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bücherstapel

Aus-Lese #55

Ernst Bau­man: In die Berge! Alpine Fotografie der 1920er und 1930er Jahre. Her­aus­gegeben von Alfred Bülles­bach udn Rudolf Schicht. München: morisel 2019. 125 Seit­en. ISBN 978–3‑943915–37‑2.

baumann, in die berge (cover)Eine Rezen­sion in der Süd­deutschen Zeitung hat mich auf dieses schöne und span­nende Foto­buch aufmerk­sam gemacht. Die Geschichte der Fotografie ist ja nun nicht ger­ade ein Gebi­et, mit dem ich mich auskenne oder über­haupt irgend­wie beschäftigt habe. Trotz­dem (oder deshalb) macht das Buch viel Spaß. Dazu trägt auch nicht uner­he­blich die sehr infor­ma­tive (und selb­st schon reich bebilderte) Ein­führung von Alfred Bülles­bach bei, die es schafft, auch Laien der Fotografiegeschichte wie mir die Zusam­men­hänge, in den Bau­mann in den 20er und 30er Jahrend (und auch noch nach dem Zweit­en Weltkrieg) arbeit­ete, aufzuzeigen. Dazu gehört nicht nur die wirtschaftliche SIt­u­a­tion freier Fotografen, son­dern auch die Verbindung der Fotografie mit den Bergen, die zunehmende, zu dieser Zeit ja ger­ade in Schwung kom­mende touris­tis­che Erschließung der Alpen (durch den Bau von entsprechen­der Infra­struk­tur, durch den Urlaub­sanspruch der Angestell­ten und natür­lich auch durch die ökonomis­chen Möglichkeit­en bre­it­er­er Bevölkerungss­chicht­en, entsprechende Fahrten und Urlaube zu unternehmen), die als Hin­ter­grund für Bau­manns Fotos unab­d­ing­bar sind. Auch gefall­en hat mir, die Beto­nung der Rel­e­vanz der Bergfilme für die Zeit — nicht nur für das Bild der Berge in der Bevölkerung, son­dern auch als wirtschaftlich­es Stand­bein für nicht wenige Beteiligte

Die Fotos selb­st scheinen mir dann dur­chaus einen eige­nen Blick von Bau­mann zu ver­rat­en (mit dem bere­its erwäh­n­ten caveat, dass ich da über wenig Hin­ter­grund ver­füge): Ganz eigen, vor allem vor dem Hin­ter­grund der gegen­wär­ti­gen Extrem-Ver­mark­tung der Berge als spek­takulärster Spielplatz der Welt, ist die stille Ruhe und Gelassen­heit der Schön­heit der Berge (und auch ihrer Besuch­er, möchte ich sage, Besteiger oder Bezwinger wäre für die hier abge­bilde­ten Men­schen und ihre Hal­tung wohl der falsche Aus­druck, viel zu entspan­nt und zurück­hal­tend-freudi­ge treten sie mir vors Auge).

Ger­ade im Ver­gle­ich zu heuti­gen bildlichen Darstel­lung von Bergen und den Men­schen auf ihnen sieht das hier zahm aus. Auch, weil das eigentliche Erschließen der und das Bewe­gen in den Bergen eher ein Randthe­ma bleibt. Und weil es ver­gle­ich­sweise harm­lose Gipfel der Alpen sidn — aber, und das ist eben der Witz, den­noch unvergesslich in Szene geset­zt. Wahrschein­lich spielt auch die Schwarz-Weiß-Fotografie eine Rolle, wohl ger­ade bei den auf­tauchen­den Per­son­e­nen, die dadurch eine andere Schärfe und Kon­turierung zu haben scheinen als in den späteren Farb­fo­tografien (so ist zumin­d­est mein eigen­er Ein­druck …).

Chris­t­ian Neuhäuser: Wie reich darf man sein? Über Gier, Neid und Gerechtigkeit. 3. Auflage. Ditzin­gen: Reclam 2019 (Was bedeutet das alles?). 89 Seit­en. ISBN 978–3‑15–019602‑1

Neuhäuser, Wie reich darf man sein? (Cover)Neuhäuser betra­chtet Reich­tum und damit zusam­men­hän­gende Tugen­den und Prob­leme wie Gier, Gerechtigkeit, und Neid — der Titel ist hier tat­säch­lich sehr genau. Er argu­men­tiert dabei vor allem moral­philosophisch. Ökonomis­che, poli­tis­che und/oder soziale Kri­te­rien spie­len nur am Rand eine Rolle. Und den­noch ist das natür­lich — das bleibt bei dem The­ma und auch bei seinem Zugang gar nicht aus — natür­lich ein poli­tis­ches Buch, dass vor allem Super­re­iche für ihn unter moralis­chen, philosophis­chen und gesellschaftlichen (und damit ja auch poli­tis­chen) Aspek­ten dur­chaus kri­tisch zu betra­chen sind. Dabei geht es ihm aber über­haupt nicht um die Per­so­n­en, son­dern um die sich an ihnen man­i­festieren­den Reichtümer — und damit auch die Unter­schiede, die Gren­zen. Und das hängt eben oft mit Ungerechtigkeit­en zusam­men. Eines sein­er Kernar­gu­mente ist, dass Super­re­ich­tum — im Gegen­satz zu Wohl­stand und Reich­tum — nicht (mehr) ver­di­ent sein kann und damit moral­philosophisch ein Prob­lem ist.

Ein biss­chen schade ist, dass Neuhäuser dabei oft nicht sehr in die Tiefe geht: Das ist manch­mal etwas plaud­ernd ger­at­en — was nicht heißt, dass Neuhäuser mit sein­er Argu­men­ta­tion falsch läge. Aber manch­es scheint mir nicht zu ende gedacht/geschrieben, zumin­d­est in diesem Büch­lein (es ist ja nun nicht die einzige Auseinan­der­set­zung des Autors mit diesem The­ma).

