezeugtem Leben sagen nur etwas über den Ver­stand der lal­len­den Kri­tik­er aus. Sie sagen: Ich bin am Ende mit mein­er Weisheit. Ich will nicht denken, ich will mich nicht neu ori­en­tieren. Ich will keine Welt, in der alle Men­schen gle­ich sind.

  • Jus­tiz: Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy | ZEIT ONLINE — Thomas Fis­ch­er, Richter am BGH, in der “Zeit” über die Rolle der Staat­san­waltschaft im Strafrecht, ihre Entwick­lung und ihren gegen­wär­ti­gen Zus­tand — natür­lich aus aktuellem Anlass:

    Man wagt es kaum zu sagen: Vielle­icht sollte sich der Rechtsstaat – jeden­falls vor­läu­fig, bis zum Beweis des Gegen­teils – bei dem Beschuldigten Sebas­t­ian Edathy ein­fach entschuldigen. Er hat, nach allem, was wir wis­sen, nichts Ver­botenes getan. Vielle­icht soll­ten diejeni­gen, die ihn gar nicht schnell genug in die Hölle schick­en wollen, vor­erst ein­mal die eige­nen Wichsvor­la­gen zur Begutach­tung an die Presse übersenden. Vielle­icht soll­ten Staat­san­waltschaften weniger aufgeregt sein und sich ihrer Pflicht­en entsin­nen. Vielle­icht soll­ten Parteipoli­tik­er ihren durch nichts gerecht­fer­tigten herrschaftlichen Zugriff auf den Staat min­dern. Vielle­icht soll­ten aufgek­lärte Bürg­er ern­sthaft darüber nach­denken, wo sie die Gren­ze ziehen möcht­en zwis­chen Gut und Böse, zwis­chen dem Innen und Außen von Gedanken und Fan­tasien, zwis­chen legalem und ille­galem Ver­hal­ten. Zwis­chen dem nack­ten Men­schen und ein­er “Polizey”, die alles von ihm weiß.

  • Ann Cot­ten im Inter­view: Die Abwe­ichung beja­hen | Frank­furter Rund­schau — Judith von Stern­burg spricht mit Ann Cot­ten

    Als ich ein­mal Orna­mente geze­ich­net habe, fiel mir auf, dass in mein­er Struk­tur offen­bar etwas angelegt ist, das die Abwe­ichung immer bejaht. Ich ver­suche, den abso­lut schö­nen Kreis, die ger­ade Lin­ie zu zeich­nen, aber meine Fin­ger sind bis in die Spitzen darauf trainiert, die Abwe­ichung gutzuheißen. […] Ich glaube, es wäre vor­eilig, sich damit zufrieden zu geben, nicht per­fekt sein zu wollen. Natür­lich kann ich nicht wie ein Com­put­er zeich­nen, aber die Bemühung darum macht etwas mit mir. Ich habe genug Chaos in mir, um froh zu sein, wenn ich mich um klare For­men bemühe. Ohne die Liebe zur unerr­e­ich­baren Per­fek­tion, zu Gott, wie immer Sie es nen­nen wollen, wäre Kun­st auch nur so ein Kack­en. Wenn man sich damit zufrieden gibt, das Fleis­chliche, Fehler­hafte zu feiern.

Aus-Lese #22

Nils Minkmar: Der Zirkus. Ein Jahr im Inner­sten der Poli­tik. Zwis­chen­bericht. Frank­furt am Main: Fis­ch­er 2013. 220 Seit­en.

