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Schlagwort: karl der große

Ins Netz gegangen (27.6.)

Ins Netz gegan­gen am 27.6.:

  • Hochmut großer Söhne – Sprachlog — Ana­tol Ste­fanow­itsch über einen Vorschlag, im Text der öster­re­ichis­chen Nation­al­hymne die Frauen wieder zu stre­ichen:

    Am Text der öster­re­ichis­chen Nation­al­hymne find­et sich, wie es bei Tex­ten von Nation­al­hym­nen nun ein­mal so ist, wenig Erhal­tenswertes. Sie feiert die Land­schaft (gut, das ist ger­ade noch erträglich), das „für das Schöne beg­nadete“ und mit „hoher Sendung“ aus­ges­tat­tete Volk (das ist dann eben, nation­al­hym­nen­typ­isch, nicht mehr erträglich), die kriegerische Ver­gan­gen­heit, und eine „arbeits­fro­he“ Zukun­ft. Und natür­lich wird dem „Vater­land“ auch ordentlich Treue geschworen.

  • Neues ARD-Nachricht­en­stu­dio: Thomas Roth trifft jet­zt immer auf King Kong — Medi­en — FAZ — Oliv­er Jun­gen hält vom neuen ARD-Stu­dio nicht so viel:

    Ein Oper­a­tions­fehler, das ist eigentlich eine gute Meta­pher für das, was mit den ARD-Nachricht­en passiert ist: Man hat eine Wagen­ladung Adren­a­lin in ihrem Bauch vergessen und ein­fach zugenäht.

    — dazu noch ein biss­chen Bau­drillard (Sim­u­lacrum!) und nos­tal­gis­che Rückbesin­nung auf die guten alten Zeit­en, als die Nachricht­en ohne Bilder auska­men (übri­gens auch in der FAZ!) …

  • Deutsch­land, verk­nautscht — BILD­blog
  • Rechter Über­fall in Dort­mund: Polizei nimmt Nazis in Schutz — taz.de — total crazy: “Recht­sex­treme woll­ten Rathaus stür­men. Das Innen­min­is­teri­um: Die Poli­tik­er selb­st hät­ten ran­daliert.”
  • “Ich brauche das Geld nicht” — taz.de — Thomas Piket­ty im “taz-“Interview:

    Ich ver­traue der Quan­tifizierung des Reich­tums für das Jahr 1913 stärk­er als der von 2013. Das Nationaleinkom­men wird rel­a­tiv gut erfasst. Aber die Verteilung des Einkom­mens bis in die ober­sten Schicht­en ist eine andere Frage.

    Schön auch eine andere Stelle:

    Aber es ist schon inter­es­sant, wie viel Geld da ist, zum Beispiel in großen Fir­men. Die gle­ichen Leute, die hart um jeden Euro mit ihrem Reini­gungsper­son­al oder ihren Niedriglohnar­beit­ern ver­han­deln, bieten mir 100.000 Euro für einen ein­stündi­gen Vor­trag. Wenn ich ablehne, ver­dop­peln sie das Ange­bot.

  • Pen­näler­hafte Fach­prosa — Die neue „Kul­turgeschichte der frühen Neuzeit“ ist nicht nur pein­lich, son­dern unver­schämt : literaturkritik.de — »Zu hof­fen bleibt, dass der angesichts der fehlen­den Qual­ität über­aus dreiste Preis die Käufer abzuschreck­en ver­mag«
  • Welt­meis­ter­schaft und Dop­ing — Großes Indi­an­er-Ehren­wort! — Süddeutsche.de — wun­der­bar: Thomas Kist­ner in der “Süd­deutschen” zur WM etc.:

    Wer glaubt, der Fußball sei sauber, der darf das­selbe von der Fifa glauben.

    Eine Frage bleibt am Ende: Warum teilen die Fußbal­lärzte ihr tiefes Wis­sen nicht mit der All­ge­mein­heit? Sieht man, wie manch­er 30-Jährige durch die WM-Are­nen bret­tert, obwohl er als 20- bis 25-Jähriger kein Spiel zu Ende brachte, ohne dass der Muskel zwick­te oder dicht­machte — dann stellt sich die Frage, warum mit dieser doch auch für die bre­ite Men­schheit segen­sre­ichen Heil- und Auf­baukun­st so ver­dammt diskret umge­gan­gen wird.

    Mit der Logik kommt man der medi­zinis­chen, sprich: entschei­den­den Seite dieser Mil­liar­denin­dus­trie so wenig bei wie mit Dop­ingtests. Dem gläu­bi­gen Fan ist es sowieso ein­er­lei: Augen zu, und ein­fach feste daran glauben.

