O ihr abgeholzten Bürger, vernehmt meine Worte.
— Archilachos (52 D./109 W.)
Schlagwort: griechenland
Ins Netz gegangen am 20.7.:
- «Digital Humanities» und die Geisteswissenschaften: Geist unter Strom — NZZ Feuilleton — sehr seltsamer text von urs hafner, der vor allem wohl seine eigene skepsis gegenüber “digital humanities” bestätigen wollte. dabei unterlaufe ihm einige fehler und er schlägt ziemlich wilde volten: wer “humanities” mit “humanwissenschaften” übersetzt, scheint sich z.b. kaum auszukennen. und was die verzerrende darstellung von open access mit den digital humanities zu tun hat, ist auch nicht so ganz klar. ganz abgesehen davon, dass er die fächer zumindest zum teil fehlrepräsentiert: es geht eben nicht immer nur um close reading und interpretation von einzeltexten (abgesehen davon, dass e‑mailen mit den digital humanities ungefähr so viel zu tun hat wie das nutzen von schreibmaschinen mit kittler’schen medientheorien …)
- Lyrik: Reißt die Seiten aus den Büchern! | ZEIT ONLINE — nette idee von thomas böhm, die lyrik zu vereinzeln (statt in lyrikbänden zu sammeln), das gedicht als optisches sprachkunstwerk zu vermarkten (auch wenn ich seine argumentationen oft überhaupt nicht überzeugend finde)
- Einsam auf der Säule « Lyrikzeitung & Poetry News — gute kritikkritik zur besprechung des aktuellen “Jahrbuchs für Lyrik” in der “zeit”, die auch mich ziemlich verwundert hat.
Unterscheidung, Alternativen, Schwerpunktsetzung? Fehlanzeige. Rez. zieht es vor, sich als scharfe Kritikerin zu inszenieren, jede Differenzierung schwächte das Bild nur. Lieber auf der Schulter von Riesen, hier neben Krüger, Benn & Co. vor allem Jossif Brodsky, auf die behauptet magere deutsche Szene herabblicken. Einsam ist es dort oben auf der Säule!
- Verkehrssicherheit: Brunners letzte Fahrt | ZEIT ONLINE — sehr intensive reportage von henning sussebach über die probleme der/mit alternden autofahrern (für meinen geschmack manchmal etwas tränendrüsig, aber insgesamt trotzdem sehr gut geschrieben)
Urlaubszeit in Deutschland, Millionen Reisende sind auf den Straßen. Da biegt ein 79-Jähriger in falscher Richtung auf die Autobahn ein – fünf Menschen sterben. Ein Unglück, das zu einer brisanten Frage führt: Kann man zu alt werden fürs Autofahren?
- Lyrik und Rap: Die härteste Gangart am Start | ZEIT ONLINE — uwe kolbe spricht mit mach one (seinem sohn) und konstantin ulmer über lyrik, raps, rhythmus und themen der kunst
Dass ich mit meinen Gedichten kein großes Publikum erreiche, ist für mich etwas, worunter ich selten leide. Ich möchte das, was ich mache, auf dem Niveau machen, das mir vorschwebt. Dabei nehme ich auch keine Rücksicht mehr. Ich gehe an jeden Rand, den ich erreichen kann.
- Rainald Goetz: Der Weltabschreiber | ZEIT ONLINE — sehr schöne und stimmende (auch wenn das theater fehlt …) würdigung rainald goetzes durch david hugendick anlässlich der bekanntgabe, dass goetz diesjähriger büchner-preis-träger wird
Die einzige Reaktion auf die Zudringlichkeit der Welt kann nur in deren Protokoll bestehen, die zugleich ein Protokoll der eigenen Überforderung sein muss.
- “Panoramafreiheit”: Wider den Urheberrechts-Extremismus — Süddeutsche.de — leonhard dobusch zum versuch, in der eu das urheberrecht noch weiter zu verschärfen:
Wir alle sind heute ein bisschen wie Lichtenstein oder Warhol. Wir erstellen und teilen ständig Fotos und Videos, in denen Werke anderer vorkommen. Zeit, dass das Urheberrecht darauf eingeht.
