Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: hubert fichte

Aus-Lese #48

Tho­mas Brussig: Was­ser­far­ben. Ber­lin: Auf­bau Digi­tal 2016. 183 Sei­ten. ISBN 978−3−8412−1084−5.

brussig, wasserfarben (cover)Was­ser­far­ben ist der ers­te Roman von Brussig, 1991 unter einem Pseud­onym erschie­nen und jetzt als E‑Book ver­öf­fent­licht, des­halb ist er sozu­sa­gen bei mir gelan­det. Es wird erzählt von einem Abitu­ri­ent in Ost-Ber­lin am Über­gangs­punkt zwi­schen noch Schu­le und bald Leben. Es soll also ganz offen­sicht­lich ein coming-of-age-Roman sein. Das ist es aber nicht so recht – weil der „Held“ sich wenig bis gar nicht ent­wi­ckelt und erst am Ende von sei­nem älte­ren Bru­der erklärt bekommt, wie man erwach­sen wird … Der Text ist viel­leicht typisch Brussig: gewollt rot­zig und trot­zig. Und die­ses bemüh­te Wol­len merkt man dem Text lei­der immer wie­der an – nicht an allen Stel­len, aber doch häu­fig. Genau wie er bemüht „frech“ sein will ist er auch etwas bemüht wit­zig. Vor allem aber fehlt mir die eigent­li­che Moti­va­ti­on des Erzäh­lers, war­um er so ist, wie er ist. Das wird ein­fach nicht klar.

Was­ser­far­ben ist dabei sowie­so von einem eher lah­men Witz und hin­ken­dem Esprit gekenn­zeich­net. Das passt inso­fern, als auch die beschrie­be­ne DDR-Jugend in den 80ern so halb auf­säs­sig ist: nicht ganz ange­passt, aber auch kein Hang zur Total­ver­wei­ge­rung oder wenigs­tens „ordent­li­cher“ Oppo­si­ti­on. Das, der Held und sei­ne Freun­de und Bekann­te, denen er im Lauf der Erzäh­lung begeg­net, zei­gen dafür sehr schön den Druck, den das Sys­tem auf­bau­en und aus­üben konn­te, vor allem in der Schu­le, aber auch im Pri­vat­le­ben, wo Arnold, der Prot­ago­nist und Erzäh­ler (der den Leser schön brav siezt und auch sonst so sei­ne extrem ange­pass­ten Momen­te hat), durch­aus aneckt – vor allem wohl aus einem unspe­zi­fi­schen Frei­heits­drang, weni­ger aus grund­sätz­li­cher Oppo­si­ti­on. Das Buch hat durch­aus eini­ge net­te Momen­te, die auch mal zum Schmun­zeln anre­gen kön­nen, erschien mir auf die Dau­er aber etwas fad – so wie die Jugend und die DDR selbst viel­leicht. Nicht umsonst beschrei­ben die sich als „was­ser­far­ben“ im Sin­ne von: die­se Jugend hat die Far­be von Was­ser, ist also ziem­lich blass, durch­schei­nend, aber auch viel­fäl­tig.

Alke Stach­ler: Dün­ner Ort. Mit foto­gra­fi­schen Illus­tra­tio­nen von Sarah Oswald. Salz­burg: edi­ti­on mosa­ik 2016 (edi­ti­on mosa­ik 1.2). 64 Sei­ten. ISBN 9783200044548.

Mei­nen Ein­druck die­ses fei­nen Büch­leins, dass es mir nach anfäng­li­cher Distanz doch ziem­lich ange­tan hat, habe ich an einem ande­ren Ort auf­ge­schrie­ben: klick.

John Corbett/​span>: A Listener’s Gui­de to Free Impro­vi­sa­ti­on. Chi­ca­go, Lon­don: The Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go Press 2016. 172 Sei­ten. ISBN 978−0−226−35380−7.

Die­se gelun­ge­ne Ein­füh­rung in die frei impro­vi­sier­te Musik für inter­es­sier­te Hörer und Höre­rin­nen habe ich auch schon in einem Extra-Bei­trag gelobt: klick.

Nora Gom­rin­ger: ach du je. Luzern: Der gesun­de Men­schen­ver­sand 2015 (edi­ti­on spo­ken script/​Sprechtexte 16).153 Sei­ten. ISBN 9783038530138.

