Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: erfahrung

“das ist der gewinn, …

… den uns erfahrung giebt, dass wir nichts tre­f­flich­es uns denken, ohne sein ungestaltes gegen­theil.” — friedrich hölder­lin, hype­r­i­on oder der eremit in griechen­land, 17

“aber man lernt …

… die Welt und sich niemals zu Ende ken­nen, denn der Men­sch bleibt dumm und voll bösen Tra­cht­ens, wenn er auch Methusalems Jahre erre­ichen sollte.” — Lud­wig Tieck, Der Hex­en-Sab­bat, 89

wovon haruki murakami schreibt, wenn er vom laufen schreibt

ein schönes kleines buch, in dem so ziem­lich alles rund ums laufen ste­ht. und noch ganz nett geschrieben, klar und präzise, flüs­sig zu lesen.

das inter­es­sante sind hier aber natür­lich die inhalte, die reichen erfahrun­gen, die muraka­mi als langjähriger läufer gemacht. dabei geht es gar nicht so sehr um tech­nis­che details — das buch wen­det sich schließlich an ein all­ge­meines pub­likum, nicht nur an läufer. son­dern vor allem um per­sön­lich­es, um verän­derun­gen der eigen- und fremder­fahrung. natür­lich spie­len auch ver­meintliche kleinigkeit­en immer wieder hinein. etwa die auswahl passender schuhe, wenn muraka­mi vom “psy­chol­o­gis­chen vorteil” guter schuhe berichtet (übri­gens ist er, wie ich auch, offen­bar ein mizuno-fan).

muraka­mi ist zwar kein streak­läufer, prak­tiziert aber trotz­dem das tägliche laufen — mit unter­brechun­gen — als ziel und meth­ode. auch wieder ein sym­pa­this­ch­er zug an ihm. vor allem aber die offen­heit, mit der er nicht nur von den schmerzen des vor­bere­i­t­en­den train­ings berichtet, son­dern auch die erfahrung und ver­ar­beitung von nieder­la­gen erläutert, sind gute pas­sagen. ger­ade das let­ztere, die aus­dauernde und tiefe refk­lek­tion der nieder­lage — die ja beim laufen weniger mit dem “ver­lieren” im wet­tkampf  als mit dem nichter­re­ichen eines per­sön­lichen zieles zusam­men­hängt — ist wohl etwas wirk­lich läufer­typ­is­ches: läufer scheinen sich viel inten­siv­er mit diesen erfahrun­gen auseinan­derzuset­zen als andere hob­bysportler. wohl ein­fach deshalb, weil langstreck­en­läufer — wenn sie nicht außeror­dentliche begabun­gen sind — nie da herumkom­men, irgend­wann eine oder die andere zu erfahren. und im gegen­satz zu wet­tkampf- und/oder mannschaftss­portarten ist man halt immer wirk­lich selb­st schuld — es gibt sozusagen keine ausre­den. aber genau dieses moment ist es auch wieder, dass das laufen so wertvoll macht: man lernt, mit solchen rückschlä­gen umzuge­hen — man muss es ler­nen. man lernt sozusagen so etwas wie “demut”: auch wenn man auf der einen seite die erfahrung der enor­men leis­tungs­fähigkeit eines men­schlichen kör­pers (und ihrer steigerungs­fähigkeit) macht, so lernt man eben auch die gren­zen dieses kör­pers immer wieder ganz unmit­tel­bar ken­nen. das ist eine wesentliche erfahrung, die jed­er halb­wegs ambi­tion­ierte läufer macht. und die beschreibt muraka­mi sehr gut — ich glaube, anhand seines textes kön­nen das auch nichtläufer nachvol­lziehen …

auch die vielfälti­gen verän­derun­gen durch und im laufen kom­men bei ihm nicht zu kurz: die verän­derun­gen der wahrnehmung etwas, von sich selb­st und der umge­bung, die man anders — inten­siv­er gar nicht unbe­d­ingt, aber direk­ter, näher — erfährt — z.b. den wan­del der zeit, der jahreszeit­en, der jahre … natür­lich auch die verän­derun­gen des eige­nen kör­pers. aber auch die verän­derun­gen des “geistes” — die (konzentrations-)stärke (die hm die par­al­lele zum schreiben ziehen lässt) zum beispielt, das durch­hal­tev­er­mö­gen, die forderung der eige­nen fähigkeit­en, die aus­lo­tung von gren­zen und der ver­such, diese gren­zen im rah­men der möglichkeit­en zu ver­schieben. all das ste­ht in diesem kleinen, sym­pa­this­chen büch­lein auf ganz unauf­dringliche, per­sön­lich gefärbte weise geschrieben.

haru­ki muraka­mi: wovon ich rede, wenn ich vom laufen rede. köln: dumont 2008.

der ultramarathonmann

als vor­bere­itung auf den rennsteig-super­marathon sozusagen schon ein­mal passende lek­türe: dean kar­nazes’ ultra­ma­rathon­man. aus dem leben eines 24-stun­den-läufers (riva 2008). einige beein­druck­ende lauf­schilderun­gen ver­sam­melt er dort, vor allem die erfahrung seines ersten offiziellen ultras, des 100 meilen-laufes west­ern states endurance. danach wird’s dann etwas, nun­ja, ver­rückt: bad­wa­ter halte ich ja schon für gren­zw­er­tig, aber einen marathon zum süd­pol — das ist schon etwas selt­sam. und es hat ja selb­st für solche läufer nur mit biegen und brechen funk­tion­iert. anson­sten ganz nettes büch­lein (lei­der nicht sehr inspierend über­set­zt — höhenangaben in fuß helfen mir nicht sehr viel …), das immer wieder um den gedanken kreist, warum men­schen eigentlich solche extreme dinge tun. und das vor allem so ehrlich ist, darauf keine wirk­liche antwort zu haben. angenehm auch, dass er rein auf sich selb­st fix­iert bleibt: platzierun­gen und ergeb­nisse spie­len (fast) gar keine rolle: hier — zumin­d­est in dem buch — geht es kar­nazes um das erleb­nis des laufens, die erfahrung der über­win­dung aller möglichen schmerzen …

so einiges wahres ste­ht da drin: “Laufen bedeutete in erster Lin­ie: raus­ge­hen und Erfahrun­gen sam­meln. Ich sah, wie Gebäude ent­standen, wie die Vögel nach Süden zogen, un ich Wech­sel der Jahreszeit­en sah ich die Blät­ter fall­en und die Tage kürz­er wer­den” (s. 30) — es ist im prinzip banal und so ziem­lich jed­er läufer hat dies wohl schon bemerkt. aber es stimmt. naja, von der art gibt es eine menge beobach­tun­gen und mei­n­un­gen hier.

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