Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: narration

Hausgemachter Islandroman

Wer erzählt denn hier über­haupt?? (107)

Warum zieht Island eigentlich die Spin­ner an? Zumin­d­est die gut­müti­gen? Wolf­gang Müller ist ja schon eine Weile auf diese Spezial­itäten wie Feen, Elfe und Kobolde — alles isländis­che Bestände — abon­niert. Jet­zt offen­bar auch Albrecht E. Man­gler. Mit “VERASCHUNG” (die Ver­salien sind Absicht), das über Tubuk Deluxe (inklu­sive orig­i­naler Island-Asche!) den Weg auf meinen Lesetisch fand, ist jeden­falls aus­re­ichend ver­rückt, um Man­gler zu einem Ehren-Islän­der zu machen.

Schon die ganze Auf­machung, das ewige drunter & drüber, die zusät­zlich eingeschobene Erzäh­ler­fik­tion, das Cast­ing für Fig­uren der Erzäh­lung, … machen den Leser schwindlig. “Veraschung” ist näm­lich vieles, aber eines bes­timmt nicht: diszi­plin­iert. Stattdessen ist das Büch­lein, “der Island-Roman”, auss­chweifend, undiszi­plin­ert, unbändig, wild, wirr (im besten, näm­lich unter­hal­tenden Sinne das alles …) — und vor allem komisch. Mit allem, was das Erzäh­ler­herz und ‑hirn hergibt, wird gespielt: Mit Fußnoten, mit Ergänzun­gen, Ver­weisen, Pseu­do-Inter­ak­tiv­ität (inklu­sive Blog, Face­book-Account — und mit “Warte­seit­en” im Buch, um die Zeit bis zur Auszäh­lung zu über­brück­en …) — das ist fast ein gedruck­ter Hyper­text. Allerd­ings nur als Show, sozusagen, nur aufge­set­zt, um möglichst viel Farbe und Ver­wirrung in den Lese­fluss und den mehr oder weniger geneigten Leser zu bekom­men … Dazu noch — nicht zu vergessen  (und auch nicht zu überse­hen) — die Selb­stre­f­eren­zial­ität auf ver­schiede­nen Ebe­nen des Textes — eine furios Mis­chung, fast ein Lehrbuch der Nar­ra­tiv­ität.

Man­gler zieht näm­lich so ziem­lich alle Reg­is­ter des (auch mal notorisch unzu­ver­läs­si­gen) Erzäh­lens, unzäh­lige Erzäh­ler­fik­tio­nen, Fußnoten, Stim­men­wech­sel, der “Gast­beitrag” von Jökull Eld­fells­son, der das ganze noch ein­mal unter­bricht, aber auch die Mit­tel der Mul­ti­me­di­al­ität (nicht nur Zeich­nun­gen und Bild­ver­weise, auch noch eine isländis­che Hob­by­fo­to­strecke in der Mitte, stilecht auf Hochglanz­pa­pi­er) und der Hyper­fik­tion, Spiel mit den Gat­tun­gen … so kön­nte man jet­zt noch eine ganze Weile weit­er aufzählen, was er sich so alles ein­fall­en lässt bzw. was er von anderen übern­immt. Zum Glück für “Veraschung” ist das mit 127 Seit­en ger­ade noch so im Rah­men, das der unaufhör­liche Strom an erzäh­lerischen Gim­micks noch auszuhal­ten ist — viel länger hätte ich das wohl nicht ertra­gen. Ach ja, so etwas wie eine “Fabel”, einen erzäh­lerischen Kern, gibt es auch noch. Der ist aber fast banal, den brauche ich hier nicht zu referieren — ein biss­chen muss dem Leser auch selb­st über­lassen bleiben. Schießlich ist das Entz­if­fern und Entwirren desr Erzäh­lknäuls ein wesen­tich­er Teil des Spaßes — und das ist schon ein run­dum amüsantes Spiel.

Wer erzählt denn hier über­haupt?? (107)

Albrecht E. Man­gler: VERASCHUNG. Der Island-Roman erzählt von Vigo LaFlamme. Mit einem Gast­beitrag von Jökull Eld­fells­son. Wien: Mile­na 2011. 127 Seit­en. ISBN 978–3‑85286–210‑1.

„Wie schwierig es doch im nach­hinein ist, jam­mere ich mein­er Schwest­er vor, die inno­v­a­tiv­en Momente, in denen sich gesellschaftliche Errun­gen­schaften sonisch, näm­lich immer zuerst in der Musik ankündi­gen, auch ihre pro­duk­tiv­en Wider­sprüche, weniger ret­ro­spek­tiv als in his­torisch zeit­genös­sis­ch­er Per­spek­tive, nachzu­vol­lziehen respek­tiv­en, in Anspielung auf mein endlich zu real­isieren­des Buch­pro­jekt, nar­ra­tiv zu rekon­stru­ieren.“ — Thomas Mei­necke, Musik, 34

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