Vielleicht sind “Day & Taxi” auch nur auf der Suche nach einem Weg. Auf Way gibt es davon jedenfalls viele. Christoph Gallio als Chef dieses Trios mit dem seltsamen Namen “Day & Taxi”, der auch alle Musik für diese im Januar im Studio aufgenommene CD beisteuert, begegnet mir so halb am Rande meines musikalischen Wahrnehmungsfeldes immer mal wieder (die “Soziale Musik” finde ich zum Beispiel konzeptionelle sehr spannend). Das Trio gibt es jetzt schon eine ganze Weile, auch die neue Besetzung — mit jungen Männern am Bass und Schlagzeug — ist schon gut eingespielt.
So ist Way eine sehr kontrastreiche CD geworden, die viel sehr heterogenes Material versammelt, auch von unterschiedlicher Spannung und Güte in meinen Ohren. MM (for Mark Müller) als Beispiel versammelt das meiste davon gleich in einem: gemäßigtes Powerplay, das dann wieder ins Stocken gerät, in eine Leere, eine Art musikalisches Einfrieren fällt, daraus aber wieder weitermacht und auch poetisch-versonnene Einfälle problemlos integriert.
Viele “Widmungsstücke” gibt es auf Way, die Namen sagen mir fast alle nichts. Nicht immer wird beim Hören klar, wie viel/was davon jetzt komponiert oder improvisiert ist — das ist aber eben auch egal: Kontingenzen und Möglichkeitsformen werden nicht ohne Grund in den Liner Notes thematisiert. Das ist vielleicht das auffälligste an Way: Dass es kaum eine wirkliche Richtung gibt, sondern das Trio vielen Verästelungen nachgeht, an Weggabelungen immer neu spontan-zufällig entscheidet — und dabei Umwege und Irrungen, auch Sackgassen in Kauf nimmt, nicht verschweigt, sondern auch dem Hörer offenbart. Wahrscheinlich fällt mir deshalb das Urteil so schwer: Ich höre die Qualität des Albums, das ist unstreitig richtig gute Musik. Aber ich habe das ganze jetzt drei- oder viermal gehört: Und so richtig mitreißen oder begeistern kann es mich als Ganzes nicht. Vielleicht liegt es am Klangbild, Gallios Saxophone klingen mir etwas eng-nasal … Es mag aber aber auch an den Uneindeutigkeiten liegen. Was aber wieder seltsam ist, weil ich offene Musik eigentlich favorisiere. Nur bleibt mir diese Offenheit hier etwas verschlossen. (Naja, die Metapher habe ich jetzt genug strapaziert …). Aber andererseits: Bei jedem Hören entdecke ich neue spannende, faszinierende Momente. MM habe ich schon erwähnt, auch Snow White Black Magic ist ziemlich gelassen-großartig. Dazwischen steht auch viel kurzes Material, das da einfach so herumsteht, wie ein Gewächs am Wegerand: Das ist, das existiert für sich — aber damit passiert nichts. Manchmal fällt es einem der drei Reisenden auf, dann entwickeln sich daraus Ideen, komplexere Abläufe. Manchmal ist es nach ein paar Dutzend Sekunden aber auch wieder aus dem Blickfeld und damit erledigt. Bis etwas Neues auftaucht, einfällt oder passiert.
Way hat aber noch eine wirkliche Besonderheit. Unter den 22 Titeln sind einige Miniaturen. Und darunter noch drei spezielle: Miniaturen nämlich, die Texte von Friederike Mayröcker aufnehmen. Das hat mich — als Mayröcker-Leser — natürlich sehr neugierig gemacht. Der Bassist Silvan Jeger singt also dreimal, jeweils vier bis sechs Zeilen älterer Gedichte aus dem umfangreichen Katalog Mayröckers, mit ein bisschen Geplänkel des Trios dabei. Leider sind das wirklich knappeste Stückchen — zwischen 37 und 47 Sekunden lang. Und musikalisch passiert da auch nicht sehr viel. Immerhin wird hier also mal Mayröcker gesungen — so arg häufig passiert das ja nicht. Viel mehr höre ich da aber auch nicht. Vor allem keine Antwort auf das Warum? (Warum Mayröcker? Warum diese Texte?).
Day & Taxi: Way. Percaso 2016: percaso 34. Spielzeit: 1:09:52.