Die Zeit steht, wie in Kontrapost zur Renaissance schlechthin, so insbesondere im Gegensatz zur Situation, in der die Buchdruckerkunst erfunden wurde. Mag es nämlich ein Zufall sein oder nicht, ihr Erscheinen in Deutschland fällt in die Zeit, da das Buch im eminenten Sinne des Wortes, das Buch der Bücher durch Luthers Bibelübersetzung Volksgut wurde. Nun deutet alles darauf hin, daß das Buch in dieser überkommenen Gestalt seinem Ende entgegengeht.
[…] Die Schrift, die im gedruckten Buche ein Asyl gefunden hatte, wo sie ihr autonomes Dasein führte, wird unerbittlich von Reklamen auf die Straße hinausgezerrt und den brutalen Heteronomien des wirtschaftlichen Chaos unterstellt. Das ist der strenge Schulgang ihrer neuen Form. Wenn vor Jahrhunderten sie allmählich sich niederzulegen begann, von der aufrechten Inschrift zur schräg auf Pulten ruhenden Handschrift ward; um endlich
sich im Buchdruck zu betten, beginnt sie nun ebenso langsam sich wieder vom Boden zu heben. Bereits die Zeitung wird mehr in der Senkrechten als in der Horizontale gelesen, Film und Reklame drängen die Schrift vollends in die diktatorische Vertikale. Und ehe der Zeitgenosse dazu kommt, ein Buch aufzuschlagen, ist über seine Augen ein so dichtes Gestöber von wandelbaren, farbigen, streitenden Lettern niedergegangen, daß die Chancen seines Eindringens in die archaische Stille des Buches gering geworden sind. Heuschreckenschwärme von Schrift, die heute schon die Sonne des vermeinten Geistes den Großstädtern verfinstern, werden dichter mit jedem folgenden Jahre werden.
Walter Benjamin, Einbahnstraße [1928], Abschnitt „Vereidigter Bücherrevisor“
Schlagwort: schrift

Ins Netz gegangen am 9.5.:
- re:publica 2016 – Richard Sennett: The City as an Open System → richard sennett sprach bei der re:publica sehr gut über open & smart cities, stadtentwicklung, grenzen und begegnungen
- Last Week Tonight with John Oliver: Scientific Studies (HBO) → John Oliver erklärt wissenschaftliche Studien und (Wissenschafts-)Journalismus
- Radwege: Jetzt geht es rund | ZEIT ONLINE → sehr schöner text über die absurdität und gewollt fakten-ignorierende und ‑verdrehende diskussion um die förderung von radverkehr in hamburg
Kaum eine Debatte wird so emotional geführt wie die um Radwege. In einer Straße in Wandsbek zeigt sich nun die gesamte Absurdität des Konflikts.
- The Absurd Primacy of the Automobile in American Life | The Atlantic → auch wenn’s (v.a. bei den zahlen) primär um die usa geht, gilt das im wesentlichen natürlich für alle entwickelten länder
But convenience, along with American history, culture, rituals, and man-machine affection, hide the true cost and nature of cars. And what is that nature? Simply this: In almost every way imaginable, the car, as it is deployed and used today, is insane.
- Literatur und Kapitalismuskritik: Das Geld verschlingt uns | NZZ → björn hayer in der nzz über die literatur (d.h. über vier texte) und den kapitalismus bzw. dessen kritik – er sieht da vor allem abstrakte schuld und schwarzmalerei, ihm fehlt sozusagen das positive …
Die Schriftsteller nehmen also ihre klassische Position als Mahner und Wächter der Moral ein. Doch wo sind die Akteure, die sie zu adressieren sich bemühen, in einem nebulösen System noch aufzuspüren?
[…] Sie verharren aber allein in Diagnosen, die Schuldfragen ins Nirgendwo verlagern und das Subjekt zur machtlosen Marionette degradieren.Ihre Literatur arrangiert sich mit einem gemütlichen Feindbild, das sie weiter aufbläst.
- Selected Stockhausen Scores → Beispielseiten/-ausschnitte aus Stockhausens Partituren
Ins Netz gegangen am 24.2.:
- Das MoMa New York erwirbt Alvin Luciers “I am sitting in a room” « Kulturtechno –
- Hochschwarzwald: Ab ins gemachte Nest! | ZEIT ONLINE – die zeit macht ein bisschen werbung für modernisierte (teure) ferienwohnung im schwarzwald, die mit schickem design übernachtungsgäste anlocken wollen, dafür aber die wertschöpfung schön zentralisieren und konzentrieren (und eben nur noch einen bruchteil bei den besitzern vor ort lassen)
Im Hochschwarzwald hat die Tourismus GmbH vorhandene Ferienwohnungen modernisiert. Ein Gewinn für alle Seiten?
- If Our Sons Were Treated Like Our Daughters | Lori Day – sehr schönes gedankenspiel …
Come with me. Let’s open the door to a parallel universe. Here in this parallel world, the rules are different because gender roles are flipped. Loving parents and teachers accept this strange culture as if it’s not so bad, or perhaps even good.…
- Edition: Hitlers „Mein Kampf“ kommt 2016 rund 2000 Seiten dick – DIE WELT – sven felix kellerhoff war bei der vorstellung der kommentierten ausgabe von hitlers „mein kampf“, die er sehr begrüßt:
Das IfZ und sein Vizechef Magnus Brechtken jedenfalls sind den richtigen Weg in einer offenen Gesellschaft gegangen: Sie suchen gegen den offensichtlich beschränkten Horizont von Beamten und (einigen) Politikern in München die Unterstützung der Öffentlichkeit. Denn jede Fortsetzung des absurden Tanzes um Hitlers „Mein Kampf“ führt nur in die Irre.
