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Schlagwort: horn

Herz, Hand und viel Erfahrung

Anläss­lich der Ein­wei­hung neu­er Her­stel­lungs­räu­me habe ich in der letz­ten Woche für die Main­zer Rhein-Zei­tung dem tra­di­tio­nel­len Main­zer Blas­in­stru­men­te­her­stel­ler Gebrü­der Alex­an­der in den neu­en Räum­lich­kei­ten einen Besuch abge­stat­tet. Das ist dabei her­aus­ge­kom­men:

Vor der Tür leg­ten die Gärt­ner noch letz­te Hand an, im Trep­pen­haus stan­den die­se Woche noch die Anstrei­cher – bis zum letz­ten Moment wird an der neu­en Manu­fak­tur der Gebrü­der Alex­an­der gear­bei­tet. Heu­te ist fest­li­che Ein­wei­hung der neu­en Werk­stät­te. Denn für den Main­zer Her­stel­ler von Blech­blas­in­stru­men­ten ist das mehr als ein blo­ßer Umzug: Über hun­dert Jah­re wur­den die welt­be­rühm­ten Hör­ner, Tuben und Trom­pe­ten nun in den alten Räu­men in der Bahn­hofs­stra­ße her­ge­stellt. Jetzt ist die Manu­fak­tur in die ehe­ma­li­gen Werk­stät­ten für Behin­der­te in der Hechts­hei­mer Robert-Koch-Stra­ße umge­sie­delt.

Manu­fak­tur – der alt­mo­di­sche Begriff trifft hier aus­nahms­wei­se wirk­lich. Denn das aller­meis­te geschieht tat­säch­lich in Hand­ar­beit, ganz tra­di­tio­nell, fast wie vor hun­dert Jah­ren. Nur eben inzwi­schen an modern aus­ge­stat­te­ten, ergo­no­misch opti­mier­ten Arbeits­plät­zen. Und mit Absaug­an­la­gen, Luft­rei­ni­gung, Norm­licht – wie sich das für einen moder­nen Betrieb gehört. Die Her­stel­lung in den neu­en Werk­stät­ten läuft schon zwei Wochen und hat sich bereits nor­ma­li­siert, wäh­rend im Rest des Hau­ses noch reno­viert wird. Das heißt, die unge­fähr 60 Instru­men­ten­ma­cher bie­gen, for­men, löten und häm­mern die Instru­men­te in Form – und pro­bie­ren sie immer wie­der aus.

Ganz unten, ver­steckt in der Ecke, steht das Aus­gangs­ma­te­ri­al: unschein­ba­re Mes­sing­roh­re, die fast wie bana­le Hei­zungs­roh­re aus­se­hen. Aber aus die­sem Grund­ma­te­ri­al wird hier – mit Aus­nah­me des Schall­trich­ters – das voll­stän­di­ge Horn gefer­tigt. In meh­re­ren Arbeits­gän­ge wer­den die Roh­re sorg­sam gebo­gen und auf die „Alex­an­der-Wei­te” gebracht. Und ein Horn hat ziem­lich vie­le Bögen. In der gro­ßen Haupt­werk­statt wer­den die vie­len Ein­zel­tei­le dann zum fer­ti­gen Instru­ment zusam­men­ge­baut. Hier wer­den auch Repe­ra­tu­ren aus­ge­führt – so ein Horn kann schließ­lich pro­blem­los ein oder zwei Gene­ra­tio­nen Musi­ker über­le­ben. Und am Ende wer­den die Instru­men­te schieß­lich noch poliert und lackiert. Das pas­siert fast unter Rein­raum­be­din­gun­gen – denn wenn auch nur ein ein­zel­nes Staub­korn unter dem Lack bleibt, fängt alles noch ein­mal von vor­ne an. Die moder­ne Tech­nik beim Lackie­ren war auch einer der Grün­de, war­um sich die schon län­ger geheg­ten Plä­ne für einen Umzug im letz­ten Jahr kon­kre­ti­sier­ten.

Aber nicht nur im Lackier­raum sind die Instru­men­ten­ma­cher bei Gebrü­der Alex­an­der Per­fek­tio­nis­ten. Des­halb auch jedes Instru­ment von einem Solis­ten des Phil­har­mo­ni­schen Orches­ters vor dem Ver­kauf aus­gie­big getes­tet. Und das Stre­ben nach Voll­endung war auch der Haupt­grund für den Umzug ins Indus­trie­ge­biet: „Die alten Werk­stät­ten sind zwar sehr pit­to­resk, aber nicht immer unbe­dingt prak­tisch. Und sie platz­ten aus allen Näh­ten”, erklärt Ste­phan Kahl von der Geschäfts­lei­tung. „Mate­ri­al und Form der Hör­ner sind sowie­so aus­ge­reift, bes­ser kann nur noch der Her­stel­lungs­pro­zess wer­den.”