- Stravinsky’s Illegal “Star Spangled Banner” Arrangement | Timothy Judd — ich wusste gar nicht, dass es von strawinsky so ein schönes arrangement der amerikanischen hmyne gibt. und schon gar nicht, dass die angeblich verboten sein soll …
- Essay Griechenland und EU: So deutsch funktioniert Europa nicht — taz.de — ulrich schulte in der taz zu griechenland und der eu, mit vielen sehr guten und treffenden beobachtungen & beschreibungen, unter anderem diesen
Von CSU-Spitzenkräften ist man inzwischen gewohnt, dass sie jenseits der bayerischen Landesgrenze so dumpf agieren, als gössen sie sich zum Frühstück fünf Weißbier in den Hals.
[…]
Das Charmante an der teils irrlichternden Syriza-Regierung ist ja, dass sie eingespielte Riten als nackt entlarvt. - Sich „konstruktiv verhalten“ heißt, ernst genommen zu werden | KRZYSZTOF RUCHNIEWICZ — Stellungnahme ehemaliger Mitgliedern des Wissenschaftlich Beraterkreises der (sowieso übermäßig vom Bund der Vertreibenen dominierten) Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zur Farce der Wahl des neuen Direktors unter Kulturstaatsministerin Monika Grütters
- Konsum: Kleine Geschichte vom richtigen Leben | ZEIT ONLINE — marie schmidt weiß nicht so recht, was sie von craft beer, handgeröstetem kaffee und dem ganzen zelebrierten super-konsum halten soll: fetisch? rückbesinnung alte handwerkliche werte? oder was?
- Alle Musik ist zu lang — wunderbare überlegungen von dietmar dath zur musik, der welt und ihrer philosophie
Alle bereits vorhandene, also aufgeschriebene oder aufgezeichnete Musik, ob als Schema oder als wiedergabefähige Aufführung erhalten, ist für Menschen, die heute Musik machen wollen, zu lang, das heißt: Das können wir doch nicht alles hören, wir wollen doch auch mal anfangen. Wie gesagt, das gilt nicht nur für die Werke, sondern schon für deren Muster, Prinzipien, Gattungen, Techniken.
[…]
Musik hält die Zeit an, um sie zu verbrauchen. Während man sie spielt oder hört, passiert alles andere nicht, insofern handelt sie von Ewigkeit als Ereignis- und Tatenlosigkeit. Aber beide Aspekte der Ewigkeit, die sie zeigt, sind in ihr nicht einfach irgendwie gegeben, sie müssen hergestellt werden: Die Ereignislosigkeit selbst geschieht, die Tatenlosigkeit selbst ist eine musikalische Tat. - Literaturblogs are broken | The Daily Frown — fabian thomas attestiert den “literaturblogs” “fehlende Distanz, Gefallsucht und Harmlosigkeit aus Prinzip” — und angesichts meiner beobachtung (die ein eher kleines und unsystematisches sample hat) muss ich ihm leider zustimmen.
- Interview ǀ „Ent-identifiziert euch!“ — der Freitag — großartiges gespräch zwischen harald falckenberg und jonathan meese über wagner, bayreuth, kunst und den ganzen rest:
Ja, ich hab total auf lieb Kind gemacht. Ich merkte ja schon, dass ich im Wagner-Forum so als Monster dargestellt wurde. Ich bin kein Monster. Ich wollte das Ding nur radikalisieren. Ich hab auf nett gemacht und so getan, als wäre ich gar nicht ich selbst. Was ich ja immer tue. Sei niemals du selbst. Keine Selbstsuche, bitte. Keine Pilgerfahrt. Keine Möncherei. Ich bin einfach wie ’n Spielkind da rangegangen, und ich dachte, jetzt geht’s ab.
[…]
Kultur ist genauso beschissen wie Gegenkultur. Mainstream ist genauso beschissen wie Underground. Kultur und Gegenkultur ist das Gleiche. Politik kannst du nicht mit Kultur bekämpfen. Sondern nur mit Kunst. Du kannst nicht eine neue Partei gründen, weil sie genauso scheiße ist wie jede andere. Du kannst keine neue Religion gründen, weil sie genauso scheiße ist wie alle anderen. Du kannst keine neue Esoterik schaffen, weil sie genauso scheiße ist wie jede andere. Du kannst keine Spiritualität schaffen, die besser wäre als alle anderen.