Björn Kuh­ligk: Die Sprache von Gibral­tar. Gedichte. München: Hanser Berlin 2016. 85 Seit­en. ISBN 978–3‑446–25291‑2.

kuhligk, sprache von gibraltar (cover)Kuh­ligk habe ich bish­er eher am Rande wahrgenom­men: Dur­chaus offen­bar ansprechende Qual­itäten im lit­er­arischen Schreiben, aber nicht mein drin­gen­ster Lek­türewun­sch. Die Sprache von Gibral­tar kön­nte das ändern. Das ist näm­lich ein feines Buch.

Ganz beson­ders der erste Teil, der titel­gebende Zyk­lus über Gibral­tar und die europäis­che Enklave dort, ist richtig gut. Das ist keine über­mäßige Betrof­fen­heit­slit­er­atur, der man die Bemühtheit an jedem Wort anmerkt. Aber es ist ein genaues Hin­schauen (was an sich schon dur­chaus eine lohnenswerte Leis­tung wäre). Und es ist vor allem die Fähigkeit, aus dem Hin­schauen, aus der Absur­dität und auch der Grausamkeit der Welt in diesem kleinen Ort eine poet­is­che Sprache zu find­en und zu bilden. Damit lässt Kuh­ligk auch immer wieder die zwei Wel­ten aufeinan­der prallen und sich nicht nur heftig aneinan­der reiben, son­dern krachend miteinan­der Ver­hak­en.

Sehr passend scheint mir auch das (son­st bei Kuh­ligk meines Wis­sens nicht vorherrschend, sog­ar sehr sel­ten einge­set­zte) Mit­tel der lan­gen, erschöpfend­en, ermü­den­den Rei­hung in diesem Zyk­lus einge­set­zt zu wein — etwa die sehr ein­drück­lich wirk­ende und genaue Litanei “wenn man …”.

Und dann gibt es auch noch in den restlichen Abschnit­ten, in der zweit­en Hälfte des Ban­des, gute und schöne Gedichte, die etwa sehr gelun­gen die Trost­losigkeit des Landlebens im “Dor­fkrug” (47) ein­fan­gen oder in der Dopplung von “Was wir haben” (50) und “Was fehlt” (51) beina­he so etwas wie eine unsen­ti­men­tale Land­schaft­slyrik entwick­eln.

wenn man das Wort „Kap­i­tal­is­mus“ ausspricht, ist im Mund viel los / wenn man Kohle hochträgt, trägt man Asche runter (35)

Jür­gen Kaube: Ist die Schule zu blöd für unsere Kinder? 2. Auflage. Berlin: Rowohlt Berlin 2019. 335 Seit­en. ISBN 978–3‑7371–0053‑3.

Kaube, Ist die Schule zu blöd (Cover)Nun ja. Das war eine eher ent­täuschende Lek­türe. Kaube beobachtet das Bil­dungssys­tem im weit­eren Sinne schon länger und hat sich auch immer wieder darüber geäußert, dur­chaus auch jen­seits der tae­sak­tuellen Anlässe. Seine kleine Schrift Im Reformhaus habe ich damals dur­chaus mit Gewinn gele­sen. Bei Ist die Schule zu blöd für unsere Kinder? ist das aber lei­der anders. Der Titel hätte ja schon eine War­nung sein kön­nen. Schon die ersten Seit­en und die anfänglichen Kapi­tel zeigen schnell ein Haupt­manko des Buch­es: viel Gerede, viel schöne Beispiele, aber eher wenig Sub­stanz.

Vor allem hat mich sehr schnell und recht nach­haltig gen­ervt, wie selek­tiv er liest/wahrnimmt und dann lei­der auch argu­men­tiert. Das wird zum Beispiel in Bezug auf Bil­dungsem­pirik­er (für ihn ja fast ein Schimpf­wort) sehr deut­lich, aber auch in seinen aus­g­wählten Bezü­gen auf Bil­dung­sun­gle­ich­heit und Chan­ce­nun­gle­ich­heit im Bil­dungs­bere­ich. Das ist ja eines sein­er Haup­tar­gu­mente hier: Dass die Schule nicht dafür da ist, Ungle­ich­heit zu beseit­i­gen, dass sie von Politiker*innen zunehmend dazu “benutzt” wird, soziale Prob­leme zu lösen. Ich kann ihm ja dur­chaus darin (cum gra­no salis) zus­tim­men, dass die Schule das kaum leis­ten kann. Ich bin mir aber nicht so sich­er, ob das wirk­lich ein so bes­tim­mendes Motiv der Bil­dungspoli­tik und so sehr ein wirk­lich­es Prob­lem ist. Jeden­falls haben diese Nach­läs­sigkeit­en mir es dann aus­ge­sprochen schw­er gemacht, die pos­i­tiv­en Aspek­te wirk­lich zu würdi­gen (die aber dur­chaus vorhan­den sind, nur lei­der eben etwas begraben unter dem ein­seit­i­gen, schimpfend­en Gewet­ter Kaubes).

außer­dem gele­sen:

  • Lüt­fiye Güzel: sans trophée. Duis­burg, Berlin: go-güzel-pub­lish­ing 2019.
  • Siegfried Völl­ger: (so viel zeit hat nie­mand). Gedichte. München: Allit­era 2018 (Lyrikedi­tion 2000). 105 Seit­en. ISBN 978–3‑96233–075‑0.
  • Philipp Hübl: Bull­shit-Resistenz. 2. Auflage. Berlin: Nico­lai 2019 (Tugen­den für das 21. Jahrhun­dert). 109 154 Seit­en. ISBN 978–3‑96476–009‑8.
spinnennetz vor natur

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  • „Die Gesellschaft prof­i­tiert von unser­er Autonomie“ | FAZ → ein schönes, inter­es­santes, kluges inter­view mit der his­torik­erin bar­bara stoll­berg-rilinger

    Die ganze Gesellschaft prof­i­tiert von der Autonomie der Wis­senschaft. Die eigentliche Arbeit der His­torik­er ist mein­er Ansicht nach von solchem bürg­er­rechtlichen Engage­ment zu unter­schei­den. Indem man Geschichte nach his­torisch-kri­tis­chen Stan­dards schreibt, leis­tet man ja schon Aufk­lärungsar­beit.

