warum hast du nur so lange dramen geschrieben? aber da muss man ja erst einmal drauf kommen: schillers „räuber“ am stück und vollständig, von der „unterdrückten vorrede“ bis zum „dem mann kann geholfen werden“ sich gegenseitig vorlesen. daniel hatte die idee und hat heute dazu neun leute in seinem wohnzimmer versammelt – und vorzüglich bewirtet. um die schnöden leiblichen begierden brauchten wir uns also nicht kümmern, sondern konnten uns ganz dem heiligen text von schillers ersten drama zuwenden. die idee, das einfach mal laut und mit verteilten rollen zu lesen, ist ja schon ein wenig spleenig – und natürlich typisch für daniel… besonders schön fand ich ja auch die idee der auslosung der rollen, und zwar für jede szene neu: so kam es gar nicht erst zu identifikationen, der abstand zum text blieb immer gewahrt und ermöglichte ihm gerade dadurch eine besondere eigenständigkeit. denn eigentlich ist es nur eine schwundform seiner eigentlich gestalt, der aufführung auf der bühne. dafür aber vollständig, um kein wort gekürzt – und auch entsprechend lang. mit einigen kleinen pausen haben wir immerhin so etwa sechs stunden gebraucht – das macht im theater ja kaum noch ein publikum heute mit. überhaupt ist es interessant und mir hier wieder einmal sehr deutlich geworden, wie sehr sich das zeitgefühl um 1800 von dem heutigen unterschieden haben muss. inzwischen sind ja auch viele theater dem diktat des kinos und seiner neunzigminütigen standardlänge für jedes thema gefolgt und fordern die ausdauer des publikums, sich über mehrere stunden zu konzentrieren und sich so ganz und gar einer erfahrung eines kunstwerkes, und zwar nur eines einzigen, nicht eines ganzen reigens verschiedener, hinzugeben. das stück selbst enthüllt, wenn man es so stur und unverdrossen liest, durchaus einige ungewollte komik. vor allem dann nämlich, wenn das hier manchmal noch etwas überschüssige, noch nicht so fein (wie es schiller später verstand) ausgeformte pathos der rede mit dem zwang des vom-blatt-lesens kollidiert, wenn die hohen worte nur eine beiläufige stimmliche verkörperung efahren – dann offenbart sich doch einiges an witz und humor. überhaupt hat mich erstaunt, wie frisch und lebendig der text allein durch seine sprachliche materialisation noch heute, immerhin mehr als zweihundert jahre nach seiner niederschrift, sein kann. gut, im fünften akt wurde es dann ab und an etwas holprig, die konzentration ließ am trüben, verregneten novembernachmittag spürbar nach – da konnte auch der prompt servierte kaffee nicht mehr viel helfen. aber trotzdem: das ist eine angehme erfahrung gewesen. umso mehr, als ich zunächst durchaus skeptisch (wenn auch sofort willens, das wagnis auszuprobieren) war, was die realisierung von daniels plan anging und vor allem zweifel hatte, ob der und gerade dieser text so etwas überhaupt sinnvoll zulässt. doch er lässt es nicht nur zu, es macht auch nicht nur spaß, sondern fördert auch gute eindrücke (vielleicht nicht so tiefgehend wie die einer wirklich guten inszenierung), aber auf jeden fall bleibende eindrücke. und jetzt – womöglich machen wir das noch öfter, vielleicht aber doch mit tendenziell kürzeren texten.…