Jede Partei ist gleich scheiße, jede Religion ist gleich zukunftsunfähig, jede Esoterik ist abzulehnen. Ich benutze Esoterik, aber ich identifiziere mich nicht damit. Ich identifiziere mich nicht mit Wagner, ich identifiziere mich nicht mit Bayreuth, ich identifiziere mich mit gar nichts.
Ent-identifiziert euch! Seid nicht mehr! Seid eine Nummer! Seid endlich eine Nummer!
Das ist geil. Seid kein Name! Seid kein Individuum! Seid kein Ich! Macht keine Nabelbeschau, keine Pilgerreise, geht niemals ins Kloster, guckt euch niemals im Spiegel an, guckt immer vorbei!
Macht niemals den Fehler, dass ihr auf den Trip geht, euch selbst spiegeln zu wollen. Ihr seid es nicht. Es ist nicht die Wichtigtuerei, die die Kunst ausmacht, sondern der Dienst an der Kunst. Die Kunst ist völlig frei. Meine Arbeit, die ist mir zuzuschreiben, aber nicht die Kunst. Die spielt sich an mir ab. - Eine Bemerkung zur Kompetenzorientierung by Fachdidaktik Deutsch -
»Faktenwissen« kommt nicht zuerst, wenn Kompetenzorientierung ernst genommen wird – Können kommt zuerst. Kompetenzorientierung bedeutet, die Lernenden zu fragen, ob sie etwas können und wie sie zeigen können, dass sie es können. Weil ich als Lehrender nicht mehr zwingend sagen kann, auf welchem Weg dieses Können zu erreichen ist. Dass dieses Können mit Wissen und Motivation gekoppelt ist, steht in jeder Kompetenzdefinition. Wer sich damit auseinandersetzt, weiß das. Tut das eine Lehrkraft nicht, ist das zunächst einfach einmal ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht mit Kompetenzorientierung beschäftigt hat. Fehlt diese Bereitschaft, müssen zuerst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
- Essay zum UN-Weltkulturerbe: Mord mit besten Absichten — taz.de -
Und immer noch drängeln die Städte, die Dörfer, die Regionen, dass sie ja als Erste einbalsamiert werden. Wie die Länder, die sich um Olympische Spiele bewerben, ohne sich klarzumachen, dass sie damit ihren Untergang heraufbeschwören wie Griechenland mit Athen.
- Wie man nicht für die Vorratsdatenspeicherung argumentiert | saschalobo.com — sascha lobo seziert den tweet von reinhold gall. wie (fast) immer exzellent. schade (und mir unverständlich), dass solche texte in den großen, publikumswirksamen medien keinen platz finden — warum steht das nicht im print-spiegel, der gedruckten faz oder süddeutschen?
- Sex (und gender) bei der Fifa | Männlich-weiblich-zwischen — ein schöner text zum problem der bestimmung des geschlechts, des biologischen, wie es die fifa versucht — nämlich über den testosteron-spiegel. mit dem (inzwischen erwartbaren) resultat: so kann man das jedenfalls nicht machen.
an darf also vermuten und hoffen, dass auch diese Definition von sex zu sportlichen Zwecken demnächst, wie bisher alle anderen Definitionen auch, als unbrauchbar und absurd erweisen – aber wohl, ebenfalls wie immer, erst zu spät.
Ins Netz gegangen am 15.4.:
- Vorratsdatenspeicherung: Du bist verdächtig | ZEIT ONLINE — ach, das ist doch alles so blöd, unsinnig, ohne verstand und gemein — manchmal möchte man wirklich ausflippen. erst inszeniert sich justizminister maas als standhafter gegner der anlasslosen überwachung namens vorratsdatenspeicherung — jetzt knickt er doch wieder ein und lässt sich halt einen neuen namen einfallen. zum kotzen, das alles, diese verachtung der grundrecht an höchsten stellen … kai biermann hat dazu einen — ich weiß nicht, seinen wie vielten — klugen kommentar geschrieben
Und dann bleibt da noch die Haltung, die sich in dem Vorhaben zeigt. Das Grundgesetz wurde in dem Wissen geschaffen, dass die Exekutive prinzipiell übergriffig ist, dass sie immer versuchen wird, ihre Bürger stärker zu überwachen. Das Grundgesetz soll die Bürger davor schützen, soll den Staat im Zaum halten. Diverse Gerichte haben das angesichts der vielen, vielen Überwachungsinstrumente, die es längst gibt, immer wieder betont, bekräftigt, daran erinnert. Überwachung trotzdem ausdehnen zu wollen, ist geschichtsvergessen und ignorant gegenüber der Verfassung.
