Schnee: wer
dieses Wort zu Ende
denken könnte
bis dahin
wo es sich auflöst
und wieder zu Wasser wirddas die Wege aufweicht
und den Himmel in
einer schwarzenblanken Pfütze
spiegelt, als wär er
aus nichtrostendem Stahlund bliebe
Rolf Dieter Brinkmann (aus: Le Chant du Monde)[Rolf Dieter Brinkmann: Standphotos. Gedichter 1962–1970. Reinbek: Rowohlt 1980, S. 40]
unverändert blau.
Schlagwort: rolf dieter brinkmann
Ins Netz gegangen am 18.4.:
- Was hinterlässt Günter Grass?: Olymp der Old Boys — taz.de — marlene streeruwitz blickt kritisch aus Günter Grass und sein politisches Engagement zurück:
Wenn die soziale Gerechtigkeit am Ende doch parteiisch gedacht war. Die Moral zerbricht an so einem Widerspruch. Das kam wohl auch daher, dass diese Generation von kritischen Söhnen sich auf einem Olymp der Moralität wähnten und dort bleiben wollten. Aber ungestört. Statt also den Olymp zu demokratisieren, wurde die deutsche Kultur zu einem der vielen old boys clubs, wie sie die Welt immer schon beherrschten. Solche Personen haben viel verändert und am Ende dann wieder gar nicht so viel.
- Die Geschichte offenhalten (junge Welt) — ingar solty & enno stahl diagnostizieren die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit der Literatur und machen Vorschläge, wie sich das ändern ließe
Diese sozialen und ökonomischen Dissonanzen müssen sich in der Literatur niederschlagen, die monströse Asymmetrie des Lebens, Momente der Schönheit neben Ausbrüchen atavistischer Grausamkeit, die Verstrickungen des einzelnen im großen Ganzen, gerade wenn er oder sie sich herauszuhalten sucht. Die Literatur muss sagen, was Sache ist, muss dokumentieren, nachhaltig aufbewahren und damit anklagen, welche Verheerungen sich ereignet haben und wer die Verursacher sind
- Mara Genschel: Die Erhabenheit des Tesafilms | ZEIT ONLINE — Michael braun über die wunderbare und spannende Lyrikerin mara genschel
- Mauerfall: Schabowski-Zettel soll gestohlen worden sein — Politik — Süddeutsche.de — Mehr als 20 Jahre lang galt der Notizzettel von Günter Schabowski für die Pressekonferenz, die den Mauerfall auslöste, als verschollen. Dann tauchte er bei der Stiftung “Haus der Geschichte” auf. Schabowskis Ehefrau erhebt schwere Vorwürfe gegen Bekannte.
- Don’t make bicyclists more visible. Make drivers stop hitting them. — The Washington Post — eben weiss hat zwar die usa im blick, seine argumente (etwa in bezug auf die helmpflicht für radfahrer) lassen sich aber problemlos auf europa & deutschland übertragen:
Effectively, we’ve lost equal access to the public roadways unless we’re willing and able to foot the hefty bill for a car. Instead, what we have is an infrastructure optimized for private vehicles and a nation of subsidized drivers who balk at the idea of subsidizing any other form of transit, and who react to a parking ticket as though they’ve been crucified.
- Blitzmarathon: Rasen und witzeln — Welt — Tagesspiegel — interessanter vergleich:
Die Römer hielten Gladiatorenkämpfe, also das, was wir heute Barbarei nennen, für Spiele. In einer späteren Zivilisation wird man womöglich auf uns zurückblicken und sich fragen, warum wir die Barbarei auf unseren Straßen für Sport gehalten haben.
- Der Wortvandale — taz.de — jens uthoff würdigt rolf dieter brinkmann zu seinem 75. geburtstag:
Brinkmann wollte die ungefilterte Wirklichkeit darstellen, einen unvermittelten, ersten Eindruck der Dinge wiedererlangen und sprachlich formulieren.[…]
Brinkmann ist als Poet, dessen großes Thema Entfremdungserfahrungen, die Wahrnehmung und das Bewusstsein waren, noch immer aktuell: Die Mediatisierung ist vorangeschritten; die Erfahrungen sind noch weniger als zu Brinkmanns Zeiten unmittelbare. Mehr noch: Die mediale Verwertung des Augenblicks muss heute stets mitgedacht werden, erst das Selfie dient dazu, uns unserer selbst zu versichern. Und auch sein Strampeln und Schlagen “gegen die Subjektverdrängung” (Handke), gegen die Verdinglichung und den Verlust natürlicher Lebenswelten spiegelt stets aktuelle menschliche Grundkonflikte oder fortlaufende Prozesse. - Die Gründe, bitte | law blog — udo vetter
Hier sind nach wie vor die Befürworter der Speicherung in der Pflicht nachzuweisen, dass eine Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte überhaupt einen Nutzen bringt, der den weiteren Ausverkauf des Grundgesetzes und europäischer Wertestandards verschmerzbar erscheinen lässt.
Wenn ich schon Verzicht üben und künftig in einem anderen Staat leben soll, der mich als potenziell Verdächtigen behanelt, dann möge man mir bitte plausibel erklären, warum.
