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Schlagwort: vocal pop

Strahlende Lichter: Das erste Album von Voxid

voxid, shades of light (cover)Das ist keine Musik für sparsame Haushal­ter. Denn Vox­id hält sich nicht zurück. Im Gegen­teil: Das Quin­tett singt, als gäbe es ein­fach kein Mor­gen mehr. Auf Shades of light gibt es näm­lich alles im Über­fluss: Klang, Sound und Ideen. Nichts wird zurück­ge­hal­ten, immer geht es in die vollen. Vox­id muss sich ja auch nicht ein­schränken, sie haben ein­fach ein schi­er uner­schöpflich­es Reper­toire an Möglichkeit­en. Und das nutzen sie für die zwölf Songs auch vol­lkom­men unge­niert aus. Es begin­nt schon beze­ich­nend mit Imo­gen Heaps „Head­lock“: Der Sound ist fett und luftig zugle­ich, die Musik klingt leicht und ernst, solide und spaßig gle­icher­maßen. Auch wenn das Quin­tett behauptet, „Music ain‘t my thing“, merkt man in jedem Moment: Hier nimmt jemand Pop sehr ernst – mit grandiosem Ergeb­nis. Vor allem, weil sich Vox­id als unge­heuer eng gefügtes Ensem­ble hören lässt: Da ist jede Stimme in jedem Moment an ihrem Platz.

MUSIC AIN’T MY THING by VOXID [offi­cial video clip]

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Eine andere Marke, die gle­ich geset­zt wird, ist das Niveau der Arrange­ments: Vox­id (früher schon einige Jahre unter dem Namen “tonal­rausch” unter­wegs) gibt sich nicht mit Dutzend­ware zufrieden. Deshalb kom­ponieren und arrang­ieren sie auch (fast) alles selb­st. Und das hört man, die genaue Pas­sung auf die Stim­men und das Ensem­ble funk­tion­iert wun­der­bar. Denn die Arrange­ments – und wirk­lich alle – sind ganz ein­fach großar­tig vielfältig, sprühen vor Ideen und stellen sich doch atmo­sphärisch ganz genau in den Dienst der Songs. Bei „Save your soul“ von Jamie Cul­lum zum Beispiel verbinden sich Flächen und Lin­ien mit dicht ver­wobe­nen Tex­turen und klan­glichen Reliefs. Und Vox­id singt das auch immer so, dass man nur zus­tim­mend nick­en kann: Jed­er Klang, jede Lin­ie, jed­er Akko­rd strotzt vor Energie, alles ertönt unge­heuer kraftvoll (man muss nur kurz in „Musi­cal Trea­sure“ hinein­hören!), aber mit ganz entspan­ntem Druck. Denn das Quin­tett erre­icht sein musikalis­ches und emo­tionales Durch­set­zungsver­mö­gen ganz ohne hör­bare Anstren­gung.

Das Beste – wenn man das aus einem Album von so gle­ich­bleibend hoher Qual­ität über­haupt her­ausheben kann – ste­ht am Ende: Zunächst „Edge“, das noch ein­mal mit voller Pow­er auf die Ziel­ger­ade ein­biegt und in dem vortr­e­f­flich gestaffel­ten Arrange­ment zwis­chen leichter Beat­box und inten­siv­er Melodie all die feinen Qual­itäten ihrer Ensem­blekun­st präsen­tiert. Aber dann fol­gt noch, als Bonus­track, eine beza­ubernde Ver­sion von „I fade away“, das sowieso die schön­ste Melodie der CD aufweist und hier im Remix mit Syn­the­siz­er-Ein­satz noch klan­glich aufgepeppt wird. Ger­ade das hätte Vox­id aber über­haupt nicht nötig, nach­dem es in den 50 Minuten davor so eine bril­lante Leis­tungss­chau des Vocal Pop präsen­tierte.

Vox­id: Shades of light. RUM Records 2018. 51:13 Spielzeit.