gomringer, ach du je (cover)Die­ser Band ver­sam­melt Sprech­tex­te Gom­rin­gers. Die zie­len auf die Stim­me und ihre kör­per­li­che Mate­ria­li­tät, sie set­zen sie vor­aus, sie machen sie zu einem Teil des Tex­tes selbst – oder, wie es im Nach­wort heißt: „Die Nie­der­schrift ist für sie ein Behelf, um das lyri­sche schlecht­hin zur Erfül­lung zu brin­gen.“ (144). Das ist gewis­ser­ma­ßen Vor­teil und Pro­blem zugleich. Dass man den Tex­ten ihre Stim­me sozu­sa­gen immer anmerkt, ist kon­se­quent. Und sie pas­sen damit natür­lich sehr gut in die „edi­ti­on spo­ken script“. Ich – und das ist eben eine rein sub­jek­ti­ve Posi­ti­on – mag das aller­dings oft nicht so ger­ne, zu sprechende/​gesprochene Tex­te lesen – da fehlt ein­fach wesent­li­che Dimen­si­on beim „blo­ßen“ Lesen. Und was übrig bleibt, funk­tio­niert nicht immer, nicht unbe­dingt so rich­tig gut. Das soll aber auch gar kei­ne Rüge sein und kei­nen Man­gel anzei­gen: Sprech­tex­te, die als sol­che kon­zi­piert und geschrie­ben wur­den, sind eben mit bzw. in der Stim­me gedacht. Ist ja logisch. Wenn die nun im gedruck­ten Text weg­fällt, fehlt eine Dimen­si­on des Tex­tes, die sich ima­gi­na­tiv für mich nicht immer rei­bungs-/naht­los erset­zen lässt. Ich den­ke durch­aus, dass min­des­te ein Teil der Tex­te gut sind. Gefal­len hat mir zum Bei­spiel das wie­der­hol­te Aus­pro­bie­ren und Beden­ken, was Spra­che ver­mag und in wel­cher Form: was sich also (wie) sagen lässt. Ande­res dage­gen schien mir doch recht banal. Und manch­mal auch etwas laut und etwas „in your face“, eine Spur zu auf­dring­lich und über-direkt. Ins­ge­samt hin­ter­lässt der Band damit bei mir einen sehr diver­gen­ten, unein­heit­li­chen Ein­druck.

Modern

Einen Baum pflan­zen
Auf ihm ein Haus bau­en
Da rein ein Kind set­zen
Das Kind zwei­spra­chig
Anschrei­en (116)

Urs Leimgruber/​Jacques Demierre/​Barre Phil­lips: Lis­tening. Car­net de Rou­te – LDP 2015. Nan­tes: Len­ka Len­te 2016. 269 Sei­ten. ISBN 9791094601051.

Lis­tening ist das Tour­ta­ge­buch des Impro­vi­sa­ti­ons­tri­os LDP, also des Saxo­pho­nis­ten Urs Leim­gru­ber, des Pia­nis­ten Jac­ques Demierre und des Bas­sis­ten Bar­re Phil­lips. Ursprüng­lich haben die drei das als Blog geschrie­ben und auch ver­öf­fent­licht. Drei Musi­ker also, die in drei Spra­chen schrei­ben – was dazu führt, dass ich es nicht ganz gele­sen habe, mein Fran­zö­sisch ist doch etwas arg ein­ge­ros­tet. Das geht mal ein paar Sät­ze, so man­ches habe ich dann aber doch über­sprun­gen. Und die ganz unter­schied­li­che Sicht­wei­sen und Sti­le beim Erzäh­len des Tou­rens haben. Da geht es natür­lich auch um den Tourall­tag, das Rei­sen spielt eine gro­ße Rol­le. Wich­ti­ger aber noch sind die Ver­an­stal­ter, die Orga­ni­sa­ti­on und vor allem die Orte und Räu­me, in den sich die Musik des Tri­os ent­wi­ckeln kann. Und immer wie­der wird die Mühe des Gan­zen deut­lich: Stun­den- bis tage­lang fah­ren, unter­wegs sein für ein bis zwei Stun­den Musik. Und doch ist es das wert, sowohl den Pro­du­zen­ten als auch den Rezi­pi­en­ten der frei­en Musik.

The per­forming musician’s han­di­cap is that each con­cert is the last one ever. It’s never going to get any bet­ter than it is today. The con­cert is ‚do or die‘ time. This moment is your truth and the groups truth. (65)

Die Räu­me, Publi­ka und auch die bespiel­ten Instru­men­te wer­den immer wie­der beschrie­ben und bewer­ten. Demierre führt zum Bei­spiel genau Buch, wel­che Kla­vie­re und Flü­gel er bespielt, bis hin zur Seri­en­num­mer der Instru­men­te. Und da ist vom Stein­way-Kon­zert­flü­gel der D‑Reihe bis zum abge­wrack­ten „upright“ alles dabei … Leim­gru­ber inter­es­siert sich mehr für die Städ­te und Orga­ni­sa­ti­ons­zu­sam­men­hän­ge, in denen die Kon­zer­te statt­fin­den. Und natür­lich immer wie­der die Musik: Wie sie ent­steht und was dabei her­aus­kommt, wenn man in ver­trau­ter Beset­zung Tag für Tag woan­ders neu und immer wie­der frei impro­vi­siert. Und wie die Reak­tio­nen sind. Da fin­den sich, im Text des Tour­ta­ge­buch ver­teilt, immer wie­der inter­es­san­te Refle­xio­nen des Impro­vi­sie­rens und Selbst­po­si­tio­nie­run­gen, die ja bei sol­cher, in gewis­ser Wei­se mar­gi­na­ler, Musik immer auch Selbst­ver­ge­wis­se­run­gen sind. Nur geübt wird eigent­lich über­haupt nicht (außer Bar­re Phil­lips, der sich nach mona­te­lan­ger Abs­ti­nenz aus Krank­heits­grün­den wie­der neu mit sei­nem Bass ver­traut machen muss). Und im Trio gibt’s immer­hin kur­ze Sound­checks, die aber wohl vor allem der Erpro­bung und Anpas­sung an die jewei­li­ge Raum­akus­tik die­nen. Und nicht zuletzt bie­tet der Band noch vie­le schö­ne Fotos von Jac­ques Demierre.