Ins Netz gegangen am 15.4.:
- Vorratsdatenspeicherung: Du bist verdächtig | ZEIT ONLINE — ach, das ist doch alles so blöd, unsinnig, ohne verstand und gemein — manchmal möchte man wirklich ausflippen. erst inszeniert sich justizminister maas als standhafter gegner der anlasslosen überwachung namens vorratsdatenspeicherung — jetzt knickt er doch wieder ein und lässt sich halt einen neuen namen einfallen. zum kotzen, das alles, diese verachtung der grundrecht an höchsten stellen … kai biermann hat dazu einen — ich weiß nicht, seinen wie vielten — klugen kommentar geschrieben
Und dann bleibt da noch die Haltung, die sich in dem Vorhaben zeigt. Das Grundgesetz wurde in dem Wissen geschaffen, dass die Exekutive prinzipiell übergriffig ist, dass sie immer versuchen wird, ihre Bürger stärker zu überwachen. Das Grundgesetz soll die Bürger davor schützen, soll den Staat im Zaum halten. Diverse Gerichte haben das angesichts der vielen, vielen Überwachungsinstrumente, die es längst gibt, immer wieder betont, bekräftigt, daran erinnert. Überwachung trotzdem ausdehnen zu wollen, ist geschichtsvergessen und ignorant gegenüber der Verfassung.
- Er war kein Urvater des Pop — Rolf Dieter Brinkmann zum 75. Geburtstag : literaturkritik.de — markus fauser erinnert an rolf dieter brinkmann und seine literarische prägung, die keineswegs — wie immer noch oft angenommen und behauptet wird — vor allem der pop war:
Ihm war nicht zu helfen. In seinem kurzen Leben schuf er unter enormem Druck einige größere Werke. […]
Seine gesamte Prosa hatte ohnehin mit Pop nichts zu tun und nur ein kleiner Teil seiner Gedichte war davon angeregt. Gerade auch die jüngeren Studien aus der Forschung legen darauf Wert. Pop steht nicht nur in der Literatur bis heute für ein positives Weltverhältnis, für einen spielerischen Umgang mit der Realität und – vielleicht am wichtigsten – für das Hinnehmen von Konsum und Kommerz. Nichts davon passt auf Brinkmann. […]
Sein Werk steht vielmehr im Zeichen der nachholenden Moderne. - Konkurrenz zu Amazon: Nette Buchhändlerinnen allein reichen nicht — Bücher — FAZ — ulf erdmann ziegler überlegt, ob nicht verlage, grossisten etc. in deutschland ein konkurrenz-unternehmen zu amazon im bereich des buchverkaufs/buchversands aufziehen könnten und/oder sollten
- Günter Grass: Oskar Matzerath ist eine ganze Epoche — nora bossong denkt anlässlich des todes von günter grass wohltuend unaufgeregt über die rolle und die möglichkeiten einer schriftstellerin damals und heute nach
Auch hat sich der Diskurs fragmentiert und in verschiedene Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt. Hier die Politik, da die Kunst, sprechen Sie, wenn Sie aufgefordert werden und für den Rest gilt: Ruhe, setzen. Ein Weisungsmonopol, wie es Grass innehatte, kann heute kein Intellektueller mehr für sich beanspruchen und es scheint auch nicht mehr erwünscht. Die Frage ist, ob zu viel Stille irgendwann taub macht.
- “House of Cards”: Die teuerste Seifenoper der Welt | ZEIT ONLINE — nicklas baschek zeigt die probleme von “house of cards” sehr schön auf. mich stört ja daran vor allem: dieses verständnis von politik wird größtenteils als realistisch wahrgenommen — und das hat, befürchte ich, doch massive auswirkungen auf unser/das politische handeln in der wirklichkeit, die ich nicht gut finden kann. man muss sich zum vergleich nur mal die darstellung des politischen handelns in “the west wing” anschauen, um zu sehen, wie zerstörerisch das netflix-bild ist (und wie sehr sich das “durchschnittliche” bild von politik offenbar in den letzten jahren gewandelt hat) …
- Medien Internet: Die Okkupation der Privatsphäre | Kultur — Frankfurter Rundschau -
Wir gefährden die Demokratie, wenn wir die Grenzen zwischen öffentlich und privat aufheben, sei es mutwillig oder nachlässig.
sehr schönes gespräch mit harald welzer über privatheit, den nutzen und die gefahren von innovationen, auch digitalen techniken, und die möglichkeiten, sich dem entgegenzustellen, das zu ändern …
- Diese miese Krise — Nachrichten Print — DIE WELT — Kein Geld, keine Würde. Eine griechische Fortsetzungsgeschichte – marlene streeruwitz als nelia fehn schreibt die geschichte von “Die Reise einer jungen Anarchistin nach Griechenland” in einem recht seltsamen text fort
- Wolf Wondratschek: Bestseller, Auflage: 1 — Bücher — FAZ — sehr seltsamer text von volker weidermann über den meines erachtens tendenziell überbewerteten wolf wondratschek. und das war mal ein literaturkritiker! hier ist alles nur eine einzige jubelei. irgend ein historischer kontext fehlt völlig: dass kunst mäzene hat, die unter umständen die einzigen sind, die das werk kennen dürfen/können, ist ja nun wirklich nicht neu. interessant auch, wie kritiklos er den “mäzen” wondratscheks porträtiert, der ausdrücklich nicht kunst, sondern “den menschen” kauft — alles sehr seltsam. aber was soll man von einem literaturkritiker halten, der solche sätze schreibt: “Was für ein herrlicher Moment für einen Kritiker: Ein Buch, das er nicht lesen kann, wird ihm vom Dichter selbst erzählt.” — das ist ja mal wieder typisch: da bleibt doch nur der inhalt — aber die form, die das erst zur kunst macht, ist doch da nicht mehr vorhanden!