  • Twit­ter / Calvinn_Hobbes: The entire edu­ca­tion sys­tem … — RT @hnnngkttr: Time for change? “@Calvinn_Hobbes: The entire edu­ca­tion sys­tem summed up in a three pan­el com­ic strip. ” #edchatde
  • An die weib­lichen und männlichen Waf­fen­scheuen

    Die Waf­fen hoch! Das… | Aphorismen.de

    — RT @giesbert: Der Felix Dahn war mit sein­er Antwort an Bertha von Sut­tner auch so ein Knalldepp.
  • Er kann es ein­fach nicht | Begleitschreiben — Gre­gor Keuschnig hat sich Chris­t­ian Wulffs “Ganz oben, ganz unten” auf den Unter­suchungstisch gelegt:

    Ich habe inzwis­chen keinen Zweifel daran, dass Wulff in ein­er Mis­chung aus selbst­verschuldetem Unglück und narzis­stis­chem Jagdtrieb einiger wildge­wor­den­er Ego­ma­nen einem eben auch qual­itäts­me­di­alen Blu­trausch erlag, in dem sich zu Beginn mehrere Jäger gle­ichzeit­ig auf das gle­iche Objekt konzen­tri­erten.
    […] bietet er mit teil­weise unge­nauen und unge­lenken For­mulierun­gen wieder neue Angriffs­flächen. So langsam ver­fes­tigt sich der Ein­druck: Er kann es ein­fach nicht.

  • Siri Hustvedt trifft Carl Djeras­si — Wieder so eine toll konzip­ierte Ver­anstal­tung, die mehr ver­heißt als sie ein­löst:

    Es sei so eine Sache mit dem Dia­log, murmelt Siri Hustvedt vor sich hin.

  • Neue sichere Herkun­ftsstaat­en: Ein Prob­lem wird zur Lösung -

    Bere­its diese kurzen Aus­führun­gen zeigen, dass die Ein­stu­fun­gen von Maze­donien, Ser­bi­en und Bosnien-Herze­gow­ina als sichere Herkun­ftsstaat­en wenig Anlass zur Freude bieten – sie wer­fen in erster Lin­ie euro­parechtliche Bedenken auf. Daneben ist diese Geset­zesän­derung ein Beispiel, wie im Ver­lauf von nur 20 Jahren der Grund für ein Prob­lem zu dessen Antwort (gemacht) wird.

  • Fränkisches Reich : Das ewige Leben ein­er dien­st­baren Leiche — Nachricht­en Kul­tur — DIE WELT — Eck­hard Fuhr ist von den Ausstel­lun­gen zum 1200. Todestag von Karl dem Großen in Aachen sehr ange­tan:

    Es ist ein­fach so: Auch wer von tiefer Skep­sis gegen jeden Ver­such erfüllt ist, mit Karl dem Großen Geschicht­spoli­tik betreiben, sollte jet­zt doch nach Aachen fahren. Denn um das zu sehen, was er dort zu sehen bekommt, muss er son­st um die ganze Welt reisen.

    Sehr recht hat er übri­gens auch mit sein­er Ein­leitung:

    Ohne Karl ver­ste­hen wir gar nichts.

  • Kom­men­tar zum deutschen Ran­schmeiß-Jour­nal­is­mus | 11 Fre­unde — Die 11 Fre­unde sind mit der öffentlich-rechtlichen “Berichter­stat­tung” zur WM zu Recht nicht zufrieden:

    Alle zwei Jahre, bei den großen Turnieren, wird Deutsch­land zu Sch­land, ein­er Nation der Nar­ren. Den Fans sei dieser Aus­nah­mezu­s­tand vergön­nt und verziehen. Die Sender und ihre Jour­nal­is­ten allerd­ings dür­fen sich davon nicht mitreißen lassen. Denn was geschieht etwa, wenn die National­mannschaft doch noch frühzeit­ig auss­chei­det – ein Szenario, das nach nur einem Spiel und der beglei­t­en­den Schwärmerei noch unwahrschein­lich­er erscheint, als dass Joachim Löw mal schlecht ange­zo­gen ist? Für diesen Fall braucht es kri­tis­che Analy­sen und harte Fra­gen. Und keine weinen­den Jour­nal­is­ten am Pool.