  • Vor­bild Frank­furt: Restau­ra­tive Schiz­o­phre­nie| Merkur → ein sehr kluger und, trotz sein­er klaren posi­tion­ierung, unaufgeregter kom­men­tar von philipp oswalt zur rekon­struk­tion­sar­chitek­tur wie der frank­furter “neuen alt­stadt” (schon der name ist in sein­er ästhetis­chen grausamkeit ja beze­ich­nend)

    Es ist eine Medi­en­ar­chitek­tur, die aus tech­nis­chen Bildern gener­iert nun vor allem der Erzeu­gung neuer medi­aler Bilder dient. Auch son­st ist die Architek­tur keineswegs so tra­di­tionell, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Der Rohbau beste­ht – von den weni­gen Fach­w­erkhäusern abge­se­hen – aus Stahlbe­ton und Indus­trieziegeln, die Ausstat­tung umfasst Fuß­bo­den­heizung mit Fer­n­wärme, Dreifachver­glasung, mech­a­nis­che Lüf­tung, mod­ern geschnit­tene, offene Wohnküchen, umfan­gre­iche San­itär­räume und meist einen direk­ten Zugang zu den pri­vat­en Stellplätzen in der zuge­höri­gen Tief­garage.

    Nicht nur für die Bewohn­er, auch für die zeitk­nap­pen Fer­n­touris­ten aus Asien und Übersee ist die neue Alt­stadt die mod­erne Alter­na­tive, und so wird sie auch bewor­ben.

    […]

    Ob icon­ic build­ing oder Rekon­struk­tion his­torisch­er Baut­en – bei­des sind sym­bol­is­che Gesten zur Iden­tität­skon­struk­tion, wie sie seit den 1990er Jahren in Mode gekom­men sind.

    […] Der Staat hat sich aus der Fläche zurück­ge­zo­gen, und die vorherige Kohä­sion­spoli­tik wurde durch einen Inselur­ban­is­mus abgelöst, bei dem große Bere­iche der Stadt dereg­uliert und pri­vatisiert wer­den, während an aus­gewählten zen­tralen Orten kleine Inseln mit großer Kon­trolltiefe beplant wer­den. […]

    Mit dem Zer­fall ein­er im All­t­ag prak­tizierten Kohä­sion ist die Aufw­er­tung eines sym­bol­isch-medi­alen Ersatzes umso wichtiger.

    […]

    Doch die Alt­stadt Frank­furt ist keine überzeu­gende Antwort auf die drän­gen­den Fra­gen des heuti­gen Städte­baus, sie ist Teil des Prob­lems.

  • Im Ruck­sack: die Frei­heit | Oliv­er B. Weber → ein inter­es­san­ter essay über die spez­i­fis­che form des reisens der gegen­wär­ti­gen back­pack­er und die daraus entstehende/erwachsende “glob­al­i­ty”

    Der Back­pack­er ver­ste­ht sich als Zeitreisender. Er sucht die selige Ver­gan­gen­heit in geo­graphis­ch­er Ferne. Die Men­schen, die darin leben müssen, begutachtet er mit ein­er ambiva­len­ten Mis­chung aus Staunen und Her­ab­set­zung. Immer sel­tener hinge­hen ist ein tat­säch­lich ein­tre­tender habitueller Posi­tion­swech­sel des Beobachters. Woher kommt die häu­fige Blind­heit gegenüber der tat­säch­lichen Welt, zu deren Ent­deck­ung das Back­pack­ing ja ange­treten war?

  • Sehn­sucht nach Retro­topia | Zeit → ein kluger essay von nils mark­wardt über “Poli­tisierung der Nos­tal­gie” und die “Fetis­chisierung von Geschichte unter Aus­blendung von Geschichtlichkeit”:

    Im Angesicht der aktuellen Retro­ma­nia beste­ht die Auf­gabe darin, Geschichte als gle­icher­maßen bewussten wie pro­gres­siv­en Wieder­hol­ung­sprozess, nicht als bloßes Abstauben der Ver­gan­gen­heit zu ver­ste­hen.

  • Da läuft etwas ganz schief | Forschung & Lehre → der erziehungswis­senschaftler volk­er laden­thin hat genug von den man­gel­nden fähigkeit­en und ken­nt­nis­sen der aktuellen studieren­den (ich bin mir nicht sich­er, ob das in die kat­e­gorie “früher war alles bess­er” fällt oder ob es wirk­lich die real­ität trifft)

    Die Studieren­den sind über­aus fre­undlich und kom­mu­nika­tiv, im Zwiege­spräch sehr geschickt. Eben­so sind sie fleißig, gutwillig und kon­struk­tiv: Aber es lässt sich ein entwick­lungspsy­chol­o­gis­ches Prob­lem fest­stellen. Auf Grund der kog­ni­tiv­en Entwick­lung scheinen die Studieren­den in den Anfangsse­mes­tern mehrheitlich nicht in der Lage, kom­plexe, antin­o­mis­che und mul­ti­kausale Prozesse, wie sie heute in allen Wis­senschaften üblicher­weise beschrieben wer­den, angemessen aufzunehmen und Vorgänge streng aspek­t­ge­bun­den oder mul­ti­per­spek­tivisch zu betra­cht­en.

cobweb in sunlight

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    • Should pri­ma­ry schools teach phi­los­o­phy? | Durham Uni­ver­si­ty → philoso­phie­un­ter­richt hil­ft:

      We found that Phi­los­o­phy for Chil­dren has some promis­ing effects in improv­ing children’s social and com­mu­ni­ca­tion skills, team work, resilience and abil­i­ty to empathise with oth­ers. Inter­est­ing­ly, these pos­i­tive effects are more pro­found in chil­dren from dis­ad­van­taged groups.

    • Willst Du quälen? Frage „Wie weit bist Du?“ | Wild Dueck Blog → gunter dueck über die unsitte von man­agern, immer auskun­ft über gegen­wär­tige arbeit­en und zukün­ftige zeitliche entwick­lun­gen zu ver­lan­gen:

      Wer also eine Delle in den Zahlen hat, wird sofort mit zusät­zlich­er Arbeit über­häuft, die Delle zu logisch zu erk­lären. Das gelingt im Prinzip leicht, weil der Nach­fra­gende die Fein­heit­en ja nicht in den Zahlen ste­hen hat.

