An Händel-Aufführungen herrscht in diesem Jahr, der 250. Wiederkehr seines Todes, kein Mangel. Aber leider sind nicht alle diese Konzerte so klug geplant und so sachverständig und engagiert umgesetzt wie das, was die Villa Musica im Erthaler Hof bot. Mit der Mainzer Gesangsprofessorin Claudia Eder und neun jungen Sängerinnen und Sängern haben sie ein Programm entwickelt, das etwas auch in diesem Händel-Jahr recht seltenes vorführt: “Händel in Arkadien”.
Denn als der junge Komponist vor dreihundert Jahren einige Zeit in Rom weilte, war er rasch Teil der dortigen Kulturszene geworden, mit ihren Akademien und den Privatkonzerten der Kardinäle und Adligen. Für diese Veranstaltungen komponierte er Solokantaten und Kammerduette, die sich immer wieder mit dem Liebesleben in Arkadien beschäftigten: Händel im träumerischen Idyll der Schäfer und Nymphen also – kein oft zu hörendes Bild.
Und der Erthaler Hof mit seinem prächtigen Saal und der intimen Atmosphäre war ein idealer Ort, diese Musik und ihre Entstehung sowie ihre erste Aufführungen wieder frisch aufleben zu lassen. Ideal war aber noch viel mehr: Die sorgsam durchdachte Programmgestaltung, die klugen Einführungen von Karl Böhmer – und nicht zuletzt immer wieder die Musik selbst. Zum Beispiel die beiden Countertenöre Dimitry Egorov und Kyoung-Bae Choi, die die zu Händels Zeiten üblichen Kastraten ersetzten: Zwei ganz verschiedene Sänger, die beide das Publikum zu verzaubern wussten.
Überhaupt war es ein Genuss, so viele unterschiedliche Stimmen an einem Abend zu belauschen. Alle waren sie technisch – auch in den anspruchsvollen Partien – sicher, aber immer mit eigenem Charakter. Elvira Hasanagic sang die Kantate „La Lucrezia“ etwa mit großem Drama und viel innerer, ganz aus Text und Musik entwickelter Spannung. Eher verhalten blieb dagegen Maria Pizzuto in der Kantate „La bianca rosa“, während Kirsty Swift den Aufruhr und die kriegerische Stimmung von „Mentre tutto è in furore“ mit echtem Furor und sicherer Stimmbeherrschung vortrug.
Aber alle einte das verlockende Bemühen, die Zuhörer hineinzuziehen in die Musikpraxis früherer Zeiten. Diese subtile Verführung betrieben dabei nicht nur die jungen Sängerinnen und Sänger, sondern auch die beiden Instrumentalisten: Der vortreffliche und gewitzte Cembalist Christian Rieger und der unerschütterliche Michail Uryvaev am Cello, die den Basso continuo nicht nur informiert, sondern auch sehr inspiriert umsetzten. Das alles zusammen ergab dann fast so etwas wie ein ideales Konzert: Ein arkadischer Genuss eben.
(geschrieben für die mainzer rhein-zeitung)