Kon­zen­trier­tes Hören, Ver­ant­wor­tung, mate­ri­el­le Vor­aus­set­zun­gen und spon­ta­ne Ein­ga­ben bil­den die Basis der Musik. Wir agie­ren, inten­si­vie­ren, dekon­stru­ie­ren, eli­mi­nie­ren, addie­ren und mul­ti­pli­zie­ren… Wir prak­ti­zie­ren Musik in Echt­zeit, sie ent­steht, indem sie ent­steht. Ges­ten und Spiel­wei­sen ver­mi­schen sich und lösen sich ab. Wir hal­ten nichts fest. Das Aus­ge­las­se­ne zählt genau­so wie das Ein­ge­füg­te. Jedes Kon­zert ist auf sei­ne Art ein Ori­gi­nal. Jede Situa­ti­on ist anders. Der akus­ti­sche Raum, das Publi­kum, die gesam­te Stim­mung im Hier und Jetzt. (134f.)

Hubert Fich­te: Ich bei­ße Dich zum Abschied ganz zart. Brie­fe an Leo­no­re Mau. Hrsg. von Peter Braun. Frank­furt am Main: S. Fischer 2016. 256 Sei­ten. ISBN 978−3−10−002515−9.

fichte, briefe (umschlag)Zusam­men­ge­rech­net sind es knapp 60 Sei­ten Brie­fe, für die man 26 Euro bezahlt. Und vie­le der Brie­fe Hubert Fich­tes an sei­ne Lebens­ge­fähr­tin Leo­no­re Mau sind (sehr) knap­pe, kur­ze Mit­tei­lun­gen, die oft in ers­ter Linie die Bana­li­tä­ten des (Zusammen-)Lebens zum Inhalt haben.

Ich will: kei­ner­lei fami­liä­re Bin­dun­gen. Ich will frei leben – als Sohn Pans – wenn Du willst und ich will schrei­ben. (28)

Die Brie­fe zeich­nen nicht unbe­dingt ein neu­es Fich­te-Bild – aber als Fan muss man das natür­lich lesen. Auch wenn ich mit schlech­tem Gewis­sen lese, weil es dem Autor­wil­len aus­drück­lich wider­spricht, denn der woll­te die­se Doku­men­te ver­nich­tet haben (was Leo­no­re Mau in Bezug auf sei­nen sons­ti­gen schrift­li­chen Nach­lass auch weit­ge­hend befolg­te, bei den Brie­fen (zumin­dest die­sen) aber unter­ließ, so dass sie nach ihrem Tod jetzt sozu­sa­gen gegen bei­der wil­len doch öffent­lich wer­den kön­nen und das Pri­va­te der bei­den Künst­ler­per­so­nen also der Öffent­lich­keit ein­ver­leibt wer­den kann …) Vor allem bin ich mir nicht sicher, ob sich – wie Her­aus­ge­ber Peter Braun im Nach­wort breit aus­führt – dar­aus wirk­lich ein „Reli­ef“ im Zusam­men­spiel mit den Wer­ken bil­det. Und wie immer bin ich mir ziem­lich unsi­cher, ob das den Wer­ken (es geht ja vor allem um die unfer­ti­ge „Geschich­te der Emp­find­lich­keit“) wirk­lich gut tut (bzw. der Lek­tü­re), wenn man sie mit den Brie­fen – und damit mit ihrem Autor – so eng ver­schränkt. Und ob es in irgend einer Wei­se not­wen­dig ist, scheint mir auch zwei­fel­haft. Ja, man erkennt die auto­bio­gra­phi­sche Grun­die­rung man­cher Jäcki-Züge und auch der Irma-Figur nach der Lek­tü­re der Brie­fe noch ein­mal. Aber ver­lei­tet das Brie­fe-Lesen dann nicht doch dazu, aus Jäcki Hubert und aus Irm Leo­no­re zu machen und damit wie­der am Text der Wer­ke vor­bei zu lesen? Ande­rer­seits: ein wirk­lich neu­es Bild, eine unent­deck­te Les­art der Glos­sen oder der Alten Welt scheint sich dann selbst für Braun doch nicht zu erge­ben.

Ich will Frei­heit, Frei­heit – und dazu bedarfs Wit­zes und Lachens. (42)