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #50, Juni 2018)

MUSICAL TREASURE by VOXID [offi­cial Video Clip]

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OnAir, Illuminate - Collage (Michael Petersohn)

Erleuchtet auf Sendung: “Illuminate” von OnAir

OnAir, Illuminate (Cover)

Schade: Nach nicht ein­mal ein­er hal­ben Stunde ist das Vergnü­gen schon wieder vor­bei. Oder es begin­nt von vorne. Denn Illu­mi­nate von OnAir, die dritte CD der jun­gen Berlin­er Gruppe, möchte man eigentlich gerne sofort noch ein­mal hören.
In den sechs Songs dreht es sich immer wieder um das Licht, das physis­che Licht der Sterne und das metapho­rische der Erleuch­tung. Schon der Beginn – eine der bei­den Orig­i­nalkom­po­si­tio­nen neben vier Cov­er­songs – set­zt die Erleuch­tung leicht und unbeschw­ert in ein­er eingängi­gen Hymne in Töne. Klar, das ist keine große Kun­st — aber her­rlich-per­fek­te Gute-Laune-Musik mit gut durch­dachtem Arrange­ment und genau aus­bal­anciertem Klang.

Auch der Rest bleibt auf aller­höch­stem Niveau. Denn so viel wird ganz schnell klar (viel Zeit ist ja auch nicht): die Präzi­sion, mit der OnAir durch die Pop- und A‑cap­pel­la-Geschichte hüpfen, ist großar­tig. Noch bess­er ist aber, wie sie die kom­plex­en und aus­ge­feil­ten Arrange­ments sin­gen kön­nen: Das klingt stets lock­er, oft unbeschw­ert und vor allem immer musikalisch zwin­gend.

So kann man in „Sonne“, dem Ramm­stein-Cov­er, den schwachen Text leicht vergessen und stattdessen lieber den feinen Arrange­ment-Ideen nach­hören. Wie OnAir die Sonne zwis­chen dumpf-dröh­nen­dem Bass und Vocal Per­cus­sion im instru­men­tal klin­gen­den Satz und den darüber schweben­den melodis­chen Ele­menten, vor­wiegend der bei­den Frauen, auf­scheinen lässt — das ist klasse.

„Stair­way to Heav­en“ begin­nt dage­gen sehr oldiemäßig, mit zeit­gemäßem Rauschen und leichter Verz­er­rung — wun­der­bar, wie OnAir das in sein Arrange­ment ein­baut und in eine großar­tige Steigerung zu einem ener­getisch pulsieren­den Finale über­führt. Über­haupt ist auf „Illu­mi­nate“ sehr bemerkenswert, wie sie jeden Song entwick­eln, ihm ein eigenes Pro­fil und einen neuen Klang geben. Da klingt wirk­lich jed­er Song anders — anders als der vor­ange­hende, aber auch anders als die Vor­lage. Her­bert Gröne­mey­ers “Der Weg” zeigt das mit seinem zurückgenomme­nen, zer­brech­lichem Arrange­ment ganz typ­isch: Hier klin­gen OnAir wohl am klas­sis­chsten, sehr offen und ver­let­zlich. Und immer wieder hört man neue Details, die jede Stro­phe und jeden Refrain anders klin­gen lassen.

Dem Sex­tett gelingt es über­haupt schein­bar müh­e­los, auf knappem Raum sechs ganz ver­schiedene Klang­bilder zu schaf­fen. Das ver­dankt OnAir nicht nur ihren Stimmkehlen, son­dern auch dem gefüh­lvollen Ein­satz der Ton­tech­nik — auf der sehr abwech­slungsre­ich klin­gen­den CD macht sich wohl auch die Erfahrung von Bill Hare bemerk­bar. Illu­mi­nate ist von der ersten bis zur let­zten per­fek­ten Note schim­mern­der und funkel­nder Vocal-Pop, weil OnAir sowohl den druck­vollen Bre­it­wand­sound (wie im abschließen­den “Illu­mi­nat­ed”) als auch den zarten Klang der kam­mer­musikalisch geset­zten Bal­lade vol­len­det beherrscht. Nach den 25 Minuten kann man nur sagen: Das hat wirk­lich etwas von Erleuch­tung.

OnAir: Illu­mi­nate. Heart of Berlin 2016. Spielzeit: 24:56.

(Zuerst erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 32, Novem­ber 2016.)

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