Das vorzügliche Buch von Nils Minkmar ist — da darf man sich vom Unter­ti­tel nicht irreführen lassen — keine Reportage im eigentlich Sinne, und schon gar keine, die uns über Poli­tik und Macht wirk­lich aufk­lärt. Minkmar ist näm­lich zuallererst ein Meis­ter der Wahrnehmung, Beschrei­bung und Deu­tung von (poli­tis­chem) Han­deln als sym­bol­is­chen Han­deln: Er kann Zeichen lesen — da ist er guter Kul­tur­wis­senschaftler. Und er kann es präzise (be-)schreiben. Dabei beschränkt er sich im Zirkus aber nicht auf den Zeichen­charak­ter des von ihm beobachteten Wahlkampf von Peer Stein­brück und seinen Hand­lun­gen, son­dern verbindet das mit poli­tis­ch­er Erdung. So tauchen immer wieder die Fra­gen nach der tat­säch­lichen und medi­alen Macht der ver­schiede­nen Akteure auf. Sehr gut gefall­en hat mir, wie er seinen konkreten Gegen­stand — Peer Stein­brück und seinen Wahlkampf — in größere Kom­plexe ein­bet­tet, etwa in Über­legun­gen zum Ver­trauen in die/der Poli­tik, zur psy­chol­o­gis­chen Sit­u­a­tion der deutschen Bevölkerung 2013, zu Post­demokratie und den Medi­en.

Aber immer wieder ist auch Verzwei­flung zu spüren: Verzwei­flung, dass der Kan­di­dat, der so richtig und gut ist, an so vie­len eigentlich banalen und neben­säch­lichen Din­gen scheit­ert, dass so vieles ein­fach nicht funk­tion­iert (bei ihm selb­st, im Appa­rat, in der SPD, in den Medi­en …). Das wird manch­mal für meinen Geschmack etwas sug­ges­tiv. Deshalb fall­en vor allem die gantz konkreten Analy­sen beson­ders pos­i­tiv auf: Wie Minkmar das Wahl­pro­gramm und vor allem den Slo­gan der SPD (“Das Wir entschei­det”) auseinan­dern­immt und deutet, das hat große Klasse.

Immer wieder treibt ihn bei sein­er Beobach­tung des Wahlkampfs vor allem das Ver­hält­nis von Kan­di­dat und Partei um: Stein­brück schildert er als klu­gen, sach­lich und nuanciert denk­enden und argu­men­tieren­den Überzeu­gungstäter, die Partei vor allem als unfähig, chao­tisch und unwillig. Unwilligkeit kommt beim Kan­di­dat­en in Minkmars Beschrei­bung vor allem in einem Punkt auf: In der Weigerung, die Medi­en­mas­chine bzw. ihr Sys­tem wirk­lich zu bedi­enen und zu benutzen — was im Vere­in mit der unfähi­gen PR der Partei zu den entsprechen­den Katas­tro­phen führt.

Aber dann ist das Buch für sich auch ein biss­chen hil­f­los: Das ganze ist, wenn man es so beschreibt, halt ein Zirkus, da kann man nichts machen. Und wenn man, wie Stein­brück, nach eige­nen Regeln zu spie­len ver­sucht oder auf seinen bewährten Stan­dards behar­rt, scheit­ert man eben und ver­liert …

Wolf­gang Schlenker: Dok­tor Zeit. Solothurn: rough­books 2012 (rough­book 020) 54 Seit­en.

Ein kleines Erin­nerungs­buch an den 2011 ver­stor­be­nen Schlenker mit zwei Zyklen sein­er Gedichte. Auf­fäl­lig ist bei diesen schnell ihre sug­ges­tive Sprach-/Versmelodie mit den kurzen Versen. Die Sprache wird hier präg­nant durch Glasklarheit und efährt dadurch auch eine gewisse Härte. Immer wieder greift Schlenker auf kurze Paar­verse zurück: Knap­pheit und Dichte, starke Konzen­tra­tion auf Zustände und Ergeb­nisse sind vielle­icht wesentliche Merk­male sein­er Lyrik. Nicht so sehr inter­essieren ihn dage­gen Prozesse und Abläufe: Ver­ben sind deshalb gar nicht so bedeut­sam in diesen Texte:

genauigkeit
als gäbe es
keine gren­zen (sankt nun, 49)

Schlenkers Lyrik, die hier immer wieder um das Prob­lem der Frei­heit kreist (“gut wäre auch freier wille” (15)), entwick­elt dabei so etwas wie eine Topogra­phie des Denkens mit Orten der Reflek­tion und der Selb­stvergewis­serung. Wege, Pfade etc. spie­len hier eine beson­dere Rolle. Vor allem aber schafft sie es, durch ihre pointierten Erken­nt­nisse dabei sehr “schlau” zu wirken:

die zeit ist nun lin­ear
wie ein fadenkreuz

ich weiß du bist da
bevor ich glaube wer ich bin. (4)