Gebrü­der Alex­an­der setzt da ganz auf das Kön­nen und die Erfah­rung sei­ner Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter zehn Meis­ter und momen­tan neun Aus­zu­bil­den­de. „Ein Robo­ter kann das offen­bar ein­fach nicht wie ein Mensch, der das Horn vom Anfang bis zum Ende ent­ste­hen sieht”, erläu­tert Kahl die Über­zeu­gung des tra­di­ti­ons­rei­chen Main­zer Betrie­bes. Ver­sucht wur­de das übri­gens schon, ein japa­ni­scher Kon­kur­rent hat pro­biert, die Main­zer Hör­ner in allen Dimen­sio­nen zu mes­sen und zu ana­ly­sie­ren und dann nach­zu­bau­en – funk­tio­niert hat es aber nicht.

Und wäh­rend die Büro­räu­me noch den letz­ten Schliff ver­passt bekom­men, sind die Instru­men­ten­ma­cher schon längst wie­der zu ihrer geschäf­ti­gen Rou­ti­ne über­ge­gan­gen: Die Polier­ma­schi­nen sur­ren, die Löt­flam­men brut­zeln, die Fei­len schrap­pen – und zwi­schen­durch erklingt immer wie­der ein Horn- oder Trom­pe­ten­ton. Damit man auch merkt, was hier ent­steht.

Romantik en masse

Von Fer­ne tönen sie schon vor dem Beginn, die Hör­ner. Sie sol­le heu­te, im 7. Meis­ter­kon­zert, eine beson­de­re Rol­le spie­len. „Die Roman­ti­ker“ ist das Kon­zert mit der Deut­schen Staats­phil­har­mo­nie Rhein­land-Pfalz unter Karl-Heinz Stef­fens beti­telt. Und da gehö­ren Hör­ner unbe­dingt dazu – schließ­lich ist das Horn neben der Har­fe wohl eines der roman­ti­schen Instru­men­te über­haupt. Sie sind das, auch wenn das zwei­te Horn­kon­zert von Richard Strauss natür­lich m enge­ren Sin­ne nicht mehr zur eigent­li­chen Roman­tik gehört: Die Urauf­füh­rung des druck­fri­schen Wer­kes fand 1943 statt und sei „ganz nett aus­ge­fal­len“, wie der Kom­po­nist anmerk­te.

Nun ist „nett“ meis­tens kein beson­ders wohl­wol­len­des ästhe­ti­sches Urteil. Aber es trifft doch sehr gut, was Strauss hier geschrie­ben hat. Und der Hor­nist Ste­fan Dohr steigt gleich mit den ers­ten Tönen voll ein. Mit viel Ein­satz lässt er alle Sei­ten der Musik leben­dig wer­den: Das kraft­vol­le Schmet­tern eben­so wie die wei­chen Melo­die­li­ni­en. Gera­de die sanf­ten Kan­ti­le­nen gelin­gen ihm her­vor­ra­gend, aber auch sei­ne wun­der­ba­re Über­gän­ge zum for­schen, kraft­vol­len Spiel, mit dem er das Orches­ter mühe­los domi­niert, zei­gen Dohr als über­leg­ten Solis­ten. Zumal Steff­fens sich und das Ensem­ble sehr zurück­hält und sich vor­wie­gend auf das Beglei­ten kon­zen­triert. Zusam­men ergibt das eine sehr vita­le, leben­dig strö­men­de Musik – vor allem dank des ener­gi­schen Zugriffs Dohrs, der aus der manch­mal etwas tro­cke­nen Par­ti­tur alles her­aus­holt, was sie an begeis­tern­dem Witz und Esprit über­haupt her­gibt.

Unzwei­fel­haf­te zur Roman­tik gehört Bruck­ners vier­te Sym­pho­nie – die trägt das ja schon im Bei­na­men. Und Stef­fens sucht genau das auch gezielt zu ver­wirk­li­chen. Mit einem aus­ge­spro­chen geheim­nis­um­wit­ter­ter­ten Beginn fängt er an. Und die dunk­len, etwas ver­schat­te­ten Sei­ten der Musik blei­ben das Bes­te in Stef­fens Inter­pre­ta­ti­on. Auch sonst setzt der Diri­gent wei­ter­hin vor allem auf Stim­mun­gen statt Struk­tu­ren und ist nicht so sehr auf die Sub­ti­li­tä­ten des Klang­ge­sche­hens aus, son­dern vor allem auf sei­ne Wir­kung. Und dafür hat er ein geschick­tes Händ­chen: Er ver­liert sich nicht in Details, er lässt die monu­men­ta­le Sin­fo­nik Bruck­ners nicht erstar­ren, son­dern hält sie als Diri­gent, der immer auf den jewei­li­gen Moment bedacht ist, in unab­läs­si­ger Bewe­gung. Gera­de des­halb bleibt das hier aber auch sehr irdisch. Und manch­mal, vor allem zum Ende hin, neh­men die gro­ße Ges­ten etwas über­hand. Dabei lässt Stef­fens auch eini­ge lose Fäden hän­gen und Über­gän­ge uner­le­digt. Immer­hin, die Staats­phil­har­mo­nie hält durch und bleibt bis zum Schluss sehr klang­ge­wal­tig und durch­set­zungs­stark. Und damit ist bei Bruck­ner schon das meis­te getan – und der Roman­tik auch zu ihrem Recht ver­hol­fen.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)

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