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Schlagwort: patriotismus

cobweb in sunlight

Ins Netz gegangen (23.8.)

Ins Netz gegan­gen am 23.8.:

  • „Raus mit den pri­va­ten Autos!“ | Ber­li­ner Zei­tung → inter­view mit dem ber­li­ner ver­kehrs­for­scher andre­as knie, der vehe­ment für eine de-pri­vi­le­gi­sie­rung der pri­va­ten autos plä­diert:
    Seit 20 Jah­ren gibt es in Ber­lin kei­ne Ver­kehrs­po­li­tik, nur eine Pro-Auto-Poli­tik. Wir brau­chen aber eine Ver­kehrs­wen­de! Und die muss jetzt end­lich kon­se­quent in Angriff genom­men wer­den: mit einer radi­ka­len Ver­rin­ge­rung der Fahr­zeug­men­gen, der Weg­nah­me von Pri­vi­le­gi­en.
  • Patrio­tis­mus und Natio­na­lis­mus: Für Deutsch­land | Zeit → die his­to­ri­ke­rin mari­on det­jen ver­sucht sich an einer ent­gif­tung der debat­te duch begrif­s­sklä­rung, hier am bei­spiel von natio­na­lis­mus und patrio­tis­mus – mei­nes erach­tens ein ziem­lich anspre­chen­der ver­such, die bei­den begrif­fe his­to­risch bewusst für die gegen­wär­ti­ge pra­xis benutz­bar zu machen

    (Ich gehe jede Wet­te ein, dass eine Umfra­ge unter Ver­fas­sungs­pa­trio­ten und Leit­kul­tur­pa­trio­ten zu dem Ergeb­nis käme, dass Ers­te­re wesent­lich mehr Beet­ho­ven spie­len und mehr Goe­the-Gedich­te ken­nen als Letz­te­re.)

  • War­um ist die­ser Mann kein Held? | Zeit → jana hen­sel hat sig­mund jähn, den ers­ten deut­schen im all, besucht und denkt über die erin­ne­rung an men­schen wie ihn, die in der ddr bekannt waren und nun fast plan­mä­ßig ver­ges­sen und ver­schwie­gen wer­den, nach

    War­um ist das eigent­lich so? Ab und zu kann man dar­an erin­nern, dass ein Mensch wie Sig­mund Jähn auch dem Wes­ten gut zu Gesicht ste­hen wür­de, weil sein Lebens­lauf in vie­lem eben­falls eine exem­pla­risch deut­sche Bio­gra­fie des 20. Jahr­hun­derts ist. Und wenigs­tens alle paar Jah­re hilft es viel­leicht, den Ost­deut­schen anzu­mer­ken, dass unse­re Erin­ne­rungs­kul­tur sehr wahr­schein­lich zu west­deutsch ist.

  • „Wir müs­sen Frei­hei­ten bewusst ein­schrän­ken“ | taz → ein (lei­der etwas kur­zes) inter­view mit ulrich brand:

    Degrowth wür­de ande­ren For­men der Wirt­schaft Raum geben, öffent­li­chen Unter­neh­men, der soli­da­ri­schen Öko­no­mie und so wei­ter. […] Wir brau­chen sozia­le Bewe­gun­gen, kul­tu­rel­len Wan­del, pro­gres­si­ve Unter­neh­mer – und wir brau­chen Poli­tik. […] Der libe­ra­le Frei­heits­be­griff tut so, als könn­ten alle frei sein. Aber das stimmt nicht. Im Moment sind die frei, die Geld haben. Wir müs­sen uns demo­kra­tisch Regeln set­zen, die unse­re Frei­hei­ten bewusst beschrän­ken.

  • Die­se Frau­en müs­sen Sie ken­nen | Spie­gel → sibyl­le berg und freun­din­nen haben einen neu­en kanon erstellt bzw. damit zumin­dest ange­fan­gen.

    Die Welt wur­de durch Ord­nungs­sys­te­me, die vor­nehm­lich männ­li­che Geis­tes­grö­ßen auf­lis­ten, nicht zu einem erfreu­li­che­ren Ort.
    Dar­um ist es Zeit für eine neue Lis­te. Neue Namen mit Ideen, die viel­leicht etwas zu einem freund­li­che­ren Mit­ein­an­der in der Welt bei­tra­gen kön­nen. Und die für die ande­re Hälf­te der Bevöl­ke­rung auch Rele­vanz haben. Unser Kanon, um die­ses wei­he­vol­le Wort zu ver­wen­den, ist unvoll­stän­dig und sub­jek­tiv, wie es Auf­lis­tun­gen immer sind, aber er ist ein Anfang.