  • Why ‘Game of Thrones’ Isn’t Medieval—and Why That Mat­ters — Pacif­ic Stan­dard: The Sci­ence of Soci­ety
  • The­se­nan­schlag: Schwang Luther 1517 tat­säch­lich den Ham­mer? — FAZ — Mar­tin Luthers The­se­nan­schlag von Wit­ten­berg ist sich­er der berühmteste, aber längst nicht der einzige: Eine Geschichte des Anschla­gens von Zetteln an Kirchen.
  • Die Veröf­fentlichungs­form der Zukun­ft? Mein Lösungsvorschlag: Ein Auf­satz in Baum- und Ebe­nen­struk­tur. | Mit­te­lal­ter — eine schöne idee, die chris­t­ian schwader­er da entwick­elt hat …

Aus-Lese #25

Marc Augé: Die For­men des Vergessens. Berlin: Matthes & Seitz 2013. 106 Seit­en.

Augé plädiert in diesem Essay dafür, Vergessen als Teil der Erin­nerung vom Ruch des Makels zu befreien: Vergessen ist für ihn insofern unau­flös­lich mit dem Erin­nern ver­bun­den, weil über­haupt nur durch das Vergessen von manchem manch­es erin­nert wer­den kann und als Erin­nerung ver­füg­bar sein kann. Die Sicht ist die des Eth­nolo­gen (und die Reflek­tion sein­er Methode(n) nimmt erhe­blichen Raum ein): Die zeitliche Gebun­den­heit der Fik­tion (bzw. der Nar­ra­tion) des Lebens, aus der der Eth­nologe (bei Augé gibt es keine Frauen ;-)) seine Erzäh­lun­gen formt, sind ein wiederkehren­des Motiv. Und diese Erzäh­lun­gen sind für ihn auf allen Ebe­nen immer Pro­duk­te des Gedächt­niss­es, wom­it das Vergessen wieder ins Spiel kommt. Fast neben­bei liefert er dazu viel Mate­r­i­al und Anek­doten aus dem Schatz des Eth­nolo­gen zu Erin­nern und Vergessen, aber eigentlich vor allem zu Fik­tion und Erzäh­lung (in die Vergessen und Erin­nern hier immer einge­bun­den sind).

Vergessen ist für Augé nicht nur als Ele­ment der Erin­nerung zu ver­ste­hen, son­dern als pro­duk­tiv­er Vor­gang der Erzäh­lung (und damit Gestal­tung) der Wirk­lichkeit — denn Vergessen, so Augé, öffnet Möglichkeit­en, Poten­tial­itäten der Ver­gan­gen­heit, der Gegen­wart oder der Zukun­ft. Also genau das, was Indi­viduen und Gemein­schaften brauchen:

Gedächt­nis und Vergessen bedin­gen sich gegen­seit­ig, bei­de sind notwendig zum umfassenden Gebrauch der Zeit. […] Das Vergessen führt uns zur Gegen­wart zurück […]. Man muss vergessen, um anwe­send zu bleiben, vergessen, um nicht zu ster­ben, vergessen, um treu zu bleiben. (102f.)/

Alexan­der Losse: Stro­phen. Berlin: Karin Kramer 2010. 65 Seit­en.

Stro­phen ist ein extrem deskrip­tiv­er Titel, denn das Lyrikde­büt Loss­es enthält genau das: Stro­phen. Genauer: 62 einzelne Stro­phen, alles Vierzeil­er (eine sechsver­sige Stro­phe ist auch dabei) mit dem sehr auf­fal­l­en­de­nen Ele­ment des Kreuz- bzw. umar­mende Reims organ­isiert. Getra­gen wer­den die kurzen Gedichte Loss­es durch ihre Lied­haftigkeit. Auch eine gewisse, schwebende Leichtigkeit ist ihrer Sprache eigen. Vor allem spricht aus ihnen (fast) allen aber ein großer, exis­ten­tieller Ernst: “Ver­wüs­tung eine Seele schuf” heißt es zum Beispiel gle­ich in der ersten Stro­phe. Fra­gende Meta­phern, offen für Antworten oder Ein­würfe bes­tim­men die meis­ten Stro­phen. Sie kön­nen sich auch recht gut ver­lieren — in der Kürze, der Klein­heit und der (fes­ten, vorgebe­nen, unange­tasteten) Form. Und manch­mal bleiben sie auch ein­fach in der Banal­ität des Reims und der religiös-christlich-kirch­lichen Meta­phern steck­en, so dass ich nicht so recht weiß, ob ich — bei eini­gen sicher­lich sehr guten „Stro­phen“ — den ganzen Band wirk­lich richtig gut finde …

XLVI
Gehst so leise in die Kirche,
fliehst so spät zum untern Grund.
Wessen Hand hat nur berühret,
wessen Weg dich herge­führet,
wessen Opfer schweigt dein Mund.
Gehst so leise in die Kirche.