Selbst Wil­li Wink­ler, durch­aus enthu­si­as­ti­scher Fich­teaner, befin­det in der Süd­deut­schen Zei­tung: „Die­se Brie­fe, ein­mal muss es doch her­aus, sind näm­lich von sen­sa­tio­nel­ler Belang­lo­sig­keit“ und schießt dann noch recht böse gegen die tat­säch­lich manch­mal auf­fal­len­den Bana­li­tä­ten des Kom­men­tars (mein Lieb­lings­kom­men­tar: „Darm­ge­räu­sche: Darm­ge­räu­sche sind ein Aus­druck der Peris­tal­tik von Magen und Darm und inso­fern Anzei­chen für deren nor­ma­le oder gestör­te Tätig­keit.“ (167)) und das etwas hoch­tra­ben­de Nach­wort von Her­aus­ge­ber Braun. Über­haupt macht das Drum­her­um, das ja eine gan­ze Men­ge Raum ein­nimmt, eher wenig Spaß. Das liegt auch an der eher unschö­nen, lieb­lo­se Gestal­tung. Und den – wie man es bei Fich­te und Fischer ja lei­der gewöhnt ist – vagen, unge­nau­en Edi­ti­ons­richt­li­ni­en. Der Titel müss­te eigent­lich auch anders hei­ßen, das Zitat geht näm­lich noch ein Wort wei­ter und heißt dann: „Ich bei­ße dich zum Abschied ganz zart /​wohin.“ So steht es zumin­dest im ent­spre­chen­den Brief, war dem Ver­lag aber wohl zu hei­kel. Und das ist dann doch scha­de …

Aber für uns ist ja nur das Unvor­sich­ti­ge das rich­ti­ge. (141)

außer­dem gele­sen:

  • T. E. Law­rence: Wüs­ten-Gue­ril­la. Über­setzt von Flo­ri­an Trem­ba. Her­aus­ge­ge­ben von Rei­ner Nie­hoff. Ber­lin: blau­wer­ke 2015 (= split­ter 05/​06). 98 Sei­ten. ISBN 9783945002056.
  • Björn Kuhl­igk: Ich habe den Tag zer­schnit­ten. Riga: hoch­roth 2013. 26 Sei­ten. ISBN 97839934838309.
  • Chris­ti­an Mei­er­ho­fer: Georg Phil­ipp Hars­dörf­fer. Han­no­ver: Wehr­hahn 2014 (Meteo­re 15). 134 Sei­ten. ISBN 978−3−86525−418−4.
  • Edit #66
  • Müt­ze #12 & #13 (mit inter­es­san­ten Gedich­ten von Kurt Aeb­li und Rai­ner René Muel­ler)

Erziehungsanstalt des Ausdrucks

Die Ortho­gra­phie ist die Erzie­hungs­an­stalt des frei­en schrift­li­chen Aus­drucks. Es soll Kor­rek­to­ren geben, die über der Ortho­gra­phie das Lesen ver­lernt haben. Wenn es sie nicht gäbe, wür­de jeder in jedem geschrie­be­nen Satz die Ent­wick­lung sei­ner Spra­che und die Struk­tu­ren sei­ner Intel­li­genz doku­men­tie­ren – wie Fried­rich II., wie Qui­ri­nus Kuhl­mann, wie noch Goe­the und Schil­ler gele­gent­lich.

— Hubert Fich­te, im Gespräch mit Die­ter E. Zim­mer
(zitiert nach Tho­mas Becker­mann (Hrsg.): Hubert Fich­te. Mate­ria­li­en zu Leben und Werk. Frank­furt am Main: Fischer 1985, S. 91)

Taglied 26.1.2012

nach dem Sound­scape von ges­tern heu­te noch ein­mal das gleich The­ma: Der „Platz der Gehenk­ten“, die Dje­maa el Fna, (übri­gens ein Unesco-Welt­kul­tur­er­be) in Mar­ra­kesch, im gro­ßen und groß­ar­ti­gen Hör­spiel von Hubert Fich­te:

[wpau­dio url=„https://dl-web.dropbox.com/get/Public/22%20_1_22%20Djemna‑1.mp3?w=b6c6bb5b“ text=„Hubert Fich­te, Djem­ma el-Fna (Platz der Gehenk­ten), Teil 1“ dl=„0“]

ein kleiner nachtrag zum hubert-fichte-jubiläum

„Es erge­ben sich Über­schnei­dun­gen“ heißt es am Anfang der Palet­te. Und das ist, das klit­ze­klei­ne Hubert-Fich­te-Jahr zum 20. Todes­tag macht es deut­lich, noch sehr unter­trie­ben. Im Zen­trum steht natür­lich das etwas über­ra­schen­de Erschei­nen des Ban­des Die zwei­te Schuld von Fich­te selbst. Fischer, inzwi­schen Fich­tes Haus­ver­lag, hat sich ent­schlos­sen, die Geschich­te der Emp­find­lich­keit, die­ses viel­köpf­ri­ge Mons­ter, mit dem Fich­te sein schrift­stel­le­ri­sches Werk krö­nen woll­te, damit vor­zei­tig zum Abschluss zu brin­gen. Das bringt aller­dings wenig Über­ra­schun­gen, wenig prin­zi­pi­ell Uner­war­te­tes. Auch die span­nen­de Fra­ge, war­um Fich­te die­ses Buch mit einem Sperr­ver­merk ver­se­hen hat­te, hängt plötz­lich ganz und gar in der Luft: So spek­ta­ku­lär ist das alles gar nicht. Über den Zeit­punkt der Ver­öf­fent­li­chung kann man übri­gens treff­lich strei­ten. Und das ist schon typisch für alles, was mit der Geschich­te der Emp­find­lich­keit zu tun hat: Defi­ni­ti­ve Klar­hei­ten gibt es hier im Moment fast gar kei­ne, zu oft hat Fich­te hier selbst noch geschwankt. Auch sei­ne Anga­ben zur Dau­er der Sperr­frist vari­ie­ren, man hät­te das Buch auch guten Gewis­sens und mit guten Argu­men­ten erst in 10 Jah­ren her­aus­brin­gen kön­nen. Davon abge­se­hen, ist Die zwei­te Schuld eigent­lich ein unmög­li­ches Buch. Und das mehr­fach: Es ist ein­fach nicht fer­tig – und nir­gends­wo in der Geschich­te der Emp­find­lich­keit fällt das so sehr auf wie hier -, es ist aber auch eine dop­pel­te Zumu­tung an den Leser: Von Fich­te selbst und sei­tens der Her­aus­ge­ber.

