Hanna Schörken, Luma (Cover)

vocal jazz ist ja nor­maler­weise nicht unbe­d­ingt meine kra­gen­weite . das hier aber schon. das ist näm­lich ganz anders: befreiung der stimme. (gab es natür­lich schon vorher, hat sich in der impro­visierten musik aber anscheinend nicht so durchge­set­zt wie das instru­men­tale spiel (zumin­d­est in mein­er (eingeschränk­ten) wahrnehmung)). das ist aber über­haupt der punkt: das ist nicht sin­gen (wie der meiste vocal jazz), son­dern vokales spiel. und vielle­icht auch vokales spie­len. das instru­ment ist halt mund, rachen, lip­pen, stimm­bän­der, luft (und was son­st noch so dazuge­hört). text spielt keine rolle. das gefällt mir, mag ich in der impro­visierten musik nur sel­ten (was auch daran liegt, dass die dann meist arg banal wer­den — und vor allem in den meis­ten fällen zu ein­deutig, zu un-ambig sind, um den freien sin­nen der impro­visierten musik gerecht wer­den zu kön­nen.) das ist hier aber über­haupt nicht der fall. ganz und gar nicht. luma zeich­net sich durch ein über­bor­dende offen­heit aus: die ganzen, lei­der dann doch viel zu kurzen, 36 minuten, sind so ziem­lich das genaue gegen­teil von überde­ter­miniert.

also: han­na schörken ist anders. zart, aber bes­timmt. sehr feinsin­ning und feingliedrig fächert sie ihre musik immer wieder auf. und zwar immer wieder neu. die flex­i­bil­ität, die band­bre­ite der stimm­lichen äußerun­gen ist faszinierend frap­pierend. und, das ist der wesentlich fak­tor für meine begeis­terung, es ist nicht tech­nis­che spiel­erei oder vor­führerei der vokalen fähigkeit­en, son­dern ein­fach klan­glich span­nende, gren­zen negierende (oder nicht ein­mal das — sie spie­len ein­fach keine rolle) ent­deck­un­gen, phan­tasien, ideen, ein­drücke, emo­tio­nen.

zum gelin­gen trägt auch die konzen­tra­tion sehr bei: das sind meist kurze “stücke”, die elf werke, die auf luma ver­sam­melt sind. “songs” oder “lieder” mag man das ja nicht nen­nen. egal: han­na schörken, die mir auch in der ziem­lich coolen gruppe The Dorf beg­net ist, überzeugt mich sehr. allein dadurch, dass die ideen nicht tot­gerit­ten wer­den, aus­quetscht bis zum let­zen fitzel klang, son­dern halt so lange dauern, wie es nötig ist. das ist auch eine kun­st, die nicht alle improvisator*innen immer rest­los beherrschen.

und in diesem kurzen (noch ein­mal: zu kurzen) album ist so viel schön­heit, so viel wilde und zugänglich, uner­schlossene und offene, zugänglich und zutrauliche schön­heit. allein das vib­ri­erende, san­ft-fül­lige end­ing ist schon alles wert. ich kann gar nicht aufhören zu schwär­men …

Han­na Schörken: Luma. Leo Records LR 893, 2020. 36:13 Minuten.