- Er war kein Urvater des Pop — Rolf Dieter Brinkmann zum 75. Geburtstag : literaturkritik.de — markus fauser erinnert an rolf dieter brinkmann und seine literarische prägung, die keineswegs — wie immer noch oft angenommen und behauptet wird — vor allem der pop war:
Ihm war nicht zu helfen. In seinem kurzen Leben schuf er unter enormem Druck einige größere Werke. […]
Seine gesamte Prosa hatte ohnehin mit Pop nichts zu tun und nur ein kleiner Teil seiner Gedichte war davon angeregt. Gerade auch die jüngeren Studien aus der Forschung legen darauf Wert. Pop steht nicht nur in der Literatur bis heute für ein positives Weltverhältnis, für einen spielerischen Umgang mit der Realität und – vielleicht am wichtigsten – für das Hinnehmen von Konsum und Kommerz. Nichts davon passt auf Brinkmann. […]
Sein Werk steht vielmehr im Zeichen der nachholenden Moderne. - Konkurrenz zu Amazon: Nette Buchhändlerinnen allein reichen nicht — Bücher — FAZ — ulf erdmann ziegler überlegt, ob nicht verlage, grossisten etc. in deutschland ein konkurrenz-unternehmen zu amazon im bereich des buchverkaufs/buchversands aufziehen könnten und/oder sollten
- Günter Grass: Oskar Matzerath ist eine ganze Epoche — nora bossong denkt anlässlich des todes von günter grass wohltuend unaufgeregt über die rolle und die möglichkeiten einer schriftstellerin damals und heute nach
Auch hat sich der Diskurs fragmentiert und in verschiedene Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt. Hier die Politik, da die Kunst, sprechen Sie, wenn Sie aufgefordert werden und für den Rest gilt: Ruhe, setzen. Ein Weisungsmonopol, wie es Grass innehatte, kann heute kein Intellektueller mehr für sich beanspruchen und es scheint auch nicht mehr erwünscht. Die Frage ist, ob zu viel Stille irgendwann taub macht.
- “House of Cards”: Die teuerste Seifenoper der Welt | ZEIT ONLINE — nicklas baschek zeigt die probleme von “house of cards” sehr schön auf. mich stört ja daran vor allem: dieses verständnis von politik wird größtenteils als realistisch wahrgenommen — und das hat, befürchte ich, doch massive auswirkungen auf unser/das politische handeln in der wirklichkeit, die ich nicht gut finden kann. man muss sich zum vergleich nur mal die darstellung des politischen handelns in “the west wing” anschauen, um zu sehen, wie zerstörerisch das netflix-bild ist (und wie sehr sich das “durchschnittliche” bild von politik offenbar in den letzten jahren gewandelt hat) …
- Medien Internet: Die Okkupation der Privatsphäre | Kultur — Frankfurter Rundschau -
Wir gefährden die Demokratie, wenn wir die Grenzen zwischen öffentlich und privat aufheben, sei es mutwillig oder nachlässig.
sehr schönes gespräch mit harald welzer über privatheit, den nutzen und die gefahren von innovationen, auch digitalen techniken, und die möglichkeiten, sich dem entgegenzustellen, das zu ändern …
- Diese miese Krise — Nachrichten Print — DIE WELT — Kein Geld, keine Würde. Eine griechische Fortsetzungsgeschichte – marlene streeruwitz als nelia fehn schreibt die geschichte von “Die Reise einer jungen Anarchistin nach Griechenland” in einem recht seltsamen text fort
- Wolf Wondratschek: Bestseller, Auflage: 1 — Bücher — FAZ — sehr seltsamer text von volker weidermann über den meines erachtens tendenziell überbewerteten wolf wondratschek. und das war mal ein literaturkritiker! hier ist alles nur eine einzige jubelei. irgend ein historischer kontext fehlt völlig: dass kunst mäzene hat, die unter umständen die einzigen sind, die das werk kennen dürfen/können, ist ja nun wirklich nicht neu. interessant auch, wie kritiklos er den “mäzen” wondratscheks porträtiert, der ausdrücklich nicht kunst, sondern “den menschen” kauft — alles sehr seltsam. aber was soll man von einem literaturkritiker halten, der solche sätze schreibt: “Was für ein herrlicher Moment für einen Kritiker: Ein Buch, das er nicht lesen kann, wird ihm vom Dichter selbst erzählt.” — das ist ja mal wieder typisch: da bleibt doch nur der inhalt — aber die form, die das erst zur kunst macht, ist doch da nicht mehr vorhanden!