  • The Untold Sto­ry of Not­Pe­tya, the Most Devas­ta­ting Cyber­at­tack in Histo­ry | Wired → eine sehr lan­ge und sehr span­nen­de repor­ta­ge über den rus­si­schen cyber­war-angriff Not­Pe­tya auf die ukrai­ne und des­sen aus­brei­tung auf die welt:

    In fact, it was a clust­er­fuck of clust­er­fucks.

Ins Netz gegangen (16.7.)

Ins Netz gegan­gen am 16.7.:

  • 70. Geburts­tag des Autors Jörg Fau­ser: Er war der Champ – taz.de – ambrow waibel über­legt in der taz, war­um das fau­ser so uncool und ein „lite­rat der loser“ war, aber trotz­dem ein tol­ler autor:

    Das Gro­ße an Fau­ser – SPD-Mit­glied – ist, dass er nie auf­ge­hört hat, mit allem, was er auf­brin­gen konn­te, danach zu stre­ben, sei­ne Schmer­zen zu popu­la­ri­sie­ren. Dar­aus ent­stan­den Geschich­ten: über die, die unten sind, über die, die in der Mit­te sind – und zu denen ganz oben wäre er auch noch gekom­men: Er war­te noch auf den gro­ßen deut­schen Mana­ger­ro­man, hat er 1984 im Fern­se­hen gesagt.

    Das Uncoo­le an Fau­ser war, dass er, als er es ab 1968 und fol­gend woll­te, nicht dazu­ge­hö­ren konn­te zu den Coo­len und Schö­nen sei­ner Gene­ra­ti­on. Das Uncoo­le war, dass er sich die­ser Zurück­wei­sung nicht durch die demü­ti­ge Flucht ins Pri­vat­le­ben, in den Suff oder in den Rei­se­teil ent­zog, son­dern dar­auf beharr­te, ein Schrift­stel­ler zu sein. Der ganz unver­fro­ren auf ein Lese­pu­bli­kum setz­te, das sich nichts vor­schrei­ben ließ.

  • Mythen ǀ Alles Gute, Macker!—der Frei­tag – kat­ja kull­mann über jörg fau­ser, der am 16. juli 70 jah­re alt gewor­den wäre:

    Jörg Fau­ser, der schmäch­ti­ge Hes­se mit der hit­zi­gen Abnei­gung gegen Trend­phä­no­me­ne, hat in die­sem Zusam­men­hang ein post­hu­mes Pro­blem: Er wird heu­te ganz über­wie­gend als Macker rezi­piert – bezie­hungs­wei­se miss­ver­stan­den.

  • Debat­te Über­wa­chung in Deutsch­land: Völ­ker­recht im Glas­fa­ser­ka­bel – taz.de – andre­as fischer-lesca­no:

    Die unver­hält­nis­mä­ßi­gen Über­wa­chungs­maß­nah­men der NSA sind völ­ker­rechts­wid­rig.

    des­halb for­dert er:

    Ent­we­der wir ver­lie­ren uns in trans­at­lan­ti­schen Vor­wür­fen über Spio­na­ge und Geheim­nis­ver­rat. Oder aber wir wid­men uns end­lich dem Wesent­li­chen: der demo­kra­ti­schen Selbst­ver­ge­wis­se­rung über die Gren­zen und Mög­lich­kei­ten der Frei­heit des Inter­nets.

    Die­se Dis­kus­si­on kön­nen wir aber nicht im natio­na­len Rah­men allei­ne füh­ren. Nur wenn wir die Infra­struk­tur des glo­ba­len Rechts nut­zen, wer­den wir wirk­sa­me Siche­run­gen für unse­re Frei­heits­räu­me ent­wi­ckeln kön­nen.