Das The­ma ist der deut­sche Lite­ra­tur­be­trieb – mit einem leicht eth­no­lo­gisch gefärb­ten Blick und der ewi­gen Suche suche nach den wah­ren Moti­ven des Han­delns ent­wi­ckelt Fich­te die Sze­ne­rie des Lite­ra­ri­schen Col­lo­qi­ums in Ber­lin mit sei­nen Teil­neh­mer, den Dozen­ten und Fich­te selbst. Das Buch trägt außer­dem den Unter­ti­tel „Abbit­te an Joa­chim Neu­grö­schel“. Und damit ist offen­bar das stärks­te Motiv für die­se Arbeit genannt. Denn Fich­te geht es gar nicht so sehr um das LCB selbst, son­dern viel mehr um die sich dort mani­fes­tie­ren­den Macht­struk­tu­ren und kreuz und quer ver­lau­fen­den Anti- und Sym­pa­thien. Erar­bei­tet und geschrie­ben ist das ganz offen­sicht­lich aus einem Unbe­ha­gen, als Teil­neh­mer in die­seSi­tua­ti­on selbst ver­wi­ckelt gewe­sen zu sein, die anläss­lich einer Kri­tik eines Tex­tes von Neu­grö­schel durch Grass, die Fich­te beden­ken­los fort­setz­te, in einem sym­bo­li­schen Juden- und/​oder Schwu­len­mord gip­felt. Dafür hat Fich­te eini­ge der dama­li­gen Teil­neh­mer inter­viewt. Und das sind natür­lich wie­der typi­sche Fich­te-Inter­views, mit ihrer beson­de­ren Inten­si­tät und dem zwar genau geführ­ten und gesteu­ert, aber sich stets kol­lo­quial geben­den Dia­log-Ablauf. Gespro­chen hat er mit Neu­grö­schel selbst, mit Elfrie­de Gers­tel, Her­mann Peter Piwitt und Wal­ter Höl­le­rer. Dazu kom­men immer wie­der kur­ze Skiz­zen, klei­ne Situa­ti­ons­be­schrei­bun­gen aus Ber­lin und der Grup­pe 47. Und am Ende noch eine frü­he Fich­te-Erzäh­lung, „Im Tief­stall“.

Ver­zwei­feln kann man an die­sem Buch, d.h. an sei­ner äuße­ren Gestalt. Denn so lobens­wert es ja von den Leu­ten bei Fischer ist, das noch zu ver­öf­fent­li­chen – hät­te man das nicht gleich rich­tig machen kön­nen? Wie die gesam­te Geschich­te der Emp­find­lich­keit ist das auch ein furcht­ba­rer misch­masch und nicht nur völ­lig inkon­se­quent, son­dern auch unprak­tisch und dadurch fast unles­bar. Z.B. das Höl­le­rer-Inter­view, oder bes­ser gesagt die kärg­li­chen Res­te, die Fich­te noch selbst tran­skri­biert hat­te. Im Manu­skript sind die Gesprächs­fet­zen noch mit den Initia­len ver­se­hen – weil zwi­schen­durch vie­le Dia­log­tei­le feh­len, ist das ja nicht gera­de ganz ver­kehrt. Jetzt ste­hen da nur noch Spie­gel­stri­che. Und spä­tes­tens nach ein paar sei­ten muss man raten, wer gera­de spricht – sehr müh­sam ist so etwas… Denn damit ist der zen­tra­le Teil des geplan­ten Ban­des eigent­lich über­haupt nicht les­bar, ganz zu schwei­gen davon, dass noch zwei wich­ti­ge Inter­views ganz und gar feh­len, die hat Fich­te noch nicht ein­mal geführt: Mit Oswald Wie­ner und HC Art­mann.