    • Ich wün­sche mir Mut zur Unter­schei­dung | FAZ → peter-andré alt (der ja ein augeze­ich­neter bio­graph ist …) als vor­sitzen­der der hochschul­rek­torenkon­ferenz im inter­view:

      Die Ten­denz zur Vere­in­heitlichung, wie wir sie in den let­zten fün­fzehn Jahren beobacht­en kon­nten, ist gefährlich, weil sie Uni­for­mität fördert. Das haben wir in manchen Bere­ichen der Exzel­len­zini­tia­tive beobacht­en kön­nen. Ich wün­sche mir mehr Mut zur Unter­schei­dung und auch mehr Unter­stützung dabei durch die Poli­tik. […] Ich halte ein ein­jähriges Studi­um Gen­erale vor dem Bach­e­lor für ein gutes Mit­tel. Es zeigt sich immer stärk­er, dass zahlre­iche Abi­turi­en­ten auf die Uni­ver­sität nicht vor­bere­it­et sind.

    • Absurde Elek­tri­fizierung | SZ → sebas­t­ian her­rmann hat ziem­lich recht, wenn er sich über die elek­tri­fizierung der fahrrän­der san­ft lustig macht. mir fehlt ja noch ein weit­eres argu­ment: “klas­sis­che” fahrradtech­nik kann man (mit etwas geschick) weit­ge­hend kom­plett selb­st warten und vor allem repari­eren — die neuen elek­tro­n­is­chen teile oft über­haupt nicht mehr .…

      Den­noch steckt Absur­dität im Konzept, Mechanik am Rad durch Elek­tron­ik zu erset­zen: Der unschlag­bare Vorteil des Fahrrads beste­ht schließlich darin, dass es seinem Fahrer Frei­heit schenkt — die Frei­heit, aus eigen­er Kraft jedes erwün­schte Ziel zu erre­ichen und unab­hängig von Ladek­a­beln oder Updates zu sein.

      Aufk­lärung ist riskantes Denken. Wir, die Erben, wollen dieses Risiko nicht mehr einge­hen. Wir wollen eigentlich keine Zukun­ft, wir wollen nur, dass unsere priv­i­legierte Gegen­wart nie aufhört, obwohl sie zuse­hends um uns herum bröck­elt und ges­pal­ten wird.

      Um das, was kommt, nicht zu erlei­den, son­dern zu gestal­ten, bedarf es nicht nur neuer Tech­nolo­gien und Effizien­zsteigerun­gen, kein­er hohen Mauern und kein­er Abschreck­ung, son­dern ein­er Trans­for­ma­tion des west­lichen Lebens­mod­ells, denn erst wenn Men­schen wieder einen real­is­tis­chen Grund zur Hoff­nung haben, wird die Angst ver­schwinden.

      Dafür brauchen wir den Mut, wieder etwas zu riskieren beim Nach­denken über die Welt und über die eigene Posi­tion in ihr. Die Aufk­lärung ist nötiger denn je, aber nicht in ihrer ratio­nal­is­tis­chen Veren­gung oder ihrer ökonomis­chen Par­o­die.

spinnennetz mit tautropfen

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  • Oh-ranien­platz, Ih-ranien­platz | taz → roland berg über die fehlende schöne/ästhetische gestal­tung von baut­en in der stadt heute:

    Und stets ori­en­tiert man sich dabei an der ver­meintlich „schö­nen“ Ver­gan­gen­heit. Zeit­genös­sisch-verbindliche Vorstel­lun­gen über das Schöne scheinen zu fehlen. Also das, was Immanuel Kant sein­erzeit „Gemeinsinn“ nan­nte. Heute scheint das Vor­mod­erne aus der Geschichte als einzige Norm für die Gegen­wart als verbindlich. Und selt­samer­weise wird – zumin­d­est in ästhetis­ch­er Hin­sicht – von den meis­ten das Frühere dem Heuti­gen vorge­zo­gen. […] Ret­ro­spek­tive Ästhetik und Rekon­struk­tion von (Alt‑)Bauten und ganz­er Stadträume bis hin zu Wieder­aufer­ste­hung des abgeris­se­nen Berlin­er Schloss­es füllen die Leere, die der Ver­lust des Gemeinsinns für das Schöne in der Gegen­wart mit sich gebracht hat.

  • Wer Gedichte liest, weiss mehr über das Leben | NZZ → die nzz doku­men­tiert leicht gekürzt die dankesrede von michael brauch für den alfred-kerr-preis

    Bei der Beschäf­ti­gung mit der Frage, warum sich ein­er wie ich mit Gedicht­en befasst und Rezen­sio­nen zu Gedicht­bän­den schreibt, gelangt man zu ähn­lichen Ein­sicht­en, wie sie Nico­las Born 1970 for­muliert hat: Es hat mit dem eige­nen Existieren zu tun, mit dem Ver­such, dem Rät­sel des eige­nen Daseins auf die Spur zu kom­men. Beim Lesen von Gedicht­en ist man fast immer mit den Fra­gen nach den let­zten Din­gen kon­fron­tiert, wir wer­den unmit­tel­bar und ohne schützende Ein­leitung in medias res gewor­fen. Die Verse der Gedichte, die wir lesen, ver­mit­teln uns das «punk­tuelle Zün­den der Welt im Sub­jecte», wie es ein Schüler des Philosophen Hegel for­mulierte. […] Beim Lesen von Gedicht­en wird ein Riss sicht­bar in dem Welt­ge­bäude, das uns eben noch ver­traut schien. Ein Riss wird sicht­bar im Welt­ge­bäude, und – so sagt es ein­mal der rus­sis­che Welt­po­et Ossip Man­del­stam – die poet­is­che Rede weckt uns mit­ten im Wort auf. Gedichte sprechen von dem skan­dalösen Fak­tum, dass wir geboren wor­den sind und dass wir in noch nicht vorstell­bar­er, aber doch nicht allzu fern­er Zukun­ft ster­ben wer­den.