Paulus Böh­mer: Kad­dish I‑X. Frank­furt am Main: Schöf­fling 2002. 345 Seit­en.

großar­tig: Die Form des Kad­dish, des jüdis­chen Trauerge­betes, nutzt Böh­mer, um den Leser mit so ziem­lich allem zu kon­fron­tieren, was sich denken lässt: Im Modus der Vergänglichkeit tauchen Sex­u­al­ität und Phan­tasie, Bil­dung und Erleben, Hochkul­tur und Under­ground neben‑, über- und hin­tere­inan­der auf. Das ist in sein­er Dichte und vor allem der per­ma­nen­ten Anspan­nung kaum am Stück zu lesen. Zehn Kad­dishs ver­sam­melt Böh­mer in diesem Band (inzwis­chen ist ja noch ein zweit­er erschienen), als eine Art Langgedichte mit 12 bis 50 Druck­seit­en Länge — also ganz schöne Brock­en. Und da Böh­mer immer mit ein­er kun­stvoll gesucht­en, unge­heuer vielfälti­gen, reichen Sprache auf höch­stem Niveau arbeit­et, ver­langt das auch dem Lesen viel Konzen­tra­tion, Aufmerk­samkeit und Durch­hal­tewil­len ab — Anstren­gun­gen, die sich aber lohnen, denn in sein­er konzen­tri­erten Erschöp­fung der Vergänglichkeit der Welt und des Lebens ist Böh­mer ein großar­tiger Lyrik­er.

Johannes Fried: Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biogra­phie. München: Beck 2013. 736 Seit­en.

Der Ver­lag — und auch einige Rezensen­ten — kön­nen sich ja vor Begeis­terung über diesen Wälz­er kaum einkriegen. Ganz so ging es mir nicht. Das liegt aber nur zum Teil an Fried selb­st, son­dern auch am Ver­lag. Nervig fand ich die — für einen Ver­lag wie Beck! — extrem niedrige Lek­torak­ts- und Pro­duk­tion­squal­ität. Ein paar Beispiele: die Kapitälchen ohne Klein­buch­staben, Flüchtigkeits­fehler (wie die falsche Veror­tung Ingel­heims auf der Karte oder falsche, nicht erk­lärte Abkürzun­gen im Text) und der auf Dauer etwas steife Stil, der etwas lek­to­ri­erende Glät­tung dur­chaus ver­tra­gen hätte, falsche Anmerkun­gen, die ver­wirrende Num­merierung der Abbil­dun­gen und Farbtafeln, das fehlende Abbil­dungsverze­ich­nis, der falsche Kolum­nen­ti­tel im Appen­dix, der bil­lige Umschlag …

Aber es geht ja um den Text selb­st. Der bietet sehr, sehr viel — aber nicht unbe­d­ingt das, was der Unter­ti­tel ver­spricht. “Eine Biogra­phie” ist das näm­lich aller­höch­stens periph­er, eigentlich über­haupt nicht. Das Leben eines karolingis­chen Herrsch­ers ist ja nicht mehr auszu­loten, worauf Fried selb­st natür­lich hin­weist — also bre­it­et ein Mit­te­lal­ter-His­torik­er alles aus, was er aus und über diese Zeit weiß. Das ist manch­mal sehr all­ge­mein und manch­mal sehr speziell (wie sich über­haupt mir manch­mal der Ein­druck auf­drängte, dass Fried nicht so genau wusste, für wen er eigentlich schreiben will: für den inter­essierten Laien? — Dafür set­zt er ziem­lich oft sehr gründliche Vorken­nt­nisse voraus. Für die Fachkol­le­gen? Dafür ist manch­es etwas all­ge­mein bis über­flüs­sig (und die Anmerkun­gen bzw. das Lit­er­aturverze­ich­nis etwas unge­nau …). Ger­ade das Panora­ma der früh­mit­te­lal­ter­lichen Welt macht diesen Karl aber so wertvoll.

Und Frieds Ansatz, Karls Leben und Hand­lun­gen mit zwei Moti­va­tion­ssträn­gen — den im Unter­ti­tel genan­nten Kom­plex­en “Gewalt” und “Glaube” — zu erk­lären, ist dur­chaus nachvol­lziehbar und richtig. Auch wenn, wie er es selb­st entwick­elt, die “Gewalt” — ins­beson­dere eben die Kriege wie die gegen die Sach­sen — (fast) immer aus dem “Glauben” erwächst. Das gelingt Fried übri­gens sehr schön, der Ver­such, Karl und seine Moti­va­tion aus dem Wis­sen und den Überzeu­gun­gen sein­er Zeit zu erk­lären. Fast bestechend wird das etwa bei der Frage nach der Kaiserkro­ne — ein Unternehmen, dass Fried dur­chaus schlüs­sig mit dem Ver­weis auf die ver­bre­it­ete und wahrgenommene Endzeit­stim­mung um 800 erk­lären kann.

