Schlagwort: ausbildung
Ins Netz gegangen am 5.9.:
- US and UK spy agencies defeat privacy and security on the internet | theguardian.com — Wer jetzt noch glaubt, das sei ja alles nicht so schlimm, was Amerikaner und Briten beim Lauschen und Abhören treiben, sollte wohl wirklich in den Wald gehen:
The documents show that the agency has already achieved another of the goals laid out in the budget request: to influence the international standards upon which encryption systems rely.
Independent security experts have long suspected that the NSA has been introducing weaknesses into security standards, a fact confirmed for the first time by another secret document. It shows the agency worked covertly to get its own version of a draft security standard issued by the US National Institute of Standards and Technology approved for worldwide use in 2006.
[…]“Project Bullrun deals with NSA’s abilities to defeat the encryption used in specific network communication technologies. Bullrun involves multiple sources, all of which are extremely sensitive.” The document reveals that the agency has capabilities against widely used online protocols, such as HTTPS, voice-over-IP and Secure Sockets Layer (SSL), used to protect online shopping and banking.
- N.S.A. Foils Much Internet Encryption — NYTimes.com — Auch die NYT berichtet über die Möglichkeiten der NSA, Verschlüsselungen zu knacken:
The National Security Agency is winning its long-running secret war on encryption, using supercomputers, technical trickery, court orders and behind-the-scenes persuasion to undermine the major tools protecting the privacy of everyday communications in the Internet age, according to newly disclosed documents.
[…] By this year, the Sigint Enabling Project had found ways inside some of the encryption chips that scramble information for businesses and governments, either by working with chipmakers to insert back doors or by surreptitiously exploiting existing security flaws, according to the documents. The agency also expected to gain full unencrypted access to an unnamed major Internet phone call and text service; to a Middle Eastern Internet service; and to the communications of three foreign governments. - TV-Wahlkampf: Nur was für Pensionäre | ZEIT ONLINE — Khue Pham über Wahlen, Wahlkampf und Fernsehen:
Deutschland, so die Kanzlerin und der Kandidat, gehe es gut. Doch wie gut kann es uns gehen, wenn sich der größte Streitpunkt an Pensionen entzündet? Ist das die einzige Zukunftsvision, die sie sich, uns und diesem Land zutrauen?
- Eine militärische Intervention in Syrien wäre nicht legal — Sven Simon über die Legalität einer (wie auch immer gearteten) militärischen Intervention in Syrien als Reaktion auf den Einsatz von chemischen Waffen:
Ein nicht vom Sicherheitsrat autorisierter Militärschlag gegen Syrien bleibt also völkerrechtlich grundsätzlich verboten – unabhängig davon ob der Einsatz chemischer Waffen nachgewiesen werden kann oder nicht. Ob der Sicherheitsrat eine militärische Intervention explizit ablehnt oder erst gar nicht über ein militärisches Eingreifen abgestimmt wird, ist für die völkerrechtliche Bewertung nicht entscheidend. Aber weder der US-amerikanische Präsident noch der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika ist zu einer „Strafaktion“ berechtigt.
- Im Gespräch: Julian Nida-Rümelin: „Wir sollten den Akademisierungswahn stoppen“ — FAZ — Julian Nida-Rümelin im Interview über Bildung, Ausbildung, Universitäten, Markt und Person und die Veränderungen der letzten Jahre in Deutschland, inklusive PISA (“Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie, dass das ganze Pisa-Programm auf berufliche Verwertbarkeit und nicht auf Persönlichkeitsbildung ausgerichtet ist”):
Es findet gegenwärtig keine Bildungsexpansion statt, die soziale Selektivität in Deutschland ist skandalös hoch, höher als in den siebziger Jahren. Ich bin sehr für eine durchdachte Bildungsexpansion. Wir werden bald 60 Prozent Studienberechtigte pro Jahrgang haben, in manchen Städten liegen wir schon bei 70 Prozent. Meine These ist, dass sich daraus eine neue Qualität ergibt — eine negative. Wir gefährden den Kern des deutschen Wirtschaftsmodells, die auf exzellenten Qualifikationen begründeten mittelständischen Unternehmen, die auf dem Weltmarkt mitspielen können.