  • Über ein richtiges Lehrer-Leben im falschen Schul­sys­tem | Bil­dungslück­en → schreibt über kri­tik an schule und ihrem sys­tem und möglichkeit­en der verbesserung und verän­derung, auch auf indi­vidu­eller ebene

    Denn unser Schul­sys­tem hat so viele grundle­gende Män­gel, dass ich mir oft die Frage stelle, ob es das über­haupt geben kann: ein richtiges Lehrerleben im falschen Schul­sys­tem. Im Laufe der Zeit habe ich einige (Über-)Lebensstrategien entwick­elt.

  • Secu­ri­ty | Ohne Text singt kein Men­sch mit

    Die Change-Man­age­ment-Fachkraft ein­er großen Unternehmens­ber­atung und ein Stu­dent im dun­klen Kapuzen­pul­li leg­en in der Schlange nacheinan­der ihre Gür­tel, die Geld­börsen und ihre Lap­tops in die Durch­leuch­tungs-Schalen auf das Band der Sicher­heit­skon­trolle. Sie schauen sich kurz lächel­nd an, weil bei­de das­selbe Lap­top-Mod­ell aus ihren Handgepäck-Reise­taschen nesteln.

  • Rad­fahren in Kopen­hagen und Berlin: Vom Paradies in die Vorhölle| Deutsch­land­funk Kul­tur → die über­schrift sagt eigentlich schon alles — ein kurz­er, sub­jek­tiv­er ver­gle­ich der rad­fahrmöglichkeit­en in den bei­den städten

    Lieber über gute Rad­wege ohne Helm als über schlechte mit.

  • Jüdisch, ehren­hal­ber | FAZ → claudius sei­dl sehr richtig zu dem blödsin­ni­gen geschwätz von “jüdisch-christlich­er prä­gung”:

    Insofern schließt die Rede von der „jüdisch-christlichen Prä­gung“ nicht nur den Islam aus – was ja der eigentliche Zweck dieser Behaup­tung ist. Auch Aufk­lärung und Athe­is­mus, auch die, ger­ade in der deutschen Lit­er­aturgeschichte, so wichtige Sehn­sucht nach jen­em heit­er­eren Him­mel, in welchem die men­schlicheren Göt­ter der Griechen wohnen, wer­den von dieser Rede, wenn nicht aus­geschlossen, dann doch zu den Apokryphen ein­er Tra­di­tion, deren Kanon ange­blich jüdisch-christlich ist (man möchte die Namen all der­er, die diese Rede zu Frem­den macht in der deutschen Kul­tur, gar nicht aufzählen müssen).

  • Wun­der­bar­er Eigensinn| Faust Kul­tur → ein wun­der­bares, kluges gespräch mit dem lyrikkri­tik­er michael braun, den ich immer wieder gerne lese (auch wenn ich nicht in allem mit ihm übere­in­stimme …):

    Ich würde für mich sagen: Es muss eine Störung der geläu­fi­gen Sprach­struk­turen erfol­gen, wir müssen beim Sprechen und Schreiben die Ver­trautheit ver­lieren – auch in unserem Ver­ste­hen -, wir müssen aus­ge­he­belt wer­den beim Lesen solch­er Verse, son­st kann kein gutes Gedicht entste­hen. […] Das poet­is­che Selb­st­ge­spräch ver­mag manch­mal eben doch andere zu erre­ichen. Und ob das nun 17 oder 97 oder 1.354 sind, spielt keine Rolle. Also, 1.354, diese berühmte Enzens­berg­er­sche Kon­stante, ist ja noch zu opti­mistisch angelegt. Nicht 1.354 Men­schen pro Pop­u­la­tion, ob in Island oder den USA, greifen zu Gedicht­bän­den, son­dern nur 135,4 Lyrik­leser! Also die Enzens­berg­er­sche Kon­stante müsste durch 10 geteilt wer­den. 135,4 Rezip­i­en­ten pro Gedicht­band ist die neue Kon­stante für öffentliche Aufmerk­samkeit auf Gedichte.

gefrorene schneeflocke

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  • “Mein Kampf” wird öfter in der Schule gele­sen | SZ → die edi­tion scheint also tat­säch­lich zu wirken:

    Seit der Veröf­fentlichung der his­torisch-kri­tis­chen Aus­gabe von Adolf Hitlers “Mein Kampf” wird das Buch immer öfter an bay­erischen Schulen behan­delt. Beson­ders in Mit­tel- und Beruf­ss­chulen wer­den jet­zt mehr Auss­chnitte der Het­zschrift auf unter­schiedlich­stes Weise in den Unter­richt einge­bun­den.

  • Alles online? | dig­ithek blog → von wegen alles ist dig­i­tal — die zen­tral­bib­lio­thek zürich hat in ihrem bestand mal nachgeschaut und ‑gezählt:

    Es ist noch längst nicht alles online ver­füg­bar, was in unseren Mag­a­zi­nen ste­ht. Und wenn es dig­i­tal vorhan­den ist, dann lohnt sich ein Blick in die Bib­lio­thek­sange­bote. Google hat zwar vieles dig­i­tal­isiert, auf­grund von Urhe­ber­recht­en sind die Werke aber nicht voll­ständig ver­füg­bar. Und manche Titel find­et man wirk­lich nur in den Bib­lio­theken.“

  • Die Mediatheken von ARD und ZDF: ein Hor­ror­trip | Über­me­di­en → ste­fan stuck­mann hat sich (in einem recht lan­gen text) die mediatheken der öffentlich-rechtlichen sender in deutsch­land angeschaut — und ist recht unter­wältigt. da bin ich ja fast froh, dass ich dank mediathekview die seit­en nur sel­ten auf­suchen muss …
  • “Der Panz­er auf der Brust der Stu­den­ten” | Zeit → hart­mut rosa über stu­den­ten, leis­tungs- und zeit­druck und das ler­nen

    Uni­ver­sitäten sind Reflex­ion­sin­stanzen der Gesellschaft. Die Atem­losigkeit des wis­senschaftlichen Betriebs existiert und bet­rifft Studierende und Lehrende. Ich denke, eine Gesellschaft, die glaubt, sich so eine Reflex­ion­sin­stanz nicht mehr leis­ten zu müssen, ist dem Unter­gang gewei­ht. Men­schliche Lebens­for­men kennze­ich­nen sich auch dadurch, dass sie sich reflex­iv weit­er­en­twick­eln, durch die Art und Weise, wie sie sich selb­st inter­pretieren und ver­ste­hen. Und das erfordert eine gewisse Dis­tanz zum oper­a­tiv­en Geschehen. Wenn man die Uni­ver­sität als reine Aus­bil­dungsin­sti­tu­tion betra­chtet, ver­liert sie ihre Reflexions‑, Kor­rek­tur- und Reparatur­funk­tion. […] Die Real­ität ist vielle­icht, dass die Uni­ver­sität zu ein­er Ent­frem­dungszone wird. Ziel müsste es sein, die Uni­ver­sität zu einem Res­o­nanzraum zu machen. Es ist ganz schw­er, unter den gegen­wär­ti­gen Bedin­gun­gen, Res­o­nan­zoasen zu schaf­fen.