Ann Cot­ten: Der schauernde Fäch­er. Erzäh­lun­gen. Berlin: Suhrkamp 2013. 253 Seit­en.

Obwohl ich Ann Cot­ten als Lyrik­erin dur­chaus mit Wertschätzung und Inter­esse wahrgenom­men habe, kann ich mit ihrem ersten Erzäh­lungs­band eher wenig anfan­gen. Das ist sehr wild, ungezähmt, unge­formt scheint es oft — wuch­ernd in Phan­tasie und Stil. Meistens/immer geht es um Liebes­beziehun­gen, um den Beginn ein­er Ver­trautheit und Zunei­gung und Liebe — aber in sehr selt­samen Kon­fig­u­ra­tio­nen und Beschrei­bun­gen. Schön und klug sind die eingear­beit­eten (oft eher unauf­fäl­li­gen, sel­ten expliziten) Gen­der-The­ma­tisierun­gen. Manch­es hat dur­chaus poet­is­ches Poten­tial, das sich auch beim ersten Lesen zeigt. Anderes erschien mir eher fahrig und ausufer­nd, mehr Ein­fall als Form, mehr Idee als Ausar­beitung, mehr Prä­ten­tion als Ein­lö­sung. Aber vielle­icht bin ich da etwas ungerecht — jeden­falls ver­spürte ich öfters ein­fach keine Lust, micht auf diese Tex­twel­ten wirk­lich einzu­lassen (warum auch immer).

Aus-Lese #5

Matthias Bech­er: Karl der Große. 5. Auflage. München: Beck 2007. 128 Seit­en.

Eine Biogra­phie, die keine Biogra­phie sein will. Und vor allem keine sein kann: Denn die im eigentlichen Sinne biographis­chen Zeug­nisse über Karl den Großen sind extrem rar gesät. Bech­er greift deshalb recht weit aus, bis zu den Anfän­gen der Merowingern — deren Geschichte wird auf weni­gen Seit­en ganz dicht erzählt. Nah an den Quellen, aber mir angenehmer Dis­tanz zum (ange­blichen) Kro­nzeu­gen Ein­hard beschreibt Bech­er das Leben und die Leis­tun­gen Karl des Großen wohltuend nüchtern und aus­ge­wogen, allerd­ings in manchen Din­gen zwangsläu­fig auch sehr knapp, v.a. was die Organ­i­sa­tion des Franken­re­ich­es und ins­beson­dere die “kul­turelle” Seite sein­er Herrschaft ange­ht.

U. D. Bauer: O.T.. Berlin: Die Andere Bib­lio­thek 2013. 245 Seit­en.

Ein schönes Spiel: Ein Buch — ein Roman? — der auss­chließlich eine Mon­tage ist: Die “Autorin” rei­ht 2857 Zitate aneinan­der und macht daraus so etwas wie einen Text. Also ein Spiel mit post­mod­er­nen The­o­rien von Inter­tex­tu­al­ität und Autoren­funk­tion. Aber eigentlich ein recht plattes, sozusagen die Dum­my-Ver­sion der The­o­rien: Denn ger­ade durch das Ausstellen des Zitatcharak­ters — das Buch ist so gedruckt, das sich das Mon­tieren als Kleben von Zettelchen/Textschnipseln ver­mit­telt — und vor allem durch den peniblen Nach­weis der Zitate und ihrer Fund­stellen wird natür­lich die eigentliche Idee der Inter­tex­tu­al­ität, des “il n’y a pas de hors-texte”, des Ver­schwindens des Autors gle­ich wieder kon­terkari­ert und ad absur­dum geführt. Also eher eine Kuriosität als irgend etwas wirk­lich überzeu­gen­des …
Der Leser (zumin­d­est ich) bleibt auf Dis­tanz, das ständi­ge Wech­seln der Zitate und Stile sorgt dafür schon alleine. Wenn man etwas bewun­dern kann, dann ist es wohl haupt­säch­lich die Fleißar­beit, die in dem Buch steckt — und die Pass­ge­nauigkeit, mit der U. D. Bauer die Zitate mon­tiert. Eine schöne Idee, deren Umset­zung mir aber etwas ent­lar­vend und etwas banal oder schlicht scheint.

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