Ins Netz gegangen am 2.2.:
- Krach um Castorfs “Baal”: Opium ist Religion fürs Volk — Tagesspiegel — peter laudenbach macht sich über den versuch, die castorf-inszenierung des brecht’schen “baal” zu verbieten, lustig:
Vielleicht sollte sich die Rechtsabteilung bei Gelegenheit auf den Stand des eigenen Verlagsprogramms bringen – von Foucaults Kritik am Begriff des Autors über Kristevas Wissen, dass in einem Text viele Stimmen sprechen, bis zu Heiner Müllers Hinweis: „Brecht gebrauchen ohne ihn zu kritisieren, ist Verrat.“ Man kann Castorf vieles vorwerfen – nicht aber , dass er Brech…
- Warum klassische Musik schon immer politisch war — Süddeutsche.de — reinhard j. brembeck beschreibt, warum musik — und musiker — immer politisch ist (mit einigen seitenhieben auf aktuell musizierende …)
Und nicht nur die Musiker sind, ja, müssen politisch sein. Auch die Kompositionen sind unauflöslich verbunden mit dem sie bedingenden politischen System.
- Literaturkritik versus Literaturjournalismus — lothar struck ergänzt die bemerkungen von jörg sundermeier um einige meines erachtens sehr richtige, wichtige und zustimmungsfähige beobachtungen und einschätzungen:
Ich plädiere für die eindeutige Unterscheidung zwischen »Literaturkritik« und »Literaturjournalismus«. Demnach ist Literaturkritik der meist etwas umfangreiche Versuch, nicht nur den Inhalt eines Buches wiederzugeben, sondern darüber hinaus formale und ästhetische Komponenten zu einer literarischen Bewertung heranzuziehen. […]
Die Literaturkritik sollte am Text »kleben«, ohne ihn grammatikalisch zu sezieren. Neben der Kritik am Plot, an einer Handlung, sollte auch auf die Sprache und die Form geachtet werden. Außerliterarische Bezüge sollten vernachlässigt werden.
Literaturjournalismus hingegen reduziert die Komplexität, bilanziert voreilig in Schubladen, druckt leicht zitierbare Etiketten. Literaturkritik ihrerseits öffnet den Text, findet Allegorien, engt jedoch den potentiellen Leser nicht ein, sondern erzeugt Neugier. Literaturjournalismus ist paternalistisch und postuliert Urteile, Literaturkritik begründet sie. Literaturjournalismus ist getrieben und unterliegt den kommerziellen Gesetzen von Verlagsprogrammen und deren Zyklen. Literaturkritik hat Zeit und verlangt Zeit. Literaturjournalisten haben Freunde, Literaturkritiker Kollegen. - Firefox und Chrome verraten IP-Adressen trotz VPN | heise Netze — ständig muss man irgendwo nachbessern …
Viele Nutzer verschleiern ihre eigentliche IP-Adresse und damit ihren Standort, indem Sie über einen VPN-Server ins Internet gehen. Die WebRTC-Implementierungen von Mozilla Firefox und Google Chrome plaudern aber die Adresse aus.
— immerhin lässt sich das auch verhindern.
- Spanish Civil War photos by Agusti Centelles and Robert Capa. —
- Energiewende: “Autofahren ist viel zu billig” | ZEIT ONLINE — andreas knie:
Wir haben in Deutschland so viele Autos, dass alle Einwohner auf den vorderen Sitzen Platz nehmen könnten, auch die Babys und Rentner. Und Fortschritte, beispielsweise durch sparsamere Motoren, werden durch die Leistungssteigerung der Fahrzeuge einfach zunichtegemacht. Eine mutige Bundesregierung müsste das ändern.
