Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: hören

Ins Netz gegangen (28.6.)

Ins Netz gegan­gen (26.6.–28.6.):

  • Trei­deln — Wie man eine Poet­ikvor­lesung ablehnt und trotz­dem schreibt — die Frank­furter Poet­ikvor­lesun­gen wer­den zunehmend per­for­ma­tiv (und span­nend …)

    Poet­ikvor­lesung? Kommt nicht in Frage. Ich bin doch nicht mein eigen­er Deutsch-Leis­tungskurs. Ohne mich.

  • Auf­stieg der Zeitzeu­gen | Medi­en im Geschicht­sun­ter­richt — Daniel Bernsen weist darauf hin, dass der Begriff “Zeitzeuge(n)” ein recht neuer ist — und zeigt, dass er im Deutschen, anders als im Franzö­sis­chen und v.a. im Englis­chen, eine Neuschöp­fung der 1970er/1980er Jahre ist
  • Clau­dio Abba­do: Der Fluss des Ganzen | ZEIT ONLINE — Julia Spin­o­la spricht — aus Anlass seines 80. Geburt­stags — mit dem wun­der­baren Clau­dio Abba­do. Und der erk­lärt (wieder) mal ganz gelassen, was so großar­tig und wichtig an der Musik ist:

    Die Magie eines lebendi­gen musikalis­chen Augen­blicks lässt sich nicht durch diri­gen­tis­che Kom­man­dos erzwin­gen. Sie ereignet sich, oder sie ereignet sich eben nicht. Das ist etwas ganz Zartes, Frag­iles. Dafür muss der Diri­gent mit dem Orch­ester zunächst ein­mal eine Atmo­sphäre der Offen­heit schaf­fen, ein wech­sel­seit­iges Ver­trauen. Darin beste­ht seine Führungsar­beit. Und man muss ler­nen, einan­der zuzuhören. Das Zuhören ist so wichtig. Im Leben wie in der Musik. Eine Fähigkeit, die immer mehr ver­schwindet.
    […] Die Musik zeigt uns, dass Hören grund­sät­zlich wichtiger ist als Sagen. Das gilt für das Pub­likum genau­so wie für die aus­führen­den Musik­er. Man muss sehr genau in die Musik hinein­lauschen, um zu ver­ste­hen, wie sie zu spie­len ist.

Trommeln, Glocken und anderes Geklöppel

Grandios: Die Eröff­nung des diejähri­gen Mainz­Musik-Fes­ti­vals der Mainz­er Musikhochschule. Ein Fest für ent­deck­ende Ohren, für offene Köpfe und Sinne.

Banner am Gebäuder der Musikhochschule

Aus der angekündigten Eröff­nung mit dem Pauken­schlag wurde dann doch nichts. Das Radyan-Ensem­ble hat­te für das Eröff­nungskonz­ert der diesjähri­gen Aus­gabe von Mainz­Musik näm­lich über­haupt keine Pauke mit­ge­bracht. Dafür waren auf der Bühne im Roten Saal der Musikhochschule aber jede Menge andere mehr oder wenige ungewöhn­liche Schla­gin­stru­mente. Und ja, ein paar Trom­meln waren auch dabei. Aber die spiel­ten gar keine so große Rolle.

Schon beim Auf­takt, einem Teil von Guo Wen­jings „Dra­ma“, kam das Per­cus­sion-Quar­tett ganz ohne Trom­mel aus: Nur mit drei Paaren des chi­ne­sis­chen Beck­ens, wie es eigentlich auss­chließlich in der Volk­sop­er Chi­nas ver­wen­det wird, arbeit­eten die Musik­er. Das reichte aber, um eine faszinierende Vielfalt des drama­tis­chen Aus­drucks, des genau struk­turi­erten Auf und Ab herzustellen. Das schep­perte dur­chaus mal kräftig, dröh­nte dumpf in den Ohren oder klir­rte flir­rend durch den Saal.

Ein vielver­sprechen­der Beginn. Und das Radyan-Ensem­ble löste das Ver­sprechen den Rest des Abend ein: Ein genau geplanter Ablauf, der nichts dem Zufall über­lässt, und naht­lose Übergänge machen aus der Rei­hung ver­schieden­ster Kom­po­si­tio­nen machen ihren Auftritt zu einem Ereig­nis, ein­er wun­der­baren Ent­deck­ungsreise in die Welt der kom­plex­en Rhyth­men.

Sich­er tauchen da auch Skuril­itäten auf: Ob Vito Zura­js „Top Spin“, das hier uraufge­führt wurde, wirk­lich dadurch gewin­nt, dass die drei Spiel­er am run­den Tisch mit den aus­gelegten Instru­menten immer mal wieder ihre Plätze wech­seln und die Stimme des anderen fort­set­zen? Beim ersten Hören zumin­d­est nicht. Es scheint, so der Klangein­druck, jeden­falls eine irrsin­nig kom­plizierte Par­ti­tur zu sein. Immer mal wieder schält sich aber aus dem ver­meintlichen Chaos so etwas wie Ord­nung her­aus – aber vielle­icht istauch das nur eine Täuschung, eine Illu­sion des Zuhör­ers.

Doch genau darum geht es hier ja: Neue Klänge ent­deck­en, neue Kom­bi­na­tio­nen erspüren, die Offen­heit des Hörens zu erfahren. Das kön­nen etwa die Uchi­wa Taikos sein, chi­ne­sis­che Trom­meln ohne Zarge, die fast nur aus dem Schlagfell beste­hen. Jar­rod Cagwin, der auch selb­st mit­spielt, hat für diese Instru­ment mit „Mut­tekopf“ eine Art Naturschilderung geschrieben – zumin­d­est hat er sich bei der Kom­posi­ton von der Berg­welt um den Mut­tekopf inspiri­eren lassen. Mit min­i­malen Ton­höhen­ver­schiebun­gen, erzeugt durch wan­dernde Schlag­punk­te auf den fächer­ar­ti­gen Trom­meln, und mit über­lagern­den Rhyth­men erzeugt er faszinierende Muster, aus denen man dann wirk­lich den Wasser­fall, den hin­ab­stürzen­den Stein oder den schnellen Abstieg ins Tal her­auzuhören meint.

Und solche Fasz­i­na­tio­nen gibt es immer wieder eine Menge an diesem Abend – etwa Sal­va­tore Scia­r­ri­nos kleines Glock­en­stück „Appen­dice alla per­fezione“ oder das große „Psap­pha“ von Ian­nis Xenakis. Genau solche Ent­deck­un­gen sind ja das Ziel von Mainz­Musik – und deshalb war das Radyan-Ensem­ble ein wun­der­bar­er Griff für das Eröff­nungskonz­ert.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

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