Ins Netz gegangen am 19.5.:
- Eurokrise: “Es gibt keine eindeutigen Gegner” | ZEIT ONLINE — joseph vogl im gespräch mit der “zeit”:
Einerseits hat es ein gewaltiges Umverteilungsprogramm gegeben, bei dem private Schuldner – also vor allem die hoch verschuldeten Großbanken – mithilfe öffentlicher Gelder saniert wurden. Andererseits hat man mit der Restauration des Finanzsystems auch das alte Schlamassel der Zeit vor 2008 wieder herbeifinanziert: Es herrschen heute wieder die gleichen Risikolagen, die gleiche Instabilität an den Finanzmärkten. Paradoxerweise entsteht diese neue Unsicherheit eben genau durch die Maßnahmen, also das Ausschütten von viel Geld, mit denen die Krise bekämpft werden sollte. Was sich in dieser Zeit hingegen tatsächlich verändert hat, ist die Art und Weise, wie wir regiert werden. […]
Wir erleben also gerade ein finanzpolitisches Doublebind: Einerseits gibt die herrschende Dogmatik vor, dass das Wirtschaftswachstum nur mit Investitionen und neuem billigem Geld zu erreichen ist. Andererseits erhöht das gleiche billige Geld die Risikoanfälligkeit auf den Märkten. Dieses Dilemma kennzeichnet also an einem Punkt ihre Macht und gleichzeitig ihre strukturelle Ohnmacht.
— er sagt noch einiges mehr, was das interview sehr lesenswert macht. und sehr bezeichnend ist, dass solche eigentlich eminent ökonomischen (und politischen) beobachtungen gerade ein kulturwissenschaftler machen muss — die “fachleute” scheinen da (zumindest in der deutschen öffentlichkeit) keine position und/oder stimme zu finden …
- Wolfgang Ullrich: „Urheberrechte für die sozialen Netzwerke gänzlich suspendieren“ – iRights.info — der kunsthistoriker wolfgang ullrich im interview mit irights über kunst, internet, justiz, das urheberrecht — und technoviking
Das Urheberrecht denkt auch in den sozialen Netzwerken viel zu sehr vom klassischen Werkbegriff her und nicht vom Ort, an dem etwas stattfindet. Und da sehe ich die Parallelen zur Problematik in der Kunst. Wer etwas in die Social Media platziert, gibt es frei – und die Welt kann damit machen, was sie will. Aber in den meisten Fällen macht die Welt gar nichts damit. Ab und zu passiert dann doch etwas, es entsteht gar ein Mem.[…]
Meiner Meinung nach hinkt bei etlichen Urteilen die Rechtsprechung der Kunstpraxis um zwei bis drei Jahrzehnte hinterher. Und das ist auch beim Technoviking der Fall.
- Wehrmacht: Die vergessenen Soldatinnen | ZEIT ONLINE — die historikerin karen hagemann erinnert an die rolle der frauen im zweiten weltkrieg
Nicht nur in der populären Erinnerung wurde das Ausmaß der militärischen Kriegsunterstützung von Frauen lange vergessen, selbst in der umfangreichen Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg werden Frauen zumeist nur als Arbeiterinnen in der Kriegsindustrie oder Krankenschwestern porträtiert. Dies ist um so bemerkenswerter, als wir heute auf fast dreißig Jahre Forschung zum Thema Geschlecht, Militär und Krieg zurückblicken können und die Ära der Weltkriege zu den am besten erforschten Perioden überhaupt gehört. Dieser Befund gilt nicht nur für die deutsche, sondern ähnlich auch für die internationale Geschichtswissenschaft. Wie ist die Verdrängung zu erklären? Warum fällt es vielen offenbar noch heute so schwer, sich Frauen als Soldatinnen vorzustellen?
