Gerade eben höre ich zum ersten, zweiten und dritten Male das neueste Album der Fehlfarben: Xenophonie. Da ist wieder richtig schön viel Gutes drauf. So richtig viel Zustimm-Texte zum Beispiel. Auf das schöne “Platz da!!!” habe ich ja schon hingewiesen. Den besten Text hat aber eindeutig “Glauberei”:
Von allen Farben, an die man glauben kann
Kommt das Laubige grad am besten an
[…]
Und jeder Farbe Jüngerschar glaubt
Ihre Farbe sei alleine wahr
Ab sofort wird zurückgeglaubt
Werden Glaubensbrücken gebaut
Wer lauter glaubt als erlaubt
Dem wird auf das Haupt gehaut
[…] Denn darum geht’s doch bei der Glauberei
Das der eine lauter als der andre sei
Und jede Lärmesjüngerschar
glaubt ihr Gelärme sei alleine wahr
[…]
Auch sonst vieles aufs Korn genommen, ohne billige Lösungen zu versprechen. Aber der Widerspruch ist ja nicht nur der erste Schritt, sondern manchmal auch schon der entscheidende. Und mir scheint es im Moment nicht so, als ob es davon zu viel gäbe. “Der Widerspruch tut jedem Leben gut / Im Widerspruch, da lebt es sich noch mal so gut” heißt es in Richtig in falsch, einem großartigen Lied über Arbeit, Kapitalismus und Menschen (also gleich wieder alles …)
Aber andererseits: Besonders viel Öffentlichkeit werden Texte und Musik der Fehlfarben auch 2012 wieder nicht erreichen. Da seien die gatekeeper schon vor. Dabei haben nicht nur die klaren Texte Peter Heins das verdient, auch die deutliche Musik — ob man’s nun rockigen Punk oder punkigen Rock nennen will, bleibt egal — hätte’s schon verdient. Und wenn dem einen oder anderen die Texte zu platt sind — so ganz unberechtigt ist der Einwand sicher nicht -: Wie viel Differenzierung verträgt denn ein Lied? Denn das ist es ja, was wir hier haben: politische Lieder. Immer kritisch, immer politisch, immer auch anklagend und gerne etwas altklug, einen Tick besserwisserisch — ganz egal, ob es nun um Politik im engeren Sinn geht, um Wirtschaftsordnungen und ‑system (wie zum Beispiel in “Bundesagentur”), um Glaubenssysteme und ihre Auswirkungen (eben im oben zitierten “Glauberei”) oder um das eigene Altern — skeptisch bleiben die Fehlfarben immer noch, betrachten die Verheißungen der Gegenwart genauso mit Abstand wie Probleme und Auswüchse. Und “Herbstwind” gibt dem ganzen einen fast versöhnlichen (aber nur fast!), melancholich überhauchten, grandios faszinierenden Ausblick:
[…] Auf allen Plätzen stinkt’s nach Weihnachtsmarkt
Im Stadtbad übt man Dekompression
Wer kann, der fliegt in die Nachtsaison
[…] Aus Wolken von Chancen regnet Gift auf den Weg
Nebenwirkungen sind bisher nicht belegt
[…] Woanders wird ein Regime weggefegt
Besinnlichkeit versucht’s mit Fäusten aus Stahl
[…]
Fehlfarben: Xenophonie. Tapete Records. 2012.