- Tal der Ahnungslosen | misik.at — »Die blanken Statistiken des IWF zu referieren ist heute schon linkspopulistisch.«
- Interview ǀ „Immer noch so cool“ — der Freitag — carl hegemann über die volksbühne:
Dieses Theater hat den Theaterbegriff verändert. Auch durch die Dreistigkeit, mit der sich Schauspieler als sie selber auf die Bühne stellten und nicht nur als Figuren. Henry Hübchen war da der Vorreiter, der in den Räubern sagte: „Meinen Sie, ich mach das hier gerne: jeden Abend Franz Moor – seit 200 Jahren?“ – und dann das Publikum als „Kadettfahrer“ beschimpfte. Diese Perspektive hat das Theater stark verändert. Und die Theaterwissenschaft.</bloc…
- Furios in den Untergang — Jörg Sundermeier — jörg sundermeier noch einmal pointiert zu seiner sicht des standes der literaturkritik in den medien heute:
Das erklärt die Misere der Literaturkritik aber nicht hinreichend. Dieser fehlen vor allem die Kriterien. Stilistisches Können eines Autors wird oft nur behauptet, nicht belegt, offenkundige Stilblüten werden nicht angeprangert, die Figurenkonstellationen werden nicht untersucht, der Plot nicht analysiert – im Gegenteil. Ein Buch wird von einer Rezensentin für eine Besonderheit …
- Neue Studie über Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss — der rechtsmedizinier thomas daldrup hat den einfluss von alkoholkonsum auf’s fahradfahren untersucht — mit überraschenden ergenissen:
Nach unseren Ergebnissen müsste die Rechtsprechung eigentlich in dem Sinne revidiert werden, dass es für Fahrradfahrer keine Obergrenze mehr gibt. Auch mit 1,6 Promille oder mehr – manche Teilnehmer hatten sogar zwei Promille – können einige ohne große Ausfallerscheinungen Rad fahren. Ein pauschal mögliches Strafverfahren bei 1,6 Promille erscheint nach…
- Jan Böhmermann: Der Alleinunterhalter | ZEITmagazin — matthias kalle erklärt im “zeitmagazin” jan böhmermann und dessen neue sendung “neo magazin royale”, die im “richtigen” zdf zu sehen sein wird
- Unge & die YouTuber Szene: Jan Böhmermann im Interview bei Visa Vie (zqnce) — YouTube — “Googlet mal “differenziert””: Jan Böhmermann zur YouTuber-Szene, medialen Verantwortung & Aufgaben der Kulturkritik
Ins Netz gegangen am 4.12.:
- Mord: Der Paragraf | ZEIT ONLINE — Niedrige Beweggründe sollten kein Maßstab mehr sein
Der Mord-Paragraf des Strafgesetzbuches muss dringend überarbeitet werden. Beileibe nicht nur, weil er von Nazi-Juristen formuliert wurde. - Geliefert | zynæsthesie — wunderbare Lieferung. RT @zynaesthesie: Geliefert
- Archaeology in Greece Online — An indispensible tool for researchers in all disciplines who wish to learn about the latest archaeological discoveries in Greece and Cyprus, Archaeology in Greece Online/Chronique des fouilles en ligne is a richly illustrated topographical database with a mapping feature to locate field projects within sites and regions.
- Lyrikerin Elke Erb : “Es ist Leben, konkret, nicht Spielerei” — DIE WELT — Elke Erb spricht über das Schreiben und Leben:
Es ist eine aktive Welt und es kommt darauf an, wie man spricht. Es ist doch ganz egal, wovon man spricht, Hauptsache, es wird anständig erzählt.
Die Sprache ist ein lebendiges Ding und nicht etwas, was schon festgelegt ist. Was man übrigens auch sehen kann, wenn die Kleinlebendigen kommen, die kleinen Kinder, wenn sie die Sprache nachbilden wollen und Vor- und Nachsilben ausprobieren.
Und natürlich, ganz zentral:
Die Sprache lebt, wie gesagt. Es ist Leben, konkret, nicht Spielerei.