Ein Grund hierfür dürfte die Bedeutung sein, die dem Recht, im Dienste des Staates oder einer anderen höheren Macht Waffen tragen und töten zu dürfen – oder im Kriegsfall zu müssen – für die Markierung der Geschlechterdifferenzen zukommt. Seit der Antike ist dieses Recht männlich konnotiert. Die komplementäre Rolle der Frauen bestand bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein vor allem darin, Männer zum Kampf zu motivieren, Verwundete zu pflegen und Gefallene zu betrauern. […]Teil der Demobilisierung in der Nachkriegszeit war in allen kriegsbeteiligten Staaten eine Politik, die die Vorkriegsgeschlechterordnung und damit die soziale Stabilität wiederherstellen sollte. Frauen wurden aus den Armeen entlassen und mussten ihre während des Krieges eingenommenen Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Verwaltung für die heimkehrenden Veteranen frei machen, die wieder alleinige Familienernährer werden sollten. Die 1950er Jahren mit ihrem Wirtschaftswunder wurden in Westdeutschland und anderen Ländern Westeuropas dank einer entsprechenden Familienpolitik zum “goldenen Zeitalter” des Modells der “Alleinverdiener-Hausfrau”-Familie.
- Stradivaris Cello: Oh, Mara! | ZEIT ONLINE — carolin pirich über eines der berühmtesten cellos aus der stradivari-werkstatt und seinen momentanten besitzer, christian poltéra:
“Das Mara zu spielen ist wie mit der Stimme eines anderen zu sprechen”, sagt der neue Partner des Mara. “Das dauert ein, zwei Jahre, bis es nach mir klingt.”
- Social Media: Das Netz bist du! | ZEIT ONLINE — kilian trotier porträtiert den britischen anthropologen daniel miller (und seine forschung), der weltweit die nutzung sozialer netzwerke erforscht und schon mal eines festgestellt hat: die regionalen nutzungsunterschiede sind gewaltig.
- Eine Lanze für bloggende Studierende: Patrick Bahners zur Causa Münkler-Watch | Redaktionsblog — patrick bahners legt dar, warum es nicht ganz so abstrus, unverschämt und ohne vorbild ist, als bloggende studierende mit einem kritischen blog anonym bleiben zu wollen. und macht nebenbei eine interessante anmerkung:
Heikel für Münkler ist, dass einige der ihm zugeschriebenen Einlassungen, die ihn in keinem guten Licht dastehen lassen, für Leute, die ihn kennen, einen nur allzu glaubwürdigen Sound haben.
- Nachruf auf Odo Marquard — Mit Witz zum Denken anregen — ein Nachruf auf den Philosophen Odo Marquard beim deutschlandradio
- Gewalt | Schmalenstroer.net — michael schmalenstroer bringt auf den punkt, warum man bei der darstellung von gewalttätigen momenten der geschichte manchmal sich einer sehr krassen sprache (und/oder bilder) bedienen muss:
Wenn DigitalPast also brutal ist, dann beschwert euch bei euren Großeltern. Weil die brutal waren.
- Streik: Hurra, Deutschland liegt lahm | ZEIT ONLINE — sehr guter kommentar zum streiken in deutschlnd, unter anderem mit diesem schönen und leider so absolut zutreffenden satz: »Die SPD agiert momentan also ungefähr so sozialdemokratisch wie Ayn Rand beim Restpostenverkauf.«
- The Opera Platform — schöne initiative:
Die Opernplattform ist eine Partnerschaft zwischen Opera Europa, einem 155 Opern und Festspiele umfassenden Netzwerk, dem Kultursender ARTE und 15 Opernhäusern aus ganz Europa. Sie wird vom Programm Kreatives Europa der Europäischen Kommission unterstützt und ist für alle Beiträge offen, die Oper einem breiteren Publikum zugänglich machen wollen.
- Bahn-Streik: Danke, Claus Weselsky! — Augstein-Kolumne — SPIEGEL ONLINE — sehr richtiger kommentar von jakob augstein zur relevanz des gdl-streiks & warum die deutschen der gdl danken sollten