es geht doch nichts über pure größe. zumin­d­est dann nicht, wenn man den „can­to gen­er­al“, den „großen gesang“ von mikis theodor­akis auf die bühne brin­gen will.

und gerd rix­mann, musik­lehrer an der guten­bergschule in wies­baden, will genau das: eine bühne bauen, mit musik, tanz und film – auch wenn theodor­akis eigentlich nur ein ora­to­ri­um schrieb. aber das reicht ihm ein­fach nicht — was groß ist, lässt sich auch noch ver­größern. es ist nicht das erste mal, dass er so ein unternehmen als chor­pro­jekt startet: seit 1993 ist es bere­its das fün­fte, wenn auch die vorgänger nicht ganz so groß und mul­ti­me­di­al waren. begonnen hat es mit ein­er „carmi­na burana“, dann kam die „schöp­fung“ als eine art „chorthe­ater“ — „aber das hat nicht so richtig gut funk­tion­iert“, geste­ht rix­mann ein. das theodor­akis-pro­jekt hat für das pub­likum zumin­d­est ziem­lich gut funk­tion­iert und ist sehr bejubelt wor­den bei der pre­miere im ausverkauften wies­baden­er kurhaus.

das beson­dere dieses pro­jek­tes ist freilich nicht (nur) seine größe, son­dern auch seine organ­i­sa­tion. denn rix­mann geht zwar von den ressourcen sein­er schule, vor allem den von ihm geleit­eten schulchören, aus. doch er weit­et das ganze noch erhe­blich aus: ein zusät­zlich­er pro­jek­tchor ver­dop­pelt die sängerzahl auf rund 300 stim­men. hier ver­sam­meln sich ehe­ma­lige, inter­essierte und sänger aus anderen chören, im alter von 14 bis 75 jahren. für rix­mann ist das auch ein mit­tel, sich von den vie­len anderen leis­tungsstarken chören der region abzuset­zen, ein eigenes pro­fil zu entwick­eln. und es scheintzu klap­pen – schließlich sind nach den schnup­per­proben und einem dreivier­tel jahr sam­stäglich­er proben noch 150 sänger im pro­jek­tchor und erfahren dort die „beglück­ung des immer wieder sin­gens.“ auch für die anderen teile der auf­führung ziegt rix­mann frei­willige hinzu: „die leute sind sehr offen für ideen“, sagt er, „wenn man auf sie zuge­ht.“ er kann dabei sowohl auf die kon­tak­te aus sein­er lan­gen prax­is zurück­greifen als auch gezielt suchen. der regis­seur eduar­do lain­os ist etwa ein schüler­vater, die zweite tanz­gruppe wird von einem chile­nen geleit­et, den entwick­ler des films hart­mut jahn hat er sich extra aus­ge­sucht.

so wird im grunde in der umfassenden und nicht alltäglichen kom­bi­na­tion von musik, gesang, tanzthe­ater und film­por­jek­tio­nen ein ganz neues werk. er häuft pathos über pathos, mit allen mit­teln – eine ergreifende und angreifende sache. denn das immer ganz bewusst auch eine poli­tisch gedachte auf­führung, die sich eben nicht nur im wohlk­lang – den gibt es, da ist rix­mann dann als ver­siert­er chor­leit­er schon hin­ter­her, natür­lich auch — , son­dern eben auch in der huma­nen botschaft des can­to man­i­festiert: der freude an der beson­deren schön­heit des lan­des, der trauer über seine aus­nutzung und die dik­taturen, die gewis­sheit und hoff­nung auf eine mögliche bessere gesellschaft.

dafür hat er dem „can­to gen­er­al“ auch seine eigene dra­maturgie ver­passt und die rei­hen­folge geän­dert: er möchte eine „kleine geschichte erzählen“, von der entste­hung amerikas, der liebe zum land, von der natur und der mut­ter erde, von den tieren und natür­lich von den men­schen. rix­mann ken­nt sich damit bestens aus, schließlich hat er selb­st in den 70ern fünf jahre in südameri­ka, in uruguay, gelebt und hat vieles direkt erfahren – unter anderem die große verehrung des „can­to“ von neru­da in der südamerikanis­chen bevölkerung und die bedrück­ung durch dik­taturen.

die geschichte ergibt sich vor allem aus den chore­o­gra­phien von eduar­do lain­os, der

mit seinen 60 tänz­ern, laien und profis gle­icher­maßen, in mosaik-art lauter kleine geschicht­en geschaf­fen: mal plas­tisch, mal ver­schwiegen-sym­bol­isch. genau­so eigen­ständig funk­tion­iert der film, den zwei stu­den­ten unter leitung von hart­mut jahn, pro­fes­sor für video & film an der fach­hochschule in mainz, als semes­ter­ar­beit ange­fer­tig haben: reflex­io­nen über text und musik des „can­to“, die sowohl in form abstrak­ter sequen­zen als auch konkreter bilder den abend begleit­en.

die organ­i­sa­tion eines solchen pro­jek­tes ist aber auch ein enormer aufwand für eine per­son: „das kann man nicht ein­fach so machen“, geste­ht der diri­gent, „das kostet mich ein halbes jahr meines lebens.“ denn alle fäden laufen immer bei ihm zusam­men, ob es um den büh­ne­nauf­bau, die kostüme oder die musik geht – neben­bei muss er ja auch noch dirigieren. und immer­hin richt­en sich fast 400 mitwirk­ende nach seinem stab – und das klappt erstaunlich rei­bungs­los. als solis­ten kon­nte rix­mann die zwei wies­baden­er sänger her­anziehen: kat­ja boost run­dem, fül­ligem alt und den in jed­er sit­u­a­tion bril­lanten bari­ton eike wim schulte. und das alles simul­tan ergibt eben pathos pur.