Die Weinbergschnecke ist fort
Michael Buselmeier (aus: In den Sanden bei Mauer. Letzte Gedichte, 2023, S. 14)
gekrochen, den zarten Deckel aus
Kalk oder Elfenbein ließ
sie auf der Mauer zurück.
Schlagwort: frühling
Frühling läßt sein blaues Band
Eduard Mörike
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!
Mailied
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig,
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud’ und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd’! o Sonne!
O Glück! o Lust!
O Lieb’! o Liebe!
So golden-schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb’ ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud’ und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
—Johann Wolfgang Goethe
(Johann Wolfgang von Goethe)
… es ist nicht heiliges, was nicht entheiligt, nicht zum ärmlichen behelf herabgewürdigt ist bei diesem volk, und was selbst unter wilden göttlichrein sich meist erhält, das treiben diese allberechnenden barbaren, wie man so ein handwerk treibt, und können es nicht anders, denn wo einmal ein menschlich wesen abgerichtet ist, da dient es seinem zwik, da sucht es seinen nuzen, es schwärmt nicht mehr, bewahre gott! es bleibt gesezt, und wenn es feiert und wenn es liebt und wenn es betet und selber, wenn des frühlings hohes fest, wenn die versöhnungszeit der welt die sorgen alle löst, und unschuld zaubert in ein schuldig herz, wenn von der sonne warmem strale berauscht, der sclave seine ketten froh vergisst und von der gottbeseelten luft besänftiget, die menschenfeinde friedlich, wie die kinder, sind — wenn selbst die raupe sich beflügelt und die biene schwärmt, so bleibt der deutsche doch in seinem fach’ und kümmert sich nicht viel ums wetter!” — friedrich hölderlin, hyperion oder der eremit in griechenland (2. buch), 114