Ein eher unschein­ba­res klei­nes Büch­lein sind die „Läu­fer­ge­schich­ten aus Afri­ka“ des Sport­jour­na­lis­ten Robert Hart­mann. Auf knapp 170 Sei­ten wer­den hier eine Men­ge Lang­stre­cken­läu­fer vor­ge­stellt. Sie kom­men (fast) alle aus Kenia – da kennt Hart­mann sich offen­bar aus. Inso­fern ist das „Afri­ka“ im Titel etwas irre­füh­rend. Ende der 1960er setzt sei­ne Geschich­ten­samm­lung ein und führt bis in die 1990er. Ganz ver­schie­de­ne klei­ne Stim­mungs­bil­der sind es, die Hart­mann hier ver­sam­melt, meist in der Form kur­zer Por­träts: Wett­kampf­er­zäh­lun­gen, Lauf­bio­gra­phien, Läu­fer­le­bens­we­ge, …

Aber so viel inter­es­san­tes und unter­halt­sam-nett Geplau­der­tes hier auf­ge­schrie­ben ist, so vie­le Stol­per­stei­ne leg­ten sich mir auch immer wie­der in den Lese­weg. Das hat eini­ge ver­schie­de­ne Grün­de: Das nicht geklär­te Ziel des gan­zen Buches etwa. So spricht er z.B. ger­ne vom „Wun­der“ der Läu­fer aus Kenia und ihren über­ra­gen­den Leis­tun­gen – Erklä­rungs­an­sät­ze feh­len aber ziem­lich kom­plett, Hart­mann ver­sucht es noch nicht ein­mal. Trai­ning fin­det hier ja auch über­haupt nicht statt – statt­des­sen gilt das „Gesetz der Savan­ne“, was auch immer das sein soll … (Schön auch: „Die Jäger und Samm­ler hat­ten nichts ver­lernt.“ [82]) Und dann die oft genug uner­träg­li­che roman­ti­sche Ver­klä­rung, der sich Hart­mann so ger­ne beflei­ßigt – Fak­ten tau­chen zwar auf, sind aber viel weni­ger wich­tig (genau wie geschicht­li­che Hin­ter­grün­de) als die Stim­mung – und natür­lich immer wie­der: die Freund­schaft des Autors mit den Läu­fern, vor allem Mike Boi­to.

Am meis­ten genervt hat mich ja die naï­ve Ver­klä­rung der Unter­ent­wick­lung eines gan­zen Kon­ti­nents und der Armut: Die Keni­aer sind hier die bes­se­ren Men­schen, noch unver­dor­ben von den Bequem­lich­kei­ten der Moder­ne, sie sind noch „ech­te“ Men­schen mit natür­lich-gesun­dem Ver­hält­nis zum Kör­per und des­sen Leis­tungs­fä­hig­keit (immer wie­der erzählt er, wie die Ath­le­ten zu Fuß zum Wett­kampf kom­men …). Höchs­tens als gute Moti­va­ti­on zur ech­ten Leis­tung, die die ver­weich­lich­ten Euro­pä­er nicht mehr brin­gen wollen/​können, spielt Armut hier letzt­lich eine Rol­le. Und das führt direkt zum nächs­ten Punkt: Hart­manns mehr oder weni­ger ver­deck­tem (Rest-)Kolonialismus – es geht nicht dar­um, Afri­ka und den Afri­ka­nern Mög­lich­kei­ten der Ent­wick­lung auf­zu­zei­gen (ok, das wäre in die­sem Rah­men auch zu viel ver­langt), son­dern eigent­lich dar­um, das Gefäl­le zwi­schen Afri­ka und Euro­pa aus­zu­nut­zen. Gewiss, für ein­zel­ne Indi­vi­du­en mag das funk­tio­nie­ren und erfolg­reich sein – die Hun­der­te Läu­fert, die sich auf dem Weg dahin auf­rei­ben und schei­tern, spie­len hier kei­ne wirk­li­che Rol­le. Das lei­ten­de Prin­zip ist das der hoch­be­gab­ten Habe­nicht­se, die zum Erfolg lau­fen. Und die freu­en sich über die pri­mi­tivs­ten, erbärm­lichs­ten Almo­sen, die der freund­lich geson­ne­ne väter­li­che Freund aus dem rei­chen Deutsch­land ab und an über­reicht. „Das war ein ein­fa­ches Sys­tem. Aber es funk­tio­nier­te.“ (136)

Poli­tik taucht über­haupt nicht auf – als spiel­te sich das Leben nur auf dem Sport­platz ab. Und das Frau­en nichts zu mel­den haben – macht nichts. Dafür ist er offen­bar außer­or­dent­lich begeis­tert von den grau­sa­men, eli­tä­ren, män­ner­bünd­le­rischn Ini­ta­ti­ons­ri­ten der Stäm­me. Nun ja …

Also, alles in allem: Eine net­te Lek­tü­re zwi­schen­durch, wenn man eini­ge Ansprü­che mal außen vor lässt.

Robert Hart­mann: Läu­fer­ge­schich­ten aus Afri­ka. Has­sel­roth: Schmid 2004. 172 Sei­ten. ISBN 3−938101−01−6.