So etwas nennt man wohl „Roman­tik pur”: Die Vil­la Musi­ca wählt nicht nur bei den Spiel­or­ten roman­ti­sche Erleb­nis­se, son­dern auch beim Kon­zert­pro­gramm. Zumin­dest für die Eröff­nung der „Musik in Bur­gen und Schlös­sern”. Das Eis­ler-Quar­tett setz­te den Auf­takt für die zwan­zigs­te Spiel­zeit näm­lich mit zwei wesent­li­chen Wer­ken den Roman­tik: Dem e‑Moll-Streich­quar­tett aus Opus 44 von Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dy und Antonín Dvořáks Kla­vier­quin­tett in A‑Dur.

Men­dels­sohns Streich­quar­tett ist schon des­halb eine gute Wahl, weil es fast in Mainz ent­stand – auf der Hoch­zeits­rei­se des jun­gen Musi­kers, inspi­riert von den roman­ti­schen Land­schaf­ten des Rheins und sei­ner Städ­te. Die hier­bei aus­ge­dach­te Musik gibt sich oft sehr zau­ber­haft, auch in ihren undurch­dring­lich schei­nen­den, ver­schlei­er­ten For­men. Dazu passt die bei­na­he undurch­schau­ba­re Ent­ste­hungs­ge­schich­te, weil der Kom­po­nist immer und immer wie­der geän­dert und ver­bes­sert hat.

Davon, von die­sen Ver­wirr­spie­len, hört man in der Vil­la Musia vom Eis­ler-Quar­tett natur­ge­mäß nichts. Was man aber hört, ist die Inspi­ra­ti­on und die Lebens­freu­de ihres Schpfers. Das Ber­li­ner Quar­tett ver­liert sich aller­dings nicht im roman­ti­schen Gefühls­rei­gen, son­dern strebt hör­bar nach Klar­heit. Des­halb spie­len sie die Men­dels­sohn­sche Schöp­fung auch mit dich­tem Klang, ganz eng ver­webt und mit sehr genau aus­ge­ar­bei­te­ten Über­gän­gen. Dabei klin­gen sie zugleich forsch, fast unbe­küm­mert – aber auch das scheint nur so und ver­rät eher gro­ße Kunst als Nachlässigkeit.

Dvořáks Kla­vier­quin­tett hat eben­falls eine kurio­se Ent­ste­hungs­ge­schich­te: Ent­we­der woll­te er ein Jugend­werk ver­bes­sern oder konn­te die alten Noten nicht fin­den – jeden­falls schrieb Dvořák kur­zer­hand in weni­gen Tagen ein neu­es Quin­tett. Egal war­um, das ist auf jeden Fall ein Glück für uns, weil sich das Eis­ler-Quar­tett nun mit Kall­le Ran­da­lu am Kla­vier dar­an erfreu­en kann. Und nicht nur bei den Musi­kern ist die Freu­de über das eige­ne Tun groß, auch beim Publikum.

Grund dafür gibt es mehr als genug: Wuch­tig, aber nie schwer­fäl­lig, mit leben­di­ger Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesent­li­che demons­trie­ren sie kraft­voll, wie viel­fäl­tig Dvořáks Musik sein kann.

Trau­rig und hei­ter, locker und schwär­me­risch, nach­denk­lich und aus­ge­las­sen – sie rei­zen die Palet­te der kom­po­nier­ten Emo­tio­nen weit aus. Und ihnen gelingt dabei ein klei­nes Kunst­stück, das gar nicht so klein ist: Sie schaf­fen es näm­lich, ihr genau über­leg­tes Musi­zie­ren so klin­gen zu las­sen, als ob sie die Par­ti­tur gera­de voll­kom­men neu ent­de­cken wür­den. Hier herrscht vom ers­ten Ton bis zum Schluss­ak­kord eine unver­stell­te Leben­dig­keit und freu­di­ge Bewe­gung vor. Genau von die­ser inspi­rie­ren­den Wir­kung müs­sen auch die Roman­ti­ker geträumt haben.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)