(Die Fragen von Dorothea von Törne kommen mir allerdings durchaus seltsam vor, wie hingeschmissene Brocken, die warten, ob Erb irgendwie darauf reagieren mag …
- Ein letztes Gespräch mit Peter Kurzeck: „Wie sollst du dir jetzt den ersetzen?“ — Feuilleton — FAZ — Ein Gespräch mit Peter Kurzeck im September 2013 über Walter Kempowski, Chronisten und Schriftsteller und das Tagebuchschreiben, das noch einmal Kurzecks Position (zum Schreiben und zur Welt) sehr schön zusammenfasst:
Ja, man denkt, man sei für die Bewahrung der Welt zuständig.
Schön auch diese beiläufige Bemerkung:
Man muss schon aufpassen, was man liest.
“Songs for Kommeno” ist ein ambitioniertes Projekt: Mit den acht Jazz-Songs will Günter Baby Sommer auf das Massaker einer deutschen Wehrmachtseinheit im griechischen Kommeno am 16.8.1943 erinnern. Und das umfangreiche Büchlein dazu dokumentiert die Ernsthaftigkeit, mit der sich Baby Sommer auf die Aufgabe, den Ort, die Geschichte eingelassen hat (allerdings nicht so sehr das Geschehen selbst).
So weit, so gut. Aber “Songs for Kommeno” hat leider einen großen Nachteil: Musikalisch lässt mich die CD reichlich kalt. Das ist mir alles arg betulich und viel zu langweilig — und zugleich immer so bedeutungsschwanger. Vielleicht hätte ich erstmal einfach die Musik hören sollen, ohne nähere Informationen. Hat man die Texte im großzügigen Begleitbuch gelesen, geht das aber nicht mehr: Die Musik kann dann nicht mehr für sich stehen, sie muss mehr sein. Nämlich Vergangenheitsbewältigung in irgendeiner Form, Erinnerung, auch Erinnerungspolitik, zugleich Vesöhnung und Bitte um Vergebung und so weiter. Das ist (in meinen Ohren) doch ein bisschen viel für diese Klänge. Vielleicht funktioniert das für andere Hörer hervorragend, vielleicht hat es auch am quasi authentischen Ort gelingen können — in meinem Heim, wo ich im bequemen Sessel sitze und draußen der erste Vor-Herbst-Regen nieselt, klappt das aber einfach nicht. Aber ich bin bei solchen Unternehmungen (fast) immer recht skeptisch — meiner Erfahrung nach wird dabei die Musik (und die ist es besonders, die für solche Projekte eingespannt wird) mit einer Aufgabe überfrachtet, die sie einfach nicht leisten kann — nämlich konkrete Inhalte irgendwie zu transportieren. Aber das sind grundsätzliche Einstellungen, was man von Musik erwarten will und ihr an kommunikativen Aufgaben (im weiteren Sinne) zu-muten möchte. Ich bin da generell sehr zurückhaltend, weil ich überzeugt bin, dass Klang und Form (um das mal so abstrakt zu lassen) die besseren Vermittlungsinstanzen sind — und auch ohne bestimmte bzw. bestimmbare Inhalte Menschen bewegen und letztlich auch verändern können.
Aber, um noch mal von den grundsätzlichen Dingen zurück zu den “Songs for Kommeno” zu kommen: Ganz abgesehen von diesem ganzen Hintergrund ist die Musik hier zwar oft schön (Baby Sommer ist natürlich ein sehr guter Schlagzeuger und auch Floros Floridis ein toller Klarinettist), aber für meinen Geschmack zu flach, zu eindimensional — kurz: einfach zu langweilig. Da hilft auch die geborgte Authentizität des Klagegesangs einer Überlebenden nicht. Und die griechische Nationalität der beteiligten Musiker. Ich bleibe skeptisch: Ich halte Musik (und Kunst allgemein) nicht für das ideale Medium des Umgangs mit Geschichte, schon gar nicht mit konkreten Ereignissen. Das tut beiden Seiten nicht gut.
Günter Baby Sommer (mit Savina Yannatou, Floros Floridis, Evgenios Voulgaris, Spilios Kastanis): Songs for Kommeno. Intakt Records CD 190, 2012.
… den uns erfahrung giebt, dass wir nichts treffliches uns denken, ohne sein ungestaltes gegentheil.” — friedrich hölderlin, hyperion oder der eremit in griechenland, 17