Ins Netz gegan­gen am 19.5.:

  • Im Gespräch: Timo Brandt redet mit Bertram Rei­necke | Fix­po­et­ry → bertram rei­necke gibt timo brandt lange antworten übers ver­legen, exper­i­mentelle lit­er­atur und seine eigene lyrik

    Nein, ich wollte immer bloß inter­es­sante Lit­er­atur ver­legen, solche, die irgend­was bietet, was man ander­swo nicht geboten bekommt. Ich muss nicht jedes Jahr ein Pro­gramm füllen und kann warten, was mich trifft. Darüber hin­aus ver­lege ich lieber Autoren, deren Beson­der­heit ich auch greif­bar schildern kann.
    […] Ins­ge­samt ist der Ver­dacht, dass bes­timmte alte For­men bes­timmte alte Inhalte nahele­gen, zwar nie unbe­grün­det, aber das Prob­lem erweist sich als eines, mit dem man sehr gut umge­hen kann.

  • Zum Geschäft der Lit­er­aturkri­tik heute | Voll­text → daniela strigl beant­wortet den “volltext”-fragebogen:

    Für mich per­sön­lich: die Sim­u­la­tion ein­er gesellschaftlichen Rel­e­vanz, die sie schon seit Län­gerem nicht mehr hat. Ich muss zumin­d­est so tun, als wäre die Kri­tik noch wichtig, damit ich jenes Maß an Hingabe und Ernst auf­bringe, das jed­er lit­er­arische Text grund­sät­zlich ver­di­ent. Mit­ten in dieser mir selb­st vorge­spiel­ten Wichtigkeit däm­mert mir freilich die Irrel­e­vanz meines Tuns, die wiederum eine schöne Frei­heit eröffnet. All­ge­mein betra­chtet ist die Kri­tik in ihrer Mar­gin­al­isierung natür­lich als siame­sis­ch­er Zwill­ing an die Lit­er­atur gebun­den. Der Zeit­geist hält nicht viel von Lit­er­atur und von lit­er­arisch­er Bil­dung beziehungsweise er hält sie für Luxus, ergo ent­behrlich. Das wird sich ein­mal auch wieder ändern, bis dahin lese und schreibe ich unver­drossen weit­er.

  • Smarte Mobil­ität | taz → Mar­tin Held, Man­fred Kriener und Jörg Schindler schla­gen vor, vorhan­dene, funk­tion­ierende Assis­ten­zsys­tem bei Pkw und Lkw viel stärk­er einzu­binden, um Unfälle zu ver­mei­den

    Wir haben Visio­nen vom kom­plett autonomen Auto, das ange­blich alles bess­er macht. Wir trauen uns aber nicht, nüt­zliche Assis­ten­zsys­teme auch nur in Ansätzen vorzuschreiben?

    Der oben beschriebene Ein­satz der Tech­nik wäre sofort mach­bar und würde eine heil­same Wirkung ent­fal­ten. Eben­so wäre in der Über­gangszeit ein „Mis­ch­be­trieb“ von Fahrzeu­gen mit und ohne Assis­ten­zsys­teme prob­lem­los möglich. Und noch ein­mal: In allen Fällen blieben die Frei­heits­grade beim Fahren so lange voll­ständig erhal­ten, wie die Rechtsvorschriften einge­hal­ten und keine gefährlichen Fahrmanöver ges­tartet wer­den.

  • Gestern böse, heute nor­mal | Zeit → Har­ald Welz­er über “shift­ing base­lines” (oder, um es anders zu sagen: verän­dernde diskurse)

    Shift­ing base­lines sind ger­ade in Zeit­en großer poli­tis­ch­er Dynamik ein Prob­lem, weil die Nachricht­en, Begriffe, Konzepte und Pro­voka­tio­nen so beschle­u­nigt und vielfältig einan­der abwech­seln, dass man kaum bemerkt, wie das, was gestern noch als unsag­bar galt, heute schon Bestandteil eines schein­bar nor­malen poli­tis­chen Diskurs­es ist. […] Wie bemerkt man solche Ver­schiebun­gen, und wie stemmt man sich dage­gen? Dafür gibt es kein Paten­trezept, schließlich ist man als Mit­glied ein­er Gesellschaft stets Teil ein­er sich verän­dern­den sozialen Gemein­schaft. Aber vielle­icht kann man sich darin üben, gele­gentlich “Augen­blick mal!” zu sagen, wenn einem etwas so vorkommt, als habe man es kurz zuvor nicht mal denken, geschweige denn sagen wollen. … Ein­fach mal den Rede- und Denk­fluss unter­brechen, die base­line am Ver­schieben hin­dern. Den eige­nen moralis­chen Kom­pass eichen.

  • Gedichte für alle! | NZZ Felix Philipp Ingold recht klug über die Vorteile von Lyrik, ihre Rezep­tion und Kri­tik momen­tan →

    Im Unter­schied zum Infor­ma­tion­s­ge­halt des Gedichts ste­ht seine Sprachgestalt ein für alle Mal fest, sie ist am und im Gedicht sinnlich fass­bar, ist Gegen­stand sein­er ästhetis­chen Erken­nt­nis, dies in Ergänzung oder auch in Kom­pen­sa­tion zu dem von ihm Gemein­ten. Nicht sein­er Bedeu­tung nach, aber als Laut­ge­bilde hat das Wort in jedem Fall seine eigene Wahrheit – nicht zu wider­legen, nicht zu ver­fälschen, niemals adäquat zu über­set­zen.