unruh, sorberwendenIch habe mir die Lek­türe dieses kleinen Bänd­chens extra für den ersten April aufge­hoben. Denn was Trau­gott Xaverius Unruh in dem von Eduard Wern­er her­aus­gegeben­em Von der Sor­ber­wen­den Wesen­heit und Herkom­men treibt, das ist beste Unter­hal­tung und ein ziem­lich großer Spaß.

Ein Spaß, der schon auf den ersten Seit­en begin­nt. In den bei­den Vorre­den wird näm­lich die Enste­hung und Über­liefer­ung des fol­gen­den Textes erk­lärt: Geschrieben von einem Trau­gott Xaverius Unruh in Gör­litz am „4. Junius, im Jahres des Her­ren 1784“, von seinem unge­nan­nte Urenkel dann „mehr als fün­fzig Jahre“ später in ein­er zweit­en, unverän­derten Aus­gabe veröf­fentlicht und nun — als Frag­ment — mit fast 20 Seit­en Anmerkun­gen von Eduard Wern­er im Ver­lag Rei­necke & Voß ediert.

Der eigentliche Text begin­nt mit dem Kapi­tel „Vom Ursprunge der Sor­ber­wen­den Sprache“, das dann noch ergänzt wird um Anmerkun­gen und Erläuterun­gen zur Luft­fahrt der Sor­ber­wen­den, ihren Tieren und ihren Bräuchen und so weit­er. Entwick­elt wird hier eine in ihrer Absur­dität amüsante Sprachgeschichte als Stammes­geschichte. Damit führt Wern­er durch Unruhs Fed­er wis­senschaftliche Ten­den­zen des 18. Jahrhun­derts schön ad absur­dum. Das funk­tion­iert vor allem über die Beobach­tung (und mitunter recht rabi­ate Her­stel­lung) von „simil­i­tudines“, die dann dazu führen, dass das Sor­ber­wendis­che auf ungeah­nte Weise dem Japanis­chen unheim­lich ähn­lich ist bzw. eher sein soll. Da der Ver­fass­er ein Meis­ter der so weit wie möglich herge­holten Analo­gie ist, kommt er „per sci­en­ti­am et logi­cam“ ger­adezu zwangsläu­fig zu für uns erstaunlichen Ergeb­nis­sen, die mich immer wieder laut auflachen ließen. Und er kommt zu dem Schluss: Die Sor­ben müssen in alter Zeit von Japan her migri­ert sein. Konzi­lant geste­ht er ihnen aber zu, den Weg nicht in einem zurück­gelegt zu haben und dabei dur­chaus auch mal Pausen gemacht zu haben …

Ich mag solche (Meta-)Spielereien mit Tex­ten und Wissenschaft(en) ja sehr. Der Spaß ist zwar schnell durch­sichtig. Der Witz ist aber, dass der Text von Eduard Wern­er (den gibt es tat­säch­lich, im Gegen­satz zum fik­tiv­en Autor) auch dann noch unter­halt­sam bleibt, wenn man das Kon­struk­tion­sprinzip durch­schaut hat (und das ging bei mir doch recht flott ;-) …), weil Wern­er eine geschick­te sprach­liche Mime­sis betreibt, die — so meine ich — aber ihre Moder­nität (also ihre Mime­sis) nicht ver­schleiert und eine aparte Mis­chung aus mod­ern und alt(ertümelnd) ergibt. So bleibt ein schmales Bänd­chen voll Esprit und Raf­fi­nesse — ein richtig witzige Unter­hal­tung.

Trau­gott Xaverius Unruh: Von der Sor­ber­wen­den Wesen­heit und Herkom­men. Her­aus­gegeben von Eduard Wern­er. Leipzig: Rei­necke & Voß 2015. 60 Seit­en. ISBN 9783942901123