Schon des­halb wäre der Unter­ti­tel, den Fich­te notiert hat, eigent­lich gar nicht so schlecht gewe­sen: Frag­men­te. Nun heißt der Band aber „Glos­sen“, eine der frag­wür­di­ge­re­ren Her­aus­ge­ber-Ent­schei­dun­gen. Die zwei­te Schuld ist wahr­schein­lich vor allem der Band der Geschich­te der Emp­find­lich­keit, der die Schwie­rig­kei­ten – und lei­der eben auch die Unzu­läng­lich­kei­ten – die­ser pos­tu­men Edi­ti­on am stärks­ten her­vor­te­ten lässt. Nur als zwei Bei­spie­le noch: Das unfer­ti­ge Höl­le­rer-Inter­view dru­cken die Her­aus­ge­ber mit den Coun­ter­num­mer ab, denn: „Die Lizenz Fich­tes, eine unor­tho­do­xe Gram­ma­tik und Syn­tax unge­fil­tert zu belas­sen und dafür eine ent­spre­chen­de infor­mel­le Inter­punk­ti­on ein­zu­set­zen, machen die­se zum Instru­ment, das prä­zi­se das Aus­ge­sagt über­mit­telt“ – was immer das hei­ßen soll. Oder die abschlie­ßen­de Erzäh­lung „Im Tief­stall“. Die wird gedruckt nach einer Ver­öf­fent­li­chung von 1965, nicht nach der Form, in der sie Hubert Fich­te maschi­nen­ge­schrie­ben in das Manu­skript ein­ge­fügt hat­te – ohne das irgend­wie zu begrün­den.

Ähn­lich unbe­frie­di­gend sind auch ande­re Novi­tä­ten, z.B. die Edi­ti­on der Hör­wer­ke bei Zwei­tau­send­eins. Immer­hin ist sie jetzt über­haupt mal erschie­nen, nach lan­gen, lan­gen Ver­zö­ge­run­gen. Aber auch hier wie­der ist die Art der Ver­öf­fent­li­chung zumin­dest ernüch­ternd, wenn nicht ver­är­gernd. Davon, dass die Kom­pri­mie­rung auf 2 mp3-CDs weder der klang­qua­li­tät noch dem Hand­ling irgend­wie ent­ge­gen­kommt (so teu­er sind doch CD-Pres­sun­gen gar nicht mehr?), die Aus­wahl bleibt, um es mil­de aus­zu­drü­cken, unbe­frie­di­gend. Fast alles wich­ti­ges fehlt: die vie­len Hör­spie­le – zu nen­nen wäre ja nur Ich wür­de ein oder Lohen­steins Ibra­him Bassa schlum­mern wei­ter­hin in den Rund­funk­ar­chi­ven – mit Aus­nah­me von Gott ist ein Mathe­ma­ti­ker, das ja schon vor eini­ger Zeit bei sup­po­sée wie­der zugäng­lich gemacht wur­de. Dort gibt es ja auch schon die wirk­lich her­aus­ra­gen­de Fich­te-Lesung im Ham­bur­ger Star­club, sei­ne Palais‑d’amour-Interviews und sei­ne Gesprä­che mit Lil Picard. Das alles hat Zwei­tau­send­eins natür­lich nicht. Dafür eine Men­ge Rund­funk­le­sun­gen, deren Aus­sa­ge­kraft sich in sehr engen Gren­zen bewegt. Denn die sind zwar alle­samt nicht schlecht, aber doch auch ziem­lich belang­los. Denn Fich­te liest in der ste­ri­len Atmo­sphä­re des Stu­di­os gewöhn­lich auch ent­spre­chend nüch­tern. Höhe­punk­te sind aber auch zu ver­zeich­nen. Das Fea­ture Djem­ma el Fna, das fast schon ein Hör­spiel ist (und damit ganz typisch für Fich­tes ganz eige­nen umgang mit dem Medi­um Radio). Auch das kur­ze Hör­spiel Romy und Juli­us von 1973, eine rol­len­ver­tau­sche Ver­si­on von Romeo und Julia, gehört ohne Zwei­fel zu den bes­se­ren arbei­ten Fich­tes. Und immer­hin ist auch San Pedro Cla­ver dabei, das Fich­te selbst zu sei­nen zen­tra­len Wer­ken gezählt hat und das sich die letz­ten Lebens­ta­ge des spa­ni­schen Jesui­ten und Mis­sio­nars in einem echt radio­pho­nen, 14stimmigen ima­gi­nä­ren Raum vor­stellt – eine para­do­xe Figur, gefan­gen zwi­schen ihrer Lie­be zu den Skla­ven und der Ange­hö­rig­keit zu einer ver­skla­ven­den Macht, der katho­li­schen Kir­che, vor­ge­stellt in einer Art sze­ni­scher Ritus, den Fich­te fas­zi­nie­rend sicher und wirk­mäch­tig beherrsch­te.