  • Dig­i­tal­isierung, Effizienz und der Rebound-Effekt | trans­form → tilman san­tar­ius über den rebound-effekt und die dig­i­tal­isierung — nicht wahnsin­nig neu, aber eine gute zusam­men­fas­sung

    Es scheint, dass die Dig­i­tal­isierung nicht so entspan­nt ressourcenscho­nend ist, son­dern den gesellschaftlichen Stof­fwech­sel in ein­er Weise neu anregt, die die glob­ale Energie- und Ressourcennach­frage belastet: Die Effizien­zgewinne wer­den mehr als wettgemacht durch den gestiege­nen Kon­sum den die dig­i­tal­en Ser­vices und damit gesunke­nen Preise anre­gen.

spinnweben zwischen holz, schwarz-weiß

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Ins Netz gegan­gen am 27.9.:

  • Die Drop­box­isierung des Lehrernach­wuch­ses | Bob Blume → bob blume über das hem­mungslose teilen und unre­flek­tierte weit­er­ver­wen­den von unter­richts­ma­te­r­i­al:

    Zwis­chen Kol­lab­o­ra­tion und dreis­tem Pla­giat führt heutzu­tage ein schmaler Grat. Schlim­mer als Arbeits­blät­ter abzu­greifen und nichts selb­st zu pro­duzieren ist aber der Gedanke, der dahin­ter ste­ht.

  • Archäolo­gen erforschen Achtziger­jahre | Spiegel → kurzes inter­view mit dem archäolo­gen atti­la dészi, der die “freie repub­lik wend­land” aus­gräbt und damit für archäolo­gen unge­wohnt zeit­geschichte beforscht

    Denn die Archäolo­gie leis­tet Beiträge, die andere Diszi­plinen nicht abdeck­en kön­nen. Dazu zählt etwa die Erforschung von All­t­ags­ge­gen­stän­den. Wer sollte son­st her­aus­find­en, was von der “Repub­lik Freies Wend­land” heute noch übrig ist.

  • Wir müssen über Nazis reden | Moritz Hoff­mann → der his­torik­er moritz hoff­mann über nazis, die afd, erin­nerungspoli­tik und das deutsche par­la­ment
  • Philosoph Wolf­gang Welsch: «Das ange­blich Eigene ist hochgr­a­dig fik­tiv» | NZZ → ein sehr gutes inter­view mit dem philosophen wolf­gang welsch über kul­tur, iden­tität, nation­al­is­men etc. und vie­len klu­gen antworten:

    In solchen Zeit­en ist der Rück­griff auf ange­blich Eigenes und Bewährtes ein sim­ples Mit­tel der Selb­stver­sicherung. Aber es hil­ft nur der Seele. Prak­tisch ist es völ­lig unpro­duk­tiv: Das ange­blich Eigene und Bewährte stellt sich bei näher­er Betra­ch­tung als hochgr­a­dig fik­tiv her­aus. […] Wir sind, genau betra­chtet, alle kul­turelle Mis­chlinge. Die Iden­titäten sind nicht mehr kernar­tig, son­dern straus­sar­tig oder net­zw­erkar­tig ver­fasst: Sie gehen über die Gren­zen der alten Kul­turen und nationalen Kul­tur­fik­tio­nen hin­aus, sie vere­inen lokale, regionale und glob­ale Ele­mente in sich und sind in diesem Sinn tran­skul­turell. Wenn die Bürg­er ihre fak­tis­che Tran­skul­tur­al­ität anerken­nen, wäre damit für die Prax­is viel gewon­nen. Wer sich sein­er eige­nen inneren kul­turellen Plu­ral­ität bewusst gewor­den ist, der wird im Frem­den auch Eigenes erken­nen, anstatt von vorn­here­in auf Abwehr zu schal­ten. […] Im Übri­gen ist Dif­ferenz­bil­dung für Indi­viduierung uner­lässlich – man muss anders sein als andere oder auf seine eigene Weise ähn­lich sein wie andere. Aber das Dif­fer­ente darf doch nicht als das ganz Andere – das Fremde, das nicht die gle­ichen Rechte wie man selb­st hat – ange­se­hen wer­den. Das ist der Fehler von Kleinkindern. […] Es ist gut, ein Stand­bein zu haben, und für viele Men­schen bildet die lokale, regionale oder nationale Iden­tität dieses Stand­bein. Aber das Stand­bein darf nicht zum Klump­fuss wer­den, und es ist nichts ohne ein Spiel­bein.

  • Boomen die Geis­teswis­senschaften, und nie­mand merkt es?| NZZ → die antwort: vielle­icht, irgend­wie schon. aber vielle­icht auch nicht mehr lange. es ist — wie halt immer — kom­pliziert …

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  • Knaus­gård ist gut, aber Hand­ke ist bess­er | FAZ → ein kluger beitrag von jan wiele zur “authen­tiz­itäts­de­bat­te”, die vor allem die “welt” (vol­lkom­men unsin­niger weise …) los­ge­treten hat

    enn man irgen­det­was aus den Debat­ten über real­is­tis­ches Erzählen der let­zten Jahrzehnte mitgenom­men hätte, müsste man eigentlich mis­strauisch wer­den angesichts ein­er solchen Schein­wirk­lichkeit­sprosa, die so tut, also könne man ein­fach „erzählen, wie es gewe­sen ist“ — und das gilt eben nicht nur für Knaus­gård, son­dern all­ge­mein.
    […] Es wirkt — nicht nur aus ein­er his­torisch-kri­tis­chen Hal­tung her­aus, son­dern auch für das per­sön­liche Empfind­en von lit­er­arischen Tex­ten — befremdlich, wenn nun hin­ter all die ästhetis­chen Über­legun­gen zum real­is­tis­chen Erzählen, vor allem aber hin­ter die Werke, die aus ihnen her­aus ent­standen sind, wieder zurück­ge­gan­gen wer­den soll und man so tut, als gäbe es irgen­dein unschuldiges, authen­tisch-nicht­fik­tionales Erzählen.

