die mod­e­far­ben von 1914 waren
Blu­men­feld (Berlin/New York) zufolge,
waren diesem sprachen-fotograf zufolge
ziem­lich zuerst:

nil.
ein grün natür­lich, anori­en­tal­isiertes abend-
land, das großbürg­er­tum hin­ter schw­eren
portieren, bei indi­rek­ter beleuch­tung trägt
Berlin auf, was Paris trägt.

tan­go.
das orange, die trauer
früchte die den blick verkan­ten.
süd­früchte wur­den kaum gekan­nt
sie kamen im beam­ten­tume vor:
auf dem wei­h­nacht­steil­er, auf dem
börsen­par­kett tan­go, schiff­bau
stahl bestens notiert, und:

ciel.
ist der ver­drehte him­mel.
blue pills und stahlpar­kett,
zur früh­jahrs­sai­son natür­lich
von marne gar noch nicht
die rede, ab herb­st war dann
das kleine schwarz natür­lich
ange­sagt.
*
gesagtes kleines schwarz.
gesagte schwarztöne, die all­ge­mein­er wur­den;
besagte zunah­men, zunah­men in dem maße wie die herz­gruben und
‑töne schwäch­er, dann weg- und abgeschal­tet wur­den, und
die lis­ten (»ciel«) sprachüber­lagert von namen und
aber­sprachn. noch war die grippe
nicht in sicht
*
lauf­steg lauf­graben.
*
den toten wie den witwen, immer in den nachricht­en,
immer voll drauf, voll zwis­chen die beine gefilmt und -

[…]

*
gespräch­sun­ter­brechung durch
unrhyth­mis­chn his­torik­er. zer­streut
wirkt dieses durchge­sup­pte sprecherchen und
bam­mel­mann, fidel wie die erhängten­le­iche,
mit seinem:
»nix nil, nix tan­go. ohne ciel oder unter freiem
him­mel. oder-oder, oder nich mehr so jet­zt, spr-
rache über pro­jek­tile blue pills, blaue bohnen wohin
man tritt, das is sprache! oder
was andres.«
*

[…]

weit­ere und weit­ere auf­fal­tun­gen:
die auf­drucke (parol) auf den eis­er­nen ratio­nen;

die aufw­er­fun­gen von erde, etwa die querung
steiniger bach­bet­ten, gebüsche. buchen, birken,

tan­nen­wälder. beschuß an reißendn flüssn. im
lehm­bett, in nässe: wie die ges­tam­melte brief­schaft

durch­we­icht, diese zeilen, dieses ziehen in der
Schul­ter: dieses wer­fen, diese abzieh-gräbm, soweit

reichen die — wie weit reichen die ohren? wieweit
reichen meine ohren: meine augn fest­ge­fressen.

[…]

*
rhyth­mis­che his­to­ria.
nicht weniger absent ist diese sprecherin:
das war, mit pho­tos von Blu­men­feld,
der far­be­nan­fall für 1914; entschuldigen
möcht­en wir uns für den
*
total­bil­daus­fall.

—Thomas Kling: Der Erste Weltkrieg: Die Mod­e­far­ben 1914 (gekürzt, nach dem Abdruck in: Merkur 53 (1999), Heft 600, S. 266–268).