Schön, dass er sich auch von der FAZ nicht in die parteipolitische Ecke (SPD) abdrängen lässt …
soviel gleich vorweg: eine theorie der unbildung hat konrad paul liessmann nicht geschrieben — auch wenn er seinen groß-essay so übertitel hat. was er aber sehr schön und pointiert macht: mit dem mythos, eine wissensgesellschaft zeichne sich durch viel und hohe bildung aus, gründlich aufzuräumen. er tut dies durchaus sehr pointiert. wenn auch nicht außergewöhnlich originell.
am hervorstechendsten ist schon seine analyse der augenblicklichen misere (auch er muss natürlich anerkennen, dass sich das system der (aus-)bildung permanent in der krise befindet) als eine erscheinung der unbildung, die — im gegensatz zu den reformversuchen der nachkriegszeit — vollkommen auf den anschluss an den begriff der bildung verzichtet, auch in der negation nicht mehr auf ihn rekurriert (und damit unterschieden ist von dem, was liessmann in anschluss an adorno als halbbildung klassifiziert).
von dort aus ist es liessmann dann ein leichtes, einige der gröberen missstände anzuprangern und vorzuführen: das unentwegte schielen nach ranglistenpositionen etwa, dass mit bildung nie etwas zu tun haben kann, da diese als qualität prinzipiell nicht quantifizierbar sei und damit auch nicht in ranglisten oder ähnlich ordnungen überführt werden könne. oder die krankheit der evaluation, die auf dem gleichen missverständnis beruht, zusätzlich allerdings besonders deutlich auch noch geheime normative vorgaben (schon durch die art der fragen) entwickelt und etabliert. und immer wieder: der gegensatz von wissen als verfügbarkeit von informationspartikeln und bildung (im klassischen, humanistischen sinn, unter direktem rückgriff auf wilhelm von humboldts ideen und ideale).
der mangel an diesem versuch wie bei allen ähnlichen unternehmungen: sie kommen immer zu spät (ein vorwurf, der liessmann unbedingt treffen muss — er ist schließlich teil des missstandes), sie sind immer zu gebildet und speziell, um gehört zu finden. und hat durchaus auch einige lose enden (zum beispiel bei seinem angriff auf die rechtschreibreform — warum die neue rechtschreibung unbedingt weniger ästhetisch sein soll als die alte erschließt sich mir überhaupt nicht — vielleicht bin ich dafür aber auch zu sehr pragmatiker). alles in allem: eine lesenwerte streitschrift für bildung und gegen die verdummungsbemühungen der informierten wissensgesellschaft.
konrad paul liessmann: theorie der unbildung. wien: zsolnay 2006.
bei der taz gibt es online ein interview von robert misik mit liessmann.
und noch ein p.s.: wie fragil und flüchtig wissen auch in der sogenannten wissensgesellschaft (oder gerade hier) ist, lässt sich an liessmanns büchlein exzellent beobachten: das ist nämlich grottenschlecht gesetzt — unter missachtung der eigentlich immer noch gültigen satzregeln. zum beispiel habe ich selten ein buch eines immerhin renommierten verlags gelesen, in dem es dermaßen auffällig von schusterjungen wimmelt. und in dem es nicht nur einmal vorkommt, dass fußnoten nicht nur auf der falschen seite, sondern tatsächlich auf der falschen doppelseite platziert sind (also zwischen dem fußnotenzeichen und der fußnote ein zwangsweises umblättern liegt) — so ein mist sollte doch eigentlich jedem lehrling in der ersten woche abgewöhnt worden sein …
p.p.s.: ganz passend habe ich gerade auf telepolis ein artikel gefunden, der hier perfekt passt (vor allem zu liessmanns viertem kapitel, der wahn der rangliste): „die welt in zahlen — Rankings gehören zu den wirkmächtigsten Mythen des neoliberalen Alltags”. dort heißt es unter anderem: „Rankings formen die Wirklichkeit, die sie zu messen vorgeben”. ansonsten steht da (wie so oft) kaum etwas bemerkenswertes drin. aber die koinzidenz mit meiner lektüre war doch wieder einmal bemerkenswert …