  • Gemein­nützigkeit als Türöffn­er | Bil­dungsRadar → der “bil­dungsradar” ver­sucht her­auszubekom­men, wie das ganze pro­jekt “cal­liope” funk­tion­iert bzw. funk­tion­ieren soll — und stößt auf viele mauern und einige selt­same mauscheleien …
  • Die Mode der Philosophen — Wie sich große Denker klei­den | Deutsch­landra­dio Kul­tur → nette kleine geschichte über die typgemäße klei­dung für philosophen (frauen gibt’s zum schluss auch kurz)
  • Don­ald Trump: Pop­ulis­mus als Poli­tik | Tele­po­lis → der wie meist kluge georg seeßlen im inter­view mit dominik irtenkauf über trump, demokratie/postdemokratie und medi­al insze­nierun­gen:

    Gegen ein Bünd­nis aus mehr oder weniger authen­tisch Recht­sex­tremen, Neo-Nation­al­is­ten und Exzep­tion­al­is­ten, fun­da­men­tal­is­tis­chen Markt-Anar­chis­ten, mafiös ver­net­zten Klep­tokrat­en und einem Mit­tel­stand in real­er und manip­uliert­er Abstiegsangst kann eine demokratis­che Zivilge­sellschaft nur beste­hen, wenn sie neue Ideen und neuen Zusam­men­halt find­et. Der Zusam­men­schluss der post­demokratis­chen Kräfte hinge­gen find­et seine Schubkraft dage­gen vor allem im Oppor­tunis­mus und in der poli­tis­chen und medi­alen Kor­rup­tion.
    […] Schon jet­zt gibt es irre­versible Fol­gen des Trump­is­mus, eben jene Ver­mis­chung von poli­tis­chem Amt und ökonomis­chen Inter­essen, die einst den Berlus­con­is­mus prägte, den Wan­del der poli­tis­chen Sprache, eine Spal­tung der Gesellschaft, die über alle gewöhn­lichen “poli­tis­chen Mei­n­ungsver­schieden­heit­en” hin­aus geht, eine Patron­age, Clan­wirtschaft, Abhängigkeit­snet­ze: Wir sehen einem Macht­sys­tem bei der Entste­hung zu, das viel tiefer geht als die Beset­zung eines Amtes. Und wie bei Berlus­coni lässt sich nach dem Ende der Amt­szeit nur ein Teil davon demokratisch rück­gewin­nen.

netz mit fisch (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (4.12.)

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Ins Netz gegangen (20.6.)

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  • Kun­st und Flüchtlinge: Aus­beu­tung statt Ein­füh­lung | Per­len­tauch­er → ein langer essay von wolf­gang ull­rich über sein/das (ästhetis­ches) unbe­ha­gen an kün­st­lerischen aktio­nen für/im namen der flüchtlinge

    sind viele Flüchtlin­gen gewid­me­ten Pro­jek­te in ähn­lich­er Weise grob und blind. So sehr der Kun­st tra­di­tionell zuge­traut — und von ihr auch erwartet — wird, durch eine Stim­ulierung der Ein­bil­dungskraft Empathie für Men­schen in ganz anderen Lebensver­hält­nis­sen zu stiften, so wenig ist davon inmit­ten eines oft schrillen Aktion­is­mus zu bemerken.

  • Japan: Die Geis­ter­schiffe | ZEIT ONLINE → sehr schöne, berührende reportage über japan, nord­ko­rea und das meer. und die fis­ch­er von korea, die seit einiger zeit immer wieder als leichen an den japanis­chen küsten ange­spült wer­den
  • Net­zw­erk der AfD-Vize-Chefin: Von Storchs Daten­im­peri­um | taz.de → die taz über kat­taschas recherche unrecht­mäßiger daten­weit­er­gabe und ‑nutzung in dem engen und unüber­sichtlichen vere­in­snet­zw­erk von beat­rix von storch (und ihrem ehe­mann)
  • Sinn und Zweck von Kinder­spielplätzen: Momente des Drehtaumels | taz → jochen schmidt über spielplätze in geschichte und gegen­wart

    Spielplätze sind Neben­pro­duk­te der indus­tri­al­isierten Stadt des 20. Jahrhun­derts, auf dem Dorf brauchte man sie nicht. Erst die Enge der Wohn­ver­hält­nisse und die Tat­sache, dass viele Arbeit­erkinder tagsüber unbeauf­sichtigt waren, machte Rück­zugsräume notwendig. Dass man sie braucht, zeigt, dass den Kindern ihre eigentlichen Spiel­räume ver­loren gehen, denn Kinder besitzen die Fähigkeit, sich jede Umge­bung für das Spiel anzueignen.

    In ein­er ide­alen Gesellschaft bräucht­en wir vielle­icht gar keine Spielplätze mehr, aber im neolib­eralen Kap­i­tal­is­mus mit dem Dog­ma der max­i­malen Selb­staus­beu­tung bis in die Freizeit, bekommt das Spiel einen ger­adezu utopis­chen Gehalt. Der Spielplatz soll die Wun­den der Erwach­se­nen­welt heilen.

