im original zwar nur eine abo-werbe-kampagne, aber auch davon losgelöst eine sehr schöne und nett umgesetzte idee:
kategorischer medienimperativ
der kategorische medienimperativ lautet in seiner aktuellen, vom bundestag ende 2009 als gesetz verabschiedeten form:
äußere dich in den medien so, als könnten deine forderungen jederzeit auch auf dich selber appliziert werden.
dem gesetzgebungsverfahren war eine öffentliche diskussion im gefolge dreier tragischer ereignisse vorausgegangen:
während der fußballweltmeisterschaft 2006 wurde verteidigungsminister jung, nachdem er lautstark für flugzeugabschüsse in gefahrensituationen gekämpft und diese schließlich durchgesetzt hatte, beim diensthubschrauberanflug auf den betzenberg von einer flakeinheit versehentlich für eine terroristenwaffe gehalten und eliminiert.
mitte 2008 wurde innenminister wolfgang schäuble, der sich für die verwendbarkeit von unter folter erpressten geständnissen stark gemacht und diese auch erreicht hatte, von unbekannten verschleppt und derart gefoltert, dass aufgrund der von den entführern veröffentlichten aussagen sowohl er selbst als auch altbundeskanzler helmut kohl, ministerpräsident roland koch und einige andere cdu-politiker zu langjährigen haftstrafen verurteilt werden konnten.
fast zeitgleich geschah es, dass ex-innenminister otto schily für eine dringende herzoperation in kanada auf ein bestimmtes flugzeug gemusst hätte, infolge eines technischen defekts im von ihm selber eingeführten biometrischen personalausweis jedoch nicht durch die absperrung gelassen wurde. obwohl ihn jeder gleich erkannte, konnte er die maschine nicht betreten und erlitt vor aufregung einen herzanfall.
in allen fällen hatten die opfer bis zum schluss zu ihrer sicherheitspolitischen mission gestanden (schilys letzte worte: »recht so, ich könnte schließlich genauso gut ein terrorist sein.«) und dafür viel beifall bekommen. dennoch entspann sich in der folge eine debatte darüber, wie man öffentliche interessenvertreter künftig besser vor den konsequenzen ihrer interventionen schützen könne. diese mündete dann in der legislativen verankerung der obigen maxime.
gut zwei jahre nach der einführung ist die bilanz gespalten. tonangebende medienformate wie die sabine-christiansen-show, die maybrit-lllner-show oder die kommentarspalten der frankfurter allgemeinen zeitung mussten kurz nach inkrafttreten der regelung komplett eingestellt werden, wodurch hochdotierte arbeitsplätze vernichtet wurden. wichtige gesellschaftliche stimmen sind verstummt (z. b. dieter hundt, ex-präsident des bundesverbandes der deutschen arbeitgeberverbände: »dann hätte ich ja selber unter solchen bedingungen leben müssen, wie ich sie für arbeitsnehmer fordere. ich bin doch nicht verrückt, da halte ich doch lieber meinen mundt.«). auf der anderen seite stößt das gesetz durchaus auch auf akzeptanz – gerade unter jüngeren. aufsehen erregte jüngst der fall eines jungunternehmerverbandsvertreters, der in einer radiodiskussion eine anruferin, die ihre überlebensstrategien auf hartz vi geschildert hatte, für ihre vorbildliche eigeninitiative lobte. gleich der nächste anruf kam vom kategorischen medienimperativsüberwachungsamt, das dem verbandsvertreter per computerstimme mitteilte, sein vermögen und papis erbteil seien konfisziert, er sei ab sofort auf hartz iv und könne nun die von ihm für vorbildlich erklärte eigeninitiative zeigen. woraufhin der junge mann in einen weinkrampf ausbrach und »ich widerrufe!« schrie.
(aus: testcard #15, s. 302)
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