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Schlagwort: frau

Singende Seelen

Wenn ein A‑Cap­pel­la-Ensem­ble sich den Namen „Sja­el­la“, für „See­le“ gibt, kann man von der ers­ten CD schon eini­ges erwar­ten. Beson­ders beseelt sin­gen die sechs jun­gen Sän­ge­rin­nen auf ihrer Debüt-Auf­nah­me aller­dings eher sel­ten. Ein biss­chen scha­de ist das, die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten dazu hät­te die Grup­pe, die trotz der Jugend ihrer Mit­glie­der schön sechs Jah­re gemein­sam singt, näm­lich durch­aus. Der wil­de Stil­mix, das kun­ter­bun­te Sam­mel­su­ri­um die­ser CD zeigt das deut­lich: Into­na­ti­ons­si­cher und klar aus­ba­lan­ciert sin­gen sie immer, ob die Musik von Knut Nystedt stammt oder von Sting, ob gera­de die Noten von Duru­flés „Tota pulchra es“ oder ein Volks­lied­satz an der Rei­he sind: Immer wie­der singt Sja­el­la ohne Zwei­fel sau­ber – man könn­te pro­blem­los mit­schrei­ben. Aber Charme, Inspi­ra­ti­on oder Esprit – das ver­mit­telt die Auf­nah­me lei­der kaum. Des­we­gen hän­gen selbst Beat­les-Hits wie „Dri­ve my car“ oder Stings „Val­pa­rai­so“ etwas glanz­los im lee­ren Raum. Dabei gelingt Sja­el­la durch­aus eini­ges, Dia­mons are a girl’s best fri­end etwa – das hat in sei­ner nai­ven Unschuld schon sei­nen Reinz … Aber ob das wirk­lich so tief ins Inne­re der Teen­ager-See­len bli­cken lässt, wie das Book­let behaup­tet?

Sja­el­la: Sja­el­la. Quer­stand VKJK 1009. 2011. 48:52 Minu­ten.

(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit.)

„O! es ist ent­setz­lich, was der Mensch erle­ben und ertra­gen kann, und kein Mann kann es füh­len und wis­sen, um wie viel furcht­ba­rer noch das Schick­sal des Wei­bes ist.“—Ludwig Tieck, Der Hexen-Sab­bat, 72

porno-pop oder wem gehören die töchter?

heu­te mor­gen beim umsta­peln der unge­le­se­nen bücher gefun­den: jörg metel­mann (hrsg.): por­no-pop. sex in der ober­flä­chen­welt. würz­burg: königs­hau­sen & neu­mann 2005. und gleich mal den ers­ten auf­satz gele­sen: cle­mens porn­schle­gel (die kalau­er zum namen ver­bie­te ich mir jetzt mal…): wem gehö­ren die töch­ter? zum sexu­el­len macht­an­spruch der kon­sum­ge­sell­schaf­ten.

porn­schle­gel macht ein paar gute punk­te zur „ver­wand­lung des weib­li­chen kör­pers in eine ware und die dar­aus fol­gen­de pro­no­gra­fi­sie­rung der kon­sum­ge­sell­schaft“ (18) auf: „was als sexu­el­le befrei­ung und fort­schritt auf­tritt [näm­lich die ver­fü­gungs­ge­walt der frau­en über ihren kör­per und die selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der sie ihn prä­sen­ta­bel machen/​halten und prä­sen­tie­ren], ent­puppt sich als frei­set­zung des weib­li­chen kör­pers für den uni­ver­sa­len markt und die ent­spre­chen­de zir­ku­la­ti­on.“ – die fol­ge­rung dar­aus ist klar: „das mäd­chen, das sein ver­füh­rungs­po­ten­zi­al nicht her­zeigt, mit string, push-up und top, ver­kauft sich bekannnt­lich unter wert.“ (17) und ver­stößt damit gegen die regeln des hei­li­gen mark­tes, auch wenn das gan­ze von libe­ra­lis­ten etc. natür­lich als gran­dio­se errun­gen­schaft der per­sön­li­chen frei­heit der frau apo­stro­phiert und gefei­ert wird.

von dort aus ist es für porn­schle­gel dann ein leich­tes, das isla­mi­sche kopf­tuch zu deu­ten – und vor allem den vehe­men­ten wider­spruch der femi­nis­tin­nen etc. gegen das tra­gen eines sol­chen. denn „die ver­hül­lung bedeu­tet eine absur­de sexu­el­le ‚nicht­zu­gäng­lich­keit‘“ – „man kann die frau nicht haben“ (19) – und das wider­spricht natür­lich allen regeln des ubi­quä­ren mark­tes.

inter­es­sant wird es aber, wenn porn­schle­gel noch einen schritt wei­ter geht: das kopf­tuch ent­zieht sei­ne trä­ge­rin dem markt „und steht damit natür­lich auch dem prin­zip der gren­zen­lo­sen nach­fra­ge im weg, mit ande­ren wor­ten: der frei­heit“ (20). und des­halb ist es, psy­cho­ana­ly­tisch gedeu­et, nicht anders als „ein gro­ßes, has­sens­wer­tes vater­ge­spenst“ (20), gegen das man – fast reflex­hat – ankämp­fen muss.

der zwei­te teil sei­nes auf­sat­zes ver­schränkt das dann mit der beob­ach­tung und beschrei­bung des (sex-)marktes in michel hou­el­le­becqs platt­form, in dem porn­schle­gel vor allem die beschrei­bung der welt erkennt: „jedes ande­re sub­jekt wird von vorn­her­ein auf ein kon­sum­gut redu­ziert“ (23), der roman zeigt „den zusam­men­hang zwi­schen kon­sum­öko­no­mie und uni­ver­sa­ler pro­sti­tu­ti­on“ (23) – und damit nach porn­schle­gel auch den ver­lust der wün­sche. denn wenn alles nur noch kon­su­mier­bar ist, alles nur noch auf kon­sum redu­ziert und bezo­gen wird, bleibt der wunsch immer außen vor – „das objekt des wun­sches ist nicht kon­su­mier­bar“ zitiert er dazu miche­la mar­za­no.

mal sehen, ob der rest des ban­des genau­so inter­es­sant ist…

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