- Verbot für Brechts Stück „Baal“: In Grabesruhe – taz.de – es ist ganz einfach mit dem brecht-theater:
Es zählt zur postumen Ironie von Brechts Leben, dass der große Zertrümmerer des Klassikertheaters schlussendlich selbst zum Klassiker geworden ist. Postum werden Brechts Ideen in Stein gemeißelt, wofür sie der Autor nie vorgesehen hatte.
- Kieler Matrosenaufstand 1918 : Berühmtes Foto entpuppt sich nach fast 100 Jahren als Irrtum – quellenkritik bei fotografien ist eine schwierige und aufwändige sache:
Erstaunlicher Erkenntnis im Bundesbildarchiv: Das bekannteste Foto, mit dem seit fast 100 Jahren der Kieler Matrosenaufstand von 1918 illustriert wurde, ist in Wahrheit in Berlin entstanden.
hier war es die „originalvorlage“ (was auch immer das genau ist …), die durch ihre beschriftung eine korrektur erzwang
- Alte Schriften – wahnsinnig umfangreich, auch mit einigen ttf-fonts für ausgefallenes wie die merowingische minuskel …
Auf diesen Seiten finden Sie eine Sammlung alter Schriftzeichen aller Völker und Kulturen von Abur bis Zapotekisch.
Ins Netz gegangen am 5.1.:
- Kolumne Besser: Wie der Herr, so’s Gescherr – taz.de – das gibt’s auch nicht jeden tag: dass ich deniz yücel zustimme und seinen text auch noch gut finde. dank „pegida“-blödsinn ist’s möglich (und nötig!) – also lesen!:
Pegida findet die „Lügenpresse“ doof, die „Lügenpresse“ findet Pegida doof. Aber es gibt Ausnahmen: Stephan, Weimer, Matussek, Broder, di Lorenzo.
- 32. Lepanto oder Der fortgesetzte Missbrauch der Vergangenheit | Geschichte wird gemacht – achim landwehr beschäftigt sich (notgedrungen …) mit dem umstand, dass der afd-politiker einfach mal ohne anlass in der fas ohne besondere historische kenntnis über die schlacht von lepanto schreibt.
Was lernen wir aus diesem ansonsten gänzlich zu vernachlässigenden Beitrag?
Missbrauche nicht die Vergangenheit in vereinfachender und verfälschender Form für billige politische Anliegen der Gegenwart.
Wenn du schon von dieser Vergangenheit erzählst, dann tue es in möglicher komplexer, möglichst zahlreiche Aspekte berücksichtigender Form.
Wenn du schon einen Artikel schreibst, in dem billige Ressentiments gegen Andere bedient werden, dann schreibe wenigstens einen guten Artikel. Üble Beiträge mit üblen Inhalten sind eine doppelte Beleidigung.
Wenn du etwas aus Lepanto lernen willst, dann lerne dies: Es ist wirklich für alle Beteiligten besser, auf gegenseitige Anerkennung und Zusammenarbeit zu setzen als auf gegenseitiges Abschlachten.Muss man so etwas wirklich noch hinschreiben?
- Kraut von Rüben sortiert – Krautreporter durchgezählt | Verwickeltes – marc mit einigen interessanten beobachtungen und bemerkungen zu den „krautreportern“. einiges deckt sich mit meiner eigenen erfahrung – etwa das genervtsein von den tilo-jung-plauderstündchen. jedenfalls haben es die „krautreportern“, denen ich ja gerne geld bezahlt habe (und so arg viel war es ja auch gar nicht) noch nicht geschafft, zu einem wichtigen teil meines medienkonsums zu werden – ich vergesse immer mal wieder, das zu checken …
- Höhlen: Geh zum Teufel! | ZEIT ONLINE – „Die Welt brauchte viel weniger Psychopharmaka, wenn die Leute öfter in Höhlen gehen würden.“ >
- Das Auge liest mit – Nur wenige Literaten nutzen die Oberfläche ihrer Texte als eigenständige Ausdrucksform oder machen sich die Mühe, die materielle Grundlage ihrer Texte – die Schrift – zu reflektieren. – feature von jochen meißner, ca. 54 minuten
- France’s rock star economist Thomas Piketty turns down Legion of Honour | World news | The Guardian – piketty scheint ein mann mit charakter zu sein:
French economist Thomas Piketty has spurned the Legion of Honour, the country’s highest distinction, on the grounds that the government should not decide who is honourable.
Meine Netzfunde für die Zeit vom 21.2. zum 5.3.:
- xkcd: Virus Venn Diagram – Virus Venn Diagram (via Published articles)
- law blog» Archiv » Ein Grauen für alle, die ins Netz schreiben – Ein Grauen für alle, die ins Netz schreiben (via Published articles)
- The LaTeX Font Catalogue – gut sortierte Übersicht über verfügbare LaTeX-Schriften, mit Beispielen