Es hat sich aber noch mehr getan. Schon im letz­ten jahr, 2005, war in den Ham­bur­ger Deich­tor­hal­len die „Lebens­rei­se“ von Hubert Fich­te und Leo­no­re Mau zu sehen. Das Kata­log­buch dazu schrieb Wil­fried F. Schmoel­ler – als eine Art vor­läu­fi­ge Bio­gra­phie Fich­tes. Er scheut nicht vor sei­nen Urtei­len zurück, weiß auch viel und hat eini­ges Licht in die Rei­sen Fich­tes gebracht. Nur zu Leo­no­re Mau und ihren Foto­gra­phien fällt ihm erstaun­lich wenig ein, näm­lich fast gar nichts. Dafür gibt es – bei einem als Aus­stel­lungs­ka­ta­log kon­zi­pier­ten Buch natür­lich kaum anders zu erwar­ten – eine gro­ße Aus­wahl von ihr und ande­ren Foto­gra­phen (etwa Chris­ti­an von Alvens­le­ben, der Fich­te für sein wun­der­schön kit­schi­ges Port­fo­lio 1960 einen Tag bei der Land­wirt­schafts­ar­beit in der Pro­vence beob­ach­te­te). Das hät­te ein schö­nes und ein gutes Buch wer­den kön­nen, das auch ohne die Aus­stel­lung hilf­reich und wohl­tu­end ist. Denn Schoel­ler schreckt nie vor deut­li­chen Wor­ten und eige­nen Wer­tun­gen zurück. Aber es ist doch nur eine Mogel­pa­ckung, ein Eti­ket­ten­schwin­del: Leo­no­re Mau ist eben wie­der ein­mal nur die foto­gra­fie­ren­de Dich­ter­gat­tin, die zur Illus­tra­ti­on ein paar Bil­der bei­steu­ern darf, sonst aber nach Mög­lich­keit über­haupt nicht vor­kommt. Es bleibt also doch wie­der nur Fich­tes „Lebens­rei­se“, die für Schoel­ler eher ein „Lebens­la­by­rinth“ ist (aber wer kann das nicht von sich behaup­ten?) Sei­nem „Rei­se­fahr­plan“ folgt Schoel­ler, mit aus­wer­tung der ver­streu­ten Daten, auch der Rei­se­päs­se, und stellt pflicht­ge­mäß auch die dabei ent­stan­den Bücher vor, was bei der Geschich­te der Emp­find­lich­keit zu recht kurio­sen Ein­schät­zun­gen und Ver­knap­pun­gen führt. Es hat fast den Anschein, als sei das als Vor­ar­beit, Para­li­po­me­na einer Bio­gra­phie zu ver­ste­hen – die Fra­ge ist dann nur noch, wer wagt sich als ers­tes, sei­ne Arbeit wirk­lich so zu nen­nen. Denn geschrie­ben wird sie, mehr oder weni­ger aus­führ­lich und direkt, von nahe­zu allen, die über Fich­te ver­öf­fent­li­chen. Es wäre wohl auch das nächs­te, das fol­ge­rich­ti­ge Pro­jekt – neben einer „rich­ti­gen“ Werk­aus­ga­be. Aber gera­de die wird wohl, vor allem was die Geschich­te der Emp­find­lich­keit betrifft, noch eine Wei­le Desi­de­rat blei­ben.

Auch Peter Braun hat sich auf eine Rei­se bege­ben, Eine Rei­se durch das Werk von Hubert Fich­te. Das ist ein Ver­such, eine „spe­zi­fi­sche Poe­tik der Orte“ zu beob­ach­ten oder zu kon­sti­tu­ie­ren. Aber genau in die­sem Punkt bleibt die Arbeit von Braun fra­gil, schwam­mig, und unbe­stimmt: Wor­in sich denn die Orte nun genau unter­schei­den, was das „orts­ge­bun­de­ne Erzäh­len“ (43) denn nun wirk­lich aus­macht – wird kaum deut­lich. Klar, bestimm­te Din­ge passier(t)en nun ein­mal an bestimm­ten Orten. Aber ist Fich­tes Zugriff auf die Djem­ma el Fna wirk­lich kate­go­ri­al anders als der auf, sagen wir, den Gän­se­markt? Oder die Palet­te? Braun geht übri­gens noch ein Schritt­chen wei­ter als Schoel­ler und sieht den gan­zen lite­ra­ri­sche out­put gleich als „Lebens­schrei­bung“ – damit ist er dann end­gül­tig leg­timiert, das Leben und das Werk des Autors belie­big durch­ein­an­der zu wer­fen. Ent­spre­chend umstand­los springt Braun dann auch hin und her. Über­haupt ist er ein ganz gro­ßer Inte­gra­tor. Alles wird zu einem gro­ßen Buch, Leben und Werk, Roman und Inter­view, Hör­spiel und Fea­ture wird zu einem ein­zi­gen, gigan­ti­schen Werk zusam­men­ge­mixt – natür­lich hat er dabei ein klei­nes biss­chen Recht, die inter­tex­tu­el­len Bezü­ge sind ja schon bei der ers­ten Lek­tü­re über­haupt nicht zu über­se­hen. Aber er ver­liert dabei doch lei­der immer wie­der die jeweils eige­nen Qua­li­tä­ten der Tex­te aus den Augen. Zeit­li­che Struk­tu­ren der Erzäh­lun­gen Fich­tes kann Peter Braun etwa nur unzu­rei­chend, nur sehr neben­bei, über­haupt ein­mal wür­di­gen. Wenn man das so hin­ter­ein­an­der weg liest, drängt sich fast ein etwas unlieb­sa­mer Ein­druck auf: Irgend­wie bleibt ein scha­les Gefühl. Denn neu ist das nicht. Das führt bekann­te Moti­ve, Ideen, Ana­ly­sen wei­ter, aber ohne dabei wirk­lich neue Per­spek­ti­ven auf Fich­tes Wer­ke zu eröff­nen: Ein beson­de­rer Erkennt­nis­ge­winn ist hier nicht zu beob­ach­ten. Das trifft im grun­de vor allem Peter Brauns Buch – von einem Aus­stel­lungs­ka­ta­log muss man nicht unbe­dingt eigen­stän­di­ge For­schung erwar­ten. Aber auch Braun hat das bedacht und will die „Rei­se“ als Ein­füh­rung ver­stan­den sehen: „vor­ran­gi­ges Ziel […] ist es, die Schwel­le vor der eige­nen Lek­tü­re zu sen­ken.“ (16) Aber dann stellt sich natür­lich die Fra­ge: für wen bloß? Und es macht dann doch den Ein­druck, als sol­le es den geplag­ten Stu­den­ten von der Last befrei­en, Fich­te über­haupt zu lesen – die exten­si­ve, sei­ten­lan­ge Zitie­re­rei trägt da nicht unwe­sent­lich zu bei.