  • Iden­ti­täts­kon­su­mis­mus | Lesen was klü­ger macht – georg seeß­len:

    Den Iden­ti­täts­kon­su­mis­mus hat wohl kei­ne Unter­hal­tungs­in­dus­trie die­ser Welt, nicht ein­mal die US-ame­ri­ka­ni­sche, so per­fek­tio­niert wie die deut­sche. Schla­ger­mu­sik, Trach­ten­mo­de, Volks­fes­te, Event­dra­ma­tur­gie, Fern­seh­se­ri­en, Sport und Mar­ken­zei­chen, sogar Autos und T‑Shirts, sind einem neu­en Iden­ti­täts­mar­ke­ting unter­wor­fen. Im Iden­ti­täts­mar­ke­ting tref­fen sich die ursprüng­lich als Wider­sprü­che agie­ren­den Kräf­te der Super­fle­xi­bi­li­sie­rung und der Event­öko­no­mie mit den fik­ti­ven Kon­ti­nui­täts­kon­struk­tio­nen und der Sehn­sucht nach der ver­lo­re­nen Iden­ti­tät. Dabei wird eine Men­ge Geld umge­setzt. Und eine Men­ge Träu­me gehen ver­lo­ren. Klingt „Schland“ nicht nach einem ver­dammt komisch-trau­ri­gen Abge­sang auf Hei­mat? Der Iden­ti­täts­kon­su­mis­mus trägt die Selbst­ver­ach­tung in sich.

  • Twit­ter /​Things4Strings: „Sounds of Sum­mer“ via Anne … – wun­der­bar! RT @Things4Strings: „Sounds of Sum­mer“ via Anne Aki­ko Mey­ers
  • Umfäng­lich geschei­tert (epic fail) III: Fahr­rad­fah­rer | Rep­ti­li­en­fonds – epic fail 3 by jakob hein:

    War­um gibt man sich die Mühe, das Schloss mit einem Schlüs­sel zu öff­nen und es dann so mit einem Pol­ler zu ver­bin­den? Soll der Pol­ler die sanf­te Umar­mung der Plas­ti­kum­man­te­lung des Schlos­ses spü­ren? Oder möch­te man der Poli­zei im Ver­si­che­rungs­fall sagen kön­nen, man habe alles getan?

Relevanzerzeugung und Patriotismus

So lan­ge es sol­che Mel­dun­gen gibt, darf sich nun wahr­lich kein (Landes-)Parlament über man­geln­de Rele­vanz und Kom­pe­tenz beschwe­ren:

Auf die Aktu­el­le Stun­de, die die CDU für Don­ners­tag im Land­tag ange­mel­det hat, darf man wahr­lich gespannt sein. Der Par­la­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der Uni­on, Hol­ger Bel­li­no, erwar­tet näm­lich nichts weni­ger als die „vol­le Soli­da­ri­tät“ des gesam­ten Hau­ses mit der deut­schen Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft, die am Abend des­sel­ben Tages im Halb­fi­na­le der Euro­pa­meis­ter­schaft gegen Ita­li­en antritt. Mies­ma­chen gilt nicht, argu­men­tiert Bel­li­no in Rich­tung all jener, die mit Fuß­ball und Natio­nal­stolz nicht so recht warm wer­den kön­nen. „Patrio­tis­mus und Unter­stüt­zung der deut­schen Natio­nal­mann­schaft schlie­ßen sich nicht aus“, heißt das Mot­to des CDU-Antrags.

Da muss man doch schon ziem­lich neben der Spur sein, um das nicht nur für eine gute Idee und umset­zens­wert zu hal­ten, son­dern auch noch argu­men­ta­tiv ver­tei­di­gen zu wol­len. Ent­spre­chend schwach­brüns­tig ist denn auch die „Argu­men­ta­ti­on“. Was am Fah­nen­schwen­ken, Hupen und Bezin­ver­schleu­dern „auf­ge­klär­ter Patrio­tis­mus“ sein soll, erschließt sich mir auch über­haupt nicht. Das ist doch gera­de das Gegen­teil, näm­lich lupen­rei­ner Hur­ra-Patrio­tis­mus. Da wird ohne Ver­stand ein­fach rum­ge­ju­belt. Und nur weil in der „Natio­nal­mann­schaft“ ein paar Namen gelis­tet wer­den, die nicht urdeutsch klin­gen, heißt ja auch nicht unbe­dingt, dass die Inte­gra­ti­on aus­län­di­scher Bür­ger irgend­wie vor­an­ge­kom­men wäre. Hier führt Ste­fan Nig­ge­mei­er das heu­te vor – und das ist ein ganz belie­bi­ges und zufäl­li­ges Bei­spiel. Gera­de die hes­si­sche CDU könn­te und soll­te das ja wis­sen, ihr ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der R.K. hat das ja ger­ne immer wie­der mus­ter­gül­tig vor­ge­führt. Pein­lich ist das, ein­fach nur pein­lich …

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