quartonal, everytime (cover)Für jeden Geschmack etwas bieten zu wollen, kann als Konzept ein­er CD leicht schief gehen. Quar­ton­al zeigt mit “Every­time a cap­pel­la”, dem zweit­en Album des jun­gen Vokalquar­tetts, dass es auch gelin­gen kann. Denn tat­säch­lich dürfte “Every­time” jedem gefall­en. Zumin­d­est bemüht es sich sehr darum: Ever­greens, Tra­di­tion­als und einige Pophits bilden das Mate­r­i­al, aus dem die durch­weg erfahre­nen Vokalarrangeure den vier Män­nern das musikalis­che Aller­lei bere­it­et haben. Und zwar immer so, dass nie­mand ver­stört aufhorchen muss. Denn Neues oder Unge­wohntes bekommt man hier nicht zu hören. Das ist sozusagen “klas­sis­ches” a‑cappella, aber keine Musik, die die Gat­tung oder das vier­stim­mige Män­nersin­gen wirk­lich voran­bringt oder gar neue Klan­gräume kar­togra­phiert. Der gemein­same Nen­ner aller 18 Songs ist vor allem, dass Quar­ton­al sie gerne singt. Viel ist das nicht, aber auch nicht die schlecht­este Voraus­set­zung. Dass man (fast) alle Melo­di­en und Texte, ob sie nun deutsch­er, mexikanis­ch­er, britis­ch­er, franzö­sis­ch­er oder plattdeutsch­er Herkun­ft sind, aus dem Ste­greif mitsin­gen kann, passt dazu. So ste­ht plattdeutsches neben einem fein durchgear­beit­eten Arrange­ment des Shan­tys “What shall we do with a drunk­en sailor”, eine etwas blasse Ver­sion von Georg Michaels “Faith” erklingt ganz und gar ohne Sexap­peal neben dem todernst-melan­cholis­chen “Über den Wolken” von Rein­hard Mey und ein­er entspan­nt swin­gen­den, wun­der­bar gelasse­nen Bear­beitung von “Küssen kann man nicht alleine” aus der Fed­er von Annette Humpe und Max Raabe.

Egal, was Quar­ton­al sich vorn­immt: Sie sin­gen wirk­lich alles mit ein­er beein­druck­enden tech­nis­chen und vokalen Sicher­heit, into­na­torisch lupen­rein und in jedem noch so kleinen Detail per­fekt aufeinan­der abges­timmt. Das Quar­tett klingt auf dieser Auf­nahme der­maßen sauber und rein, dass man es prob­lem­los in ein Rein­raum­la­bor mit­nehmen kön­nte. Der jugendlich schlanke und agile Ensem­bleklang hat hör­bar Eben­maß als höch­stes Ziel. Und sie erre­ichen das mit feinsin­niger Akku­ratesse.

Lei­der stellt sich aber immer wieder der Ein­druck ein: Quar­ton­al bleibt damit unter seinen Möglichkeit­en. Vielle­icht ist es der etwas leblose Stu­diok­lang, vielle­icht auch ihre noble Zurück­hal­tung: Bei aller vokaler Raf­fi­nesse bleibt „Every­time“ meis­tens etwas kühl. Eigentlich fehlt allen Songs etwas Emo­tion­al­ität und wenig­stens momen­tane expres­sive Begeis­terung. Zu oft klingt das wie ein Klangla­bor: Sauber bis in die Poren, ja ger­adezu akustisch rein — aber auch ten­den­ziell ster­il und ohne Über­raschun­gen. Dabei ist alles, von den Arrange­ments über Phrasierung, Dynamik und Into­na­tion bis hin zur Tonge­bung, geschmack­voll und gekon­nt aus­gear­beit­et. Doch nur sel­ten blitzen auf „Every­time“ die großar­ti­gen Momente auf, in denen man wirk­lich ganz und gar, mit Herz und Hirn, hin­geris­sen ist von dieser Musik.

Quar­ton­al: Every­time a cap­pel­la. Sony 2017. Spielzeit: 57:32

(Zuerst in ein­er etwas kürz­eren Ver­sion erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #36 , März 2017)