Ins Netz gegangen am 30.3.:
- Welche Ursachen das Töten im Namen Gottes hat | FAZ — ein sehr guter gastbeitrag von friedrich wilhelm graf (der ja meistens sehr kluge dinge sagt …) in der “faz” über ursachen des religiösen terrors
Es dient nicht der Entschuldigung der derzeit im Namen Allahs ausgeübten Verbrechen, mögliche historische Parallelen sichtbar und auf die Gewaltpotentiale in allen Religionen aufmerksam zu machen. Aber es verhindert eine falsche, essentialistische Sicht auf den Islam, den es so wenig wie das Christentum gibt. Die muslimischen Religionskulturen in Europa sind in sich höchst vielfältig und durch ganz unterschiedliche kollektive Erfahrungen geprägt. Muslime in Kreuzberg, deren Eltern oder Großeltern einst aus der Türkei kamen, teilen nicht die traumatisierenden Erinnerungen an koloniale Fremdherrschaft, die für viele französische, noch vom Algerien-Krieg geprägte Muslime kennzeichnend sind.
Nach den Anschlägen von Paris und nun auch Brüssel ließ sich im politischen Betrieb eine Reaktion beobachten, die nur als falsches semantisches Investment bezeichnet werden kann: Staatspräsidenten, Regierungschefs und Parteivorsitzende beschworen einhellig „die Werte Europas“ oder „des Westens“, die man gegen alle terroristischen Angriffe verteidigen werde.
[…] Aber mit Werte-Rhetorik ist niemandem geholfen.„Wert“ war ursprünglich ein Begriff der ökonomischen Sprache, und seine Einwanderung in ethische Debatten und juristische Diskurse hat nur dazu geführt, die freiheitsdienliche Unterscheidung von gesetzlich kodifizierten Rechtsnormen und moralischen Verbindlichkeiten zu unterlaufen. Deshalb ist es fatal, wenn Vertreter des Rechtsstaates diesen im Kampf gegen den Terrorismus nun als eine „Wertegemeinschaft“ deuten.
für einen theologen auch fast überraschend, aber natürlich absolut richtig und ein punkt, der immer wieder gestärkt und verdeutlicht werden muss (weil er so gerne vergessen wird):
Für wirklich alle gilt allein das Recht, und deshalb sind Rechtsbrecher zu verfolgen und zu bestrafen.
- Aus dem Tagebuch eines Benediktinerpaters: Wie man 1684 im Dom in Mainz den Ostersonntagsgottesdienst feierte | Allgemeine Zeitung — die mainzer “allgemeine zeitung” bringt eine modernisierte fassung eines tagebuchberichts über die osterfeier 1684 in mainz, verfasst von einem reisenden benediktinerpater joseph dietrich aus dem kloster einsiedeln in der schweiz
- My Heroic and Lazy Stand Against IFTTT | Pinboard Blog — der pinboard-gründer/betreiber maciej cegłowski erklärt, warum es seinen (übrigens sehr empfehlenswerten) service nicht mehr bei ifttt gibt. die kurzfassung: deren unverschämten, erpresserischen bedingungen für entwickler
- Werbung – für 6 Euro | Übermedien — peter breuer blättert sich auf “übermedien” durch die vogue — und ist wenig angetan
Das Thema der „Vogue“ ist: „Langeweile“. Sowohl in den Anzeigen als auch in der Fotostrecke. „Komm Baby, stell Dich mal so hin und schau so pikiert, als würdest Du an einen völlig verkochten Grünkohl denken.“ Die Mädchen sind dünn, die Gesichter leer, die Klamotten teuer. In den Sechzigern gab es einen Dr. Oetker-Spot, in dem eine Frau am Herd steht, ein Fertiggericht zaubert und ein Sprecher sagt: „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? Und was soll ich kochen?“ Die Frauen der „Vogue“ haben sogar nur eine Lebensfrage, und selbst die macht ihnen offensichtlich keinen Spaß.
- Ingeborg Bachmann: “In mir ist die Hölle los” | ZEIT ONLINE — der germanist Joseph McVeigh durfte frühe briefe von ingeborg bachmann benutzen und zitieren und ist nun sicher, dass man das werk der autorin nur biographisch verstehen kann. zum glück ist die “zeit” gegenüber solchem methodischen unsinn etwas skeptischer …
“Ich habe keine Matratzenschnüffelei betreiben wollen”, sagt Biograf McVeigh, “aber wenn man die zerstörerische Wirkung der beiden katastrophal gescheiterten Beziehungen auf das Leben von Ingeborg Bachmann nicht berücksichtigt, kann man ihr späteres Werk kaum verstehen.”
- Pressemitteilungen als Genre: Ein-Blick in die universitäre Aktenkunde der Neuzeit | UniBloggT — was eine sehr knappe und schnöde pressemitteilung einer universität dem aktenkundlich versierten historiker alles verraten kann …