Wer lesen kann und das womög­lich gar selbst tut, ist dage­gen ein­deu­tig im Vor­teil – das Meis­te von dem, was Braun hier ver­sam­melt, kann, soll und muss man doch recht eigent­lich selbst ent­de­cken – es hat etwas von Vor­ver­dau­ung, wenn er aus­führ­lich und durch­aus in der Sache zutref­fend, aber letzt­lich auch über­flüs­sig für den­ken­de und ver­ste­hen­de Leser, die gan­zen Quer­ver­bin­dun­gen in Fich­tes Pro­sa auf­zu­trö­deln sucht.
Sein Blick­win­kel ist dafür natür­lich sehr stark fokus­siert (um ihn nicht ein­ge­schränkt zu nen­nen) und etwas mono­gam: Er kon­zen­triert sich auf die ein­zel­nen Orte, wo Schoel­ler mehr das Ele­ment der Rei­se, also der Bewe­gung, im Blick­feld hat: die per­ma­nen­te Ver­än­de­rung, Trans­gres­si­on, Trans­for­ma­ti­on, wie auch immer. Und er ent­deckt die­se Pro­zes­se auch in der Pro­sa Fich­tes, v.a. in der eth­no­lo­gi­schen (falls man die mal behelfs­wei­se so benen­nen darf, auch wenn es nicht ganz exakt zutrifft) natür­lich beson­ders deut­lich. Für Schoel­ler zeigt sich Fich­tes Rei­sen dabei letzt­lich nur als (mehr oder min­der) äußer­li­cher Aus­druck einer „Expe­di­ti­on nach Innen“, eines per­ma­nen­ten For­schens in nur schein­bar chao­ti­schen Sprün­gen zwi­schen Ham­burg und Bahia de Sal­va­dor, Schro­ben­hau­sen und São Luíz de Maran­hão.

Allen, die das schon selbst gemerkt haben und sich immer noch näher mit Fich­te beschäf­ti­gen wol­len, sei unbe­dingt emp­foh­len: Micha­el Fischs Biblio­gra­phie, die auch gera­de in einer Neu­fas­sung erschie­nen ist. Selbst so etwas harm­lo­ses wie eine Biblio­gra­phie, die den pas­sen­den Titel Explo­si­on der For­schung führt, geht nicht ohne Tru­bel von­stat­ten, wenn es um Hubert Fich­te geht. Damals, beim Erschei­nen der ers­ten Fas­sung 1996, gab es eini­gen Wir­bel mit der Ham­bur­ger Hubert-Fich­te-Arbeits­tel­le, die auch Anspruch auf die­se Biblio­gra­phie erhob. Aber egal wie: Hilf­reich ist das schon, auch wenn die Glie­de­rung nicht immer bis ins Letz­te über­zeugt. Und doch ist sie eben genau in die­ser Form (auch) ein kla­res Zei­chen für den momen­ta­nen Umgang mit Fich­te: Die Erfor­schung scheint sich in einer Kon­so­li­die­rungs­pha­se, im Über­gang, zu befin­den: Der Autor ent­schwin­det lang­sam aber unauf­halt­sam und muss immer wie­der neu ent­deckt, d.h. ver­stan­den wer­den. Es könn­ten sich also noch ein paar mehr Über­schnei­dun­gen erge­ben.

  • Hubert Fich­te: Die zwei­te Schuld. Glos­sen. (Die Geschich­te der Emp­find­lich­keit). Frankfurt/​Main: S. Fischer 2006.
  • Hubert Fich­te: Hör­wer­ke 1966–86. Hres­aus­ge­gebn von Robert Galitz, Kurt Krei­ler und Mar­tin Wein­mann. Frankfurt/​Main: Zwei­tau­send­eins 2006.
  • Wil­fried F. Schoel­ler: Hubert Fich­te und Leo­no­re Mau. Der Schrift­stel­ler und die Foto­gra­fin. Frankfurt/​Main: S. Fischer 2005.
  • Peter Braun: Eine Rei­se durch das Werk von Hubert Fich­te. Frankfurt/​Main: Fischer Taschen­buch 2005.
  • Micha­el Fisch: Hubert Fich­te – Explo­si­on der For­schung. Biblio­gra­phie zu Leben und Werk von Hubert Fich­te. Unter Berück­sich­ti­gung des Wer­kes von Leo­no­re Mau. Bie­le­feld. Ais­the­sis 2006.

(steht auch in der test­card no. 16)

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