Ins Netz gegangen am 18.4.:
- Was hinterlässt Günter Grass?: Olymp der Old Boys — taz.de — marlene streeruwitz blickt kritisch aus Günter Grass und sein politisches Engagement zurück:
Wenn die soziale Gerechtigkeit am Ende doch parteiisch gedacht war. Die Moral zerbricht an so einem Widerspruch. Das kam wohl auch daher, dass diese Generation von kritischen Söhnen sich auf einem Olymp der Moralität wähnten und dort bleiben wollten. Aber ungestört. Statt also den Olymp zu demokratisieren, wurde die deutsche Kultur zu einem der vielen old boys clubs, wie sie die Welt immer schon beherrschten. Solche Personen haben viel verändert und am Ende dann wieder gar nicht so viel.
- Die Geschichte offenhalten (junge Welt) — ingar solty & enno stahl diagnostizieren die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit der Literatur und machen Vorschläge, wie sich das ändern ließe
Diese sozialen und ökonomischen Dissonanzen müssen sich in der Literatur niederschlagen, die monströse Asymmetrie des Lebens, Momente der Schönheit neben Ausbrüchen atavistischer Grausamkeit, die Verstrickungen des einzelnen im großen Ganzen, gerade wenn er oder sie sich herauszuhalten sucht. Die Literatur muss sagen, was Sache ist, muss dokumentieren, nachhaltig aufbewahren und damit anklagen, welche Verheerungen sich ereignet haben und wer die Verursacher sind
- Mara Genschel: Die Erhabenheit des Tesafilms | ZEIT ONLINE — Michael braun über die wunderbare und spannende Lyrikerin mara genschel
- Mauerfall: Schabowski-Zettel soll gestohlen worden sein — Politik — Süddeutsche.de — Mehr als 20 Jahre lang galt der Notizzettel von Günter Schabowski für die Pressekonferenz, die den Mauerfall auslöste, als verschollen. Dann tauchte er bei der Stiftung “Haus der Geschichte” auf. Schabowskis Ehefrau erhebt schwere Vorwürfe gegen Bekannte.
- Don’t make bicyclists more visible. Make drivers stop hitting them. — The Washington Post — eben weiss hat zwar die usa im blick, seine argumente (etwa in bezug auf die helmpflicht für radfahrer) lassen sich aber problemlos auf europa & deutschland übertragen:
Effectively, we’ve lost equal access to the public roadways unless we’re willing and able to foot the hefty bill for a car. Instead, what we have is an infrastructure optimized for private vehicles and a nation of subsidized drivers who balk at the idea of subsidizing any other form of transit, and who react to a parking ticket as though they’ve been crucified.
- Blitzmarathon: Rasen und witzeln — Welt — Tagesspiegel — interessanter vergleich:
Die Römer hielten Gladiatorenkämpfe, also das, was wir heute Barbarei nennen, für Spiele. In einer späteren Zivilisation wird man womöglich auf uns zurückblicken und sich fragen, warum wir die Barbarei auf unseren Straßen für Sport gehalten haben.
- Der Wortvandale — taz.de — jens uthoff würdigt rolf dieter brinkmann zu seinem 75. geburtstag:
Brinkmann wollte die ungefilterte Wirklichkeit darstellen, einen unvermittelten, ersten Eindruck der Dinge wiedererlangen und sprachlich formulieren.[…] Brinkmann ist als Poet, dessen großes Thema Entfremdungserfahrungen, die Wahrnehmung und das Bewusstsein waren, noch immer aktuell: Die Mediatisierung ist vorangeschritten; die Erfahrungen sind noch weniger als zu Brinkmanns Zeiten unmittelbare. Mehr noch: Die mediale Verwertung des Augenblicks muss heute stets mitgedacht werden, erst das Selfie dient dazu, uns unserer selbst zu versichern. Und auch sein Strampeln und Schlagen “gegen die Subjektverdrängung” (Handke), gegen die Verdinglichung und den Verlust natürlicher Lebenswelten spiegelt stets aktuelle menschliche Grundkonflikte oder fortlaufende Prozesse.
- Die Gründe, bitte | law blog — udo vetter
Hier sind nach wie vor die Befürworter der Speicherung in der Pflicht nachzuweisen, dass eine Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte überhaupt einen Nutzen bringt, der den weiteren Ausverkauf des Grundgesetzes und europäischer Wertestandards verschmerzbar erscheinen lässt.
Wenn ich schon Verzicht üben und künftig in einem anderen Staat leben soll, der mich als potenziell Verdächtigen behanelt, dann möge man mir bitte plausibel erklären, warum.