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Schlagwort: knabenchor

Taglied 28.7.2012

Anton Bruck­ner, Locus iste:

Locus Iste – Winds­ba­cher Kna­ben­chor

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gottesdienst wie in alten zeiten

Ein nord­deut­scher Got­tes­dienst zu Beginn des 17. Jahr­hun­derts – wie der wohl geklun­gen hat? Und was dort zu hören und zu erle­ben, zu sehen und zu fei­ern war, wenn es ein wich­ti­ger Fei­er­tag war wie etwa die Michae­lis­ves­per? Um das auf­zu­spü­ren, könn­te man sich jetzt eini­ge Wochen in die Biblio­thek set­zen und alte Kir­chen­ord­nun­gen, Musi­ker­rech­nun­gen und Par­ti­tu­ren stu­die­ren. Oder man setzt sich ent­spannt in sei­nen Hör­ses­sel und legt die gera­de erschie­ne SACD des Kna­ben­chor Han­no­ver in den Play­er. Dort ist näm­lich genau das auf­ge­nom­men: Eine ver­such­te Rekon­struk­ti­on so einer Michae­lis­ves­per, wie sie etwa in den 1620er-Jah­ren zum Bei­spiel in Wol­fen­büt­tel hät­te gesche­hen kön­nen. Jörg Brei­ding, der Diri­gent der Han­no­ve­ra­ner, hat mit fach­kun­di­ger Unter­stüt­zung aus den Wer­ken Micha­el Prae­to­ri­us, der genau dort Orga­nist und Hof­ka­pell­meis­ter war, ein mög­li­ches Gesamt­kunst­werk einer musi­ka­li­schen Ves­per zu Michae­lis zusam­men­ge­stellt. Und das dann zu unse­rem Glück mit sei­nem Chor und einer Men­ge Instru­men­tal-Exper­ten (dem Johann-Rosen­mül­ler-Ensem­ble und Hil­le Perls „The Siri­us Viols“ sowie dem Bre­mer Laut­ten-Chor) auf eine Super-Audio-CD gebannt. 80 Minu­ten fas­zi­nie­ren­de Musik sind das gewor­den, in denen man mit dem frem­den Blick des Nach­ge­bo­re­nen der unge­heue­ren Viel­falt der Musik Prae­to­ri­us‘ lau­schen darf, sei­nen Kon­zert­sät­zen und sei­nen Psal­men etwa, aber auch dem gro­ßen Magni­fi­cat, das in sich noch ein­mal mit sei­nem brei­ten Spek­trum musi­ka­li­scher Gestal­tungs­kraft fein dif­fe­ren­ziert. Genau das macht auch Brei­ding mit sei­nen Sän­gern und Instru­men­ta­lis­ten: Das ist, gera­de in der Har­mo­nie der Man­nig­fal­tig­keit und der wei­chen Fül­le des Klangs eine sehr fei­ne und fein­sin­ni­ge Auf­nah­me gewor­den. Scha­de nur, dass die Got­tes­diens­te heu­te sol­che musi­ka­li­schen Hoch­leis­tun­gen nicht (mehr) bie­ten.

Michae­lis­ves­per mit Wer­ken von Micha­el Prae­to­ri­us. Vie­le Solis­ten …. Kna­ben­chor Han­no­ver, Jörg Brei­ding. Ron­deau Pro­duc­tion SACD ROP7007, 2009.

(geschrie­ben für die neue chor­zeit)

st. petersburg und mainz

Der Zusam­men­prall zwei­er Kul­tu­ren gilt oft als ein Zei­chen von Unheil. Das muss aber nicht unbe­dingt so sein. Gera­de in der Musik haben sich immer wie­der gro­ße Ereig­nis­se aus dem Auf­ein­an­der­tref­fen voll­kom­men unter­schied­li­cher Sti­le und Musi­ker ereig­net. Das advent­li­che Chor­kon­zert im Dom war genau so ein Fall. Im Zen­trum stand zwar der St. Peters­bur­ger Kna­ben­chor. Aber die Main­zer lie­ßen es sich nicht neh­men, den Mäd­chen­chor wenigs­tens ein biss­chen sin­gen zu las­sen. Und das war eine groß­ar­ti­ge Idee. Denn einen gro­ßen Teil sei­ner Wir­kung und Ein­drück­lich­keit zog die­se Advents­mu­sik aus die­ser Kon­fron­ta­ti­on. Hier tra­ten zwei völ­lig ver­schie­de­ne Chor­tra­di­tio­nen ins Blick­feld, zwei ganz gegen­sätz­li­che Klang­kul­tu­ren.
Den Anfang mach­te der Main­zer Mäd­chen­chor. Nicht viel war es, was sie san­gen. Aber es reich­te Kars­ten Storck, um das Niveau und die Qua­li­tät sei­nes Ensem­bles wie­der ein­mal plas­tisch bewusst zu machen. Egal, ob ver­träumt und sanft schwin­gend wie der Satz des Weih­nachts­lie­des „Maria durch ein Dorn­wald ging“ oder federnd zupa­ckend wie bei der aus­ge­wähl­ten Magni­fi­cat-Ver­to­nung: Immer bewie­sen sie vol­le Prä­senz, vor­bild­li­che Klar­heit und Ein­heit des Klang­kör­pers, der alle Struk­tu­ren klar erken­nen ließ.
Und dann der Wech­sel zu den rus­si­schen Jun­gen. Das war nicht nur ein ande­res Geschlecht, das war eine ganz ande­re Idee des Chor­klangs. Denn Trans­pa­renz und kom­po­si­to­ri­sche Struk­tu­ren waren jetzt über­haupt nicht mehr wich­tig. Jetzt ging es vor allem dar­um, den Raum mit Klang aus­zu­fül­len – ein Vor­ha­ben, das im Main­zer Dom zu sehr anre­gen­den Ergeb­nis­sen führ­te.
Alles war immer im Fluss, jeder Über­gang wur­de von Wla­di­mir Ptschol­kin so sorg­sam abge­fe­dert, dass er nahe­zu uner­kenn­bar wur­de. Es war eine schein­bar nie ver­sie­gen­de Fül­le wei­cher Klang­bil­der, die sie aus den Wer­ken vor­wie­gend rus­si­scher Kom­po­nis­ten her­aus­hol­ten. Und es war immer wie­der ver­blüf­fend, wie naht­los sie sich in den Raum schmieg­ten, wie die gar nicht so vie­len Kin­der und Jugend­li­che die Ener­gien flie­ßen lie­ßen. Einen Sie­ger gab es in die­sem Kon­zert natür­lich nicht, nur zwei völ­lig unter­schied­li­che klang­li­che Ergeb­nis­se. Aber schön waren bei­de.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zei­tung)

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