  • Kommt jet­zt endlich die richtige Bil­dungspoli­tik in Deutsch­land? | shift. → eine genaue und uner­bit­tliche abrech­nung mit den vielfälti­gen schwächen des strate­giepa­piers der kmk “bil­dung in der dig­i­tal­en welt”:

    Keine Rev­o­lu­tion, kein qual­i­ta­tiv­er Sprung, nur Evo­lu­tion und Opti­mierung. Vielle­icht hätte man sich noch ein­bilden kön­nen, im alten Entwurf einen real­is­tis­chen Blick auf den allum­fassenden tief­greifend­en Wan­del nicht nur des „All­t­agslebens“, son­dern der gesamten Gesellschaft und also auch des Bil­dungssys­tems zumin­d­est als Möglichkeit enthal­ten zu sehen, wenn er als Zielbes­tim­mung for­muliert „Lehrende und Ler­nende auf das Leben in ein­er dig­i­tal­isierten Welt vorzu­bere­it­en“. Aber auch das ist bei genauerem Hin­se­hen schon nicht der Fall gewe­sen.
    Diese Rede vom „Vor­bere­it­en auf“ macht mich ja immer stutzig, denn die Men­schen leben doch schon in der dig­i­tal­isierten Welt, und das schon seit Jahren. Da kommt jede Vor­bere­itung schon rein zeitlich zu spät und kann doch nur als Begleitung gedacht wer­den. Es ist tat­säch­lich ein Hin­weis darauf, dass noch gar nicht ver­standen wurde, dass die dig­i­tal­isierte Welt nicht erst nach der Vor­bere­itung betreten wird, son­dern dass wir in ihr leben, ob wir es wollen oder nicht.

Ins Netz gegangen (10.6.)

Ins Netz gegan­gen am 10.6.:

  • Debat­te um Vergü­tung: Wenig Fair­ness im Umgang mit Autoren | Deutsch­landra­dio → hen­ry stein­hau über die beziehung zwis­chen ver­la­gen und autorin­nen:

    Ver­lage soll­ten ihre Kräfte darauf ver­wen­den, tragfähige Geschäftsmod­elle zu entwick­eln. Und zwar solche, die nicht darauf angewiesen sind, den Autoren eine Beteili­gung an Vergü­tun­gen abzurin­gen.

  • Der #öffentliche_Raum ist immer poli­tisch. Ein Gespräch mit Christoph Haer­le (Teil 1) | Geschichte der Gegen­wart → philipp sarasin hat sich mit dem architek­ten, stadt­plan­er und kün­stler christoph haer­le über den öffentlichen raum unter­hal­ten. im ersten teil geht es vor allem um die geschichte des öffentlichen raums bis ins 19. jahrhun­dert — sehr span­nend.
  • Der post­mod­erne #öffentliche_Raum. Ein Gespräch mit Christoph Haer­le (Teil 2) | Geschichte der Gegen­wart → der zweite teil des gesprächs von philipp sarasin mit christoph haer­le, nun zu den öffentlichen räu­men des 20. jahrhun­derts und der gegen­wart — und deren prob­le­men und gefährdun­gen.
  • Mein Vater, der bekan­nte Ver­schwörungs­the­o­retik­er | Broad­ly → die tochter eines ein­flussre­ichen ver­schwörungs­the­o­retik­ers (“truther”) erzählt

    Ger­ade weil Ver­schwörungs­the­o­retik­er immun gegen jedes noch so vernün­ftige Argu­ment aus der „Main­stream-Welt” sind, sehe ich diese Bewe­gung als äußerst gefährlich an. Wie viele sub­ver­sive Grup­pen aus dem recht­en Lager, holen sich die Truther meis­tens Leute aus schwieri­gen sozialen Ver­hält­nis­sen ins Boot. Men­schen, die froh über Sün­den­böcke sind und in elo­quenten Per­sön­lichkeit­en Führung suchen. Die Truther bestre­it­en eine Zuge­hörigkeit zum recht­en Lager zwar vehe­ment, jedoch sprechen meine per­sön­lichen Erfahrun­gen für sich. Sex­is­mus, Homo­pho­bie und Ras­sis­mus sind genau­so ver­bre­it­et, wie eine fehlgeleit­ete Vorstel­lung von Kul­tur und Heimatliebe.

  • Was darf die Satire? — Kurt Tuchol­sky, Jan Böh­mer­mann und die Fol­gen | literaturkritik.de → ste­fan neuhaus über satire von tuchol­sky und böh­mer­mann, unter beson­der­er berück­sich­ti­gung ihrer ästhetis­chen und poli­tis­chen imp­lika­tio­nen in deutsch­land
  • Ver­fas­sungsrechtler über die AfD: „Unvere­in­bar mit dem Grundge­setz“ | taz.de → jurist joachim wieland im taz-inter­view über das grund­satzpro­gramm der afd:

    Aus mein­er Sicht ver­sucht die AfD, die Gren­ze, die die Ver­fas­sung zulässt, bis ins Äußer­ste auszutesten. Dabei arbeit­et sie mit unklaren Begrif­f­en, damit sie, wenn sie zur Rede gestellt wird, sagen kann: So war das gar nicht gemeint. In eini­gen Punk­ten sehe ich den Men­schen­rechtskern des Grundge­set­zes ver­let­zt. Das kön­nte die AfD, selb­st wenn sie entsprechende Mehrheit­en hätte, nicht umset­zen, ohne dass es zu ein­er ein­deuti­gen Ver­fas­sungsver­let­zung käme. Man muss also sagen: Die AfD bewegt sich in vielem an der Gren­ze zur Ver­fas­sungswidrigkeit und in manchem hat sie diese Gren­ze bere­its über­schrit­ten.

  • EBooks vs Papi­er-Büch­er: Vom Kul­tur­wan­del und notwendi­gen Lern­prozessen (in der Schule) | herrlarbig.de → herr lar­big denkt darüber nach, was eigentlich den unter­schied zwis­chen papier­buch und ebook aus­macht

    Während wir das analoge Buch aus Papi­er nach wie vor gut im Rah­men der von uns erlern­ten (hart­näck­i­gen) Muster des Lesens aufzunehmen und zu bear­beit­en wis­sen, ver­langt das dig­i­tale Buch von uns, in einen Lern- und Gewöh­nung­sprozess einzutreten.

    Es muss gel­ernt wer­den, wie man mit den verän­derten Möglichkeit­en des Daten­trägers zu arbeit­en ver­mag und man muss sich gle­ichzeit­ig daran gewöh­nen, dass Texte die Dimen­sion der Tiefe im Sinne von Seiten­zahlen »ver­lieren«. – Dies ist allerd­ings viel mehr als eine Frage der Hap­tik.

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