Deut­lich wird das auch in dem wun­der­baren “Lich­tung” (8), für mich wohl das beste dieser Gedichte:

als ich einige glaubenssätze
zum ersten mal
laut nach­sprechen kon­nte
hörte ich den don­ner
in der leitung
legte auf
und wählte neu

Moni­ka Rinck: Hasen­hass. Eine Fibel in 47 Bildern. Ostheim/Rhön: Peter Engstler 2013. 40 Seit­en.
Hasenhass - der Umschlag

Hasen­hass — der Umschlag

Ein befremdlich­es und erheit­ern­des Buch: Moni­ka Rinck treibt sich schreibend und zeich­nend in ein­er Phan­tasiewelt herum, in der Hasen­hass ein geweisse Rolle spielt, in der Haydn zwis­chen Disko-Kugel und Scheiben­qualle disku­tiert wird und ähn­lich Unge­heuer­lichkeit­en geheuer sind. Das sind kurze Ver­suche in & mit Sprach- und Denkbe­we­gun­gen, dazu noch skurile Zeich­nun­gen in und um die Witze herum — vielle­icht kann man das auch als dozierende Sprach­spiele lesen, die assozia­tiv ver­ket­tet und mäan­dernd über das Nichts, die Leere und andere Abwe­sen­heit­en nach­denken (“unschöne Über­legun­gen zur Prax­is des Nicht­ens” (9)) und als eine “Reform der See­len­gram­matik” (14) erheit­ern. “Die Dinge ver­wan­deln sich, die Beziehun­gen bleiben beste­hen.” (37) heißt es im kurzen “Nach­trag”. Und so ver­wan­deln sich auch Text und Zeich­nung, Wort und Bild in dieser Fibel:

Der Wind der Apoka­lypse weht durch das kaputte Gedächt­nis. Und wieder tre­f­fen wir auf ein Ver­hält­nis von taumel­nder Äquiv­alenz. (7)

Der geme­in­ste Witz ver­steckt sich übri­gens auf der let­zten Seite, im Impres­sum — und ich bin mir immer noch nicht sich­er, ob das ein Witz sein soll oder nur ein banaler Fehler ist — nach der Lek­türe solch­er Texte sucht (und find­et) man eben über­all Sinn ;-):

Hinrichtung

Hin­rich­tung

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Ins Netz gegan­gen (24.6.):

  • Inter­net-Überwachung — Touris­ten als unhy­gien­is­che Ter­rorverdächtige — Süddeutsche.de — Jörg Häntzschel über die unmäßige Angst vor dem Ter­ror­is­mus und die Fol­gen für uns alle …

    Ver­führt von der Macht, die die geheimen Überwachungsap­pa­rate ihm ver­lei­hen, und voller Angst, dass man ihm Ver­harm­lo­sung vor­w­er­fen kön­nte, wenn es doch ein­mal zu einem Anschlag kom­men sollte, zwingt ihn die von ihm selb­st ange­fachte Ter­ro­rangst dazu, sie weit­er zu schüren.
    Spätestens in diesem Moment, wo Touris­ten und Geschäft­sleuten wie unhy­gien­is­che Verdächtige behan­delt wer­den, sollte auf­fall­en, dass die Ter­rorhys­terie nicht dem aus Hol­ly­wood bekan­nten Muster Wir gegen die Anderen fol­gt. Die Ter­ro­rangst taugt nicht zur Selb­stver­sicherung, sie stellt bis hin­auf zum Präsi­den­ten alle unter Ver­dacht.

