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Schlagwort: akademie

Netzfunde der letzten Tage (1.5.–6.5.)

Meine Net­z­funde für die Zeit vom 1.5. zum 6.5.:

händel war in arkadien — und ich auch (fast)

An Hän­del-Auf­führun­gen herrscht in diesem Jahr, der 250. Wiederkehr seines Todes, kein Man­gel. Aber lei­der sind nicht alle diese Konz­erte so klug geplant und so sachver­ständig und engagiert umge­set­zt wie das, was die Vil­la Musi­ca im Erthaler Hof bot. Mit der Mainz­er Gesang­spro­fes­sorin Clau­dia Eder und neun jun­gen Sän­gerin­nen und Sängern haben sie ein Pro­gramm entwick­elt, das etwas auch in diesem Hän­del-Jahr recht seltenes vor­führt: “Hän­del in Arka­di­en”.

Denn als der junge Kom­pon­ist vor drei­hun­dert Jahren einige Zeit in Rom weilte, war er rasch Teil der dor­ti­gen Kul­turszene gewor­den, mit ihren Akademien und den Pri­vatkonz­erten der Kardinäle und Adli­gen. Für diese Ver­anstal­tun­gen kom­ponierte er Solokan­tat­en und Kam­mer­duette, die sich immer wieder mit dem Liebesleben in Arka­di­en beschäftigten: Hän­del im träumerischen Idyll der Schäfer und Nymphen also – kein oft zu hören­des Bild.

Und der Erthaler Hof mit seinem prächti­gen Saal und der inti­men Atmo­sphäre war ein ide­al­er Ort, diese Musik und ihre Entste­hung sowie ihre erste Auf­führun­gen wieder frisch aufleben zu lassen. Ide­al war aber noch viel mehr: Die sorgsam durch­dachte Pro­gram­mgestal­tung, die klu­gen Ein­führun­gen von Karl Böh­mer – und nicht zulet­zt immer wieder die Musik selb­st. Zum Beispiel die bei­den Coun­tertenöre Dim­it­ry Egorov und Kyoung-Bae Choi, die die zu Hän­dels Zeit­en üblichen Kas­trat­en erset­zten: Zwei ganz ver­schiedene Sänger, die bei­de das Pub­likum zu verza­ubern wussten.

Über­haupt war es ein Genuss, so viele unter­schiedliche Stim­men an einem Abend zu belauschen. Alle waren sie tech­nisch – auch in den anspruchsvollen Par­tien – sich­er, aber immer mit eigen­em Charak­ter. Elvi­ra Hasanag­ic sang die Kan­tate „La Lucrezia“ etwa mit großem Dra­ma und viel inner­er, ganz aus Text und Musik entwick­el­ter Span­nung. Eher ver­hal­ten blieb dage­gen Maria Piz­zu­to in der Kan­tate „La bian­ca rosa“, während Kirsty Swift den Aufruhr und die kriegerische Stim­mung von „Men­tre tut­to è in furore“ mit echtem Furor und sicher­er Stimm­be­herrschung vortrug.

Aber alle einte das ver­lock­ende Bemühen, die Zuhör­er hineinzuziehen in die Musikprax­is früher­er Zeit­en. Diese sub­tile Ver­führung betrieben dabei nicht nur die jun­gen Sän­gerin­nen und Sänger, son­dern auch die bei­den Instru­men­tal­is­ten: Der vortr­e­f­fliche und gewitzte Cem­bal­ist Chris­t­ian Rieger und der uner­schüt­ter­liche Michail Ury­vaev am Cel­lo, die den Bas­so con­tin­uo nicht nur informiert, son­dern auch sehr inspiri­ert umset­zten. Das alles zusam­men ergab dann fast so etwas wie ein ide­ales Konz­ert: Ein arkadis­ch­er Genuss eben.
(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

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