  • Peer Stein­brück: Trä­nen lügen nicht — FAZ — Volk­er Zas­trow, ein­er der besten Autoren der FAZ, zeigt das “Prob­lem” des Kan­zlerkan­di­dat­en Peer Stein­brück in voller Schärfe:

    Er war noch gar nicht in der Küche, wie man immer dachte. Jeden­falls nicht am Herd, nicht in der stärk­sten Hitze. Einen Wahlkampf zu ver­lieren, bedeutet nicht nur das Abwrack­en eines Anspruchs, son­dern auch die Dekon­struk­tion der Per­son — jeden­falls ihrer sozialen Schale, jen­er dün­nen Schicht zwis­chen dem Ich und den Anderen, in der übere­in­stimmt, wie jemand gese­hen wird und wie er gese­hen wer­den will. Auf dem Parteikon­vent sollte sie wieder­hergestellt, es sollte gezeigt wer­den, dass Stein­brück ganz anders ist, als er jet­zt scheint. Man wollte ihn „als Men­sch“ vorstellen. Ange­blich ist sein ganzes Prob­lem, dass er nur noch als knor­riger, kantiger, kauziger, kotzen­der Kerl dargestellt und wahrgenom­men wird.

  • Möglich­es Büch­n­er-Porträt: Piraten­ber­atung — FAZ — “Büch­n­er, ein sin­gen­der Pirat?” — über das kür­zlich aufge­fun­dene Porträt, das August Hoff­mann 1833 geze­ich­net hat — und das vielle­icht Georg Büch­n­er zeigt oder auch nicht …

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Ins Netz gegan­gen (17.6.–19.6.):

  • Die Jour­nal­is­mus-Katas­tro­phe | Dr. Mut­ti — Die Jour­nal­is­mus-Katas­tro­phe (via Pub­lished arti­cles)
  • Mus­ter­erken­nung: Für Algo­rith­men ist jed­er verdächtig | ZEIT ONLINE — Kai Bier­mann ord­net das Prob­lem von Überwachungsmech­a­nis­men wie Prism in der “Zeit” richtig ein:

    Wer nichts zu ver­ber­gen hat, hat nichts zu befürcht­en? Nein, das ist eine Lüge. Denn weil die zugrunde liegen­den Hand­lun­gen so alltäglich und die daraus gewobe­nen Muster so kom­plex sind, kann sich nie­mand dieser Rasterung entziehen. Es ist unmöglich, bewusst friedlich zu leben, um dem Staat und sein­er Neugi­er aus dem Weg zu gehen. An sich harm­lose Ver­hal­tensweisen kön­nen genü­gen, um überwacht und ver­fol­gt zu wer­den. Es reicht, ähn­liche Dinge getan zu haben, wie ein Ver­brech­er.

  • Jour­nal­is­ten in Berlin — Du kommst hier nicht rein — Süddeutsche.de — Ein selt­samer Text von Ruth Schnee­berg­er — irgend­wie beschw­ert sie sich, dass die Promis auf Par­tys nicht mit den Jour­nal­is­ten reden wollen — und scheint das schlimm zu find­en, weil das doch irgend­wie das Recht der Jour­nal­is­ten ist … Aber die “schö­nen” Bilder nutzen die Medi­en dann doch gerne …

    Der Trend in der Berlin­er Blit­zlicht­szene geht zur VIP-VIP-Par­ty. Gast­ge­ber laden zu illus­tren Ver­anstal­tun­gen, doch die wirk­lich wichti­gen Gäste wer­den irgend­wann separi­ert.

  • Adress­comp­toir: FWF-E-Book-Library: Ein exquis­ites Ange­bot im Ver­bor­ge­nen — FWF-E-Book-Library: Ein exquis­ites Ange­bot im Ver­bor­ge­nen (via Pub­lished arti­cles)
  • Wochengedicht #62: Elke Erb |  TagesWoche  — Rudolf Buss­mann kom­men­tiert das Wochengedicht in der Tageswoche, “Fol­gen” von Elke Erb:

    Die Schlusszeile wäre dann als die leicht iro­nis­che Erken­nt­nis zu lesen, dass sich die Angst verselb­ständigt hat und ohne klare Motive ein­fach hin­ten­nach trot­tet – Spät­folge weit zurück­liegen­der, im Dunkel bleiben­der Ursachen.

  • Für diesen Text bin ich aus der SPD aus­ge­treten « Michalis Pan­telouris — Für diesen Text bin ich aus der SPD aus­ge­treten (via Pub­lished arti­cles)

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