Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: weihnachten

Weihnachtsgeschichte

Tilman Ramm­st­edt hat für die “Zeit” eine wun­der­schön melan­cholisch-wehmütige Wei­h­nachts­geschichte geschrieben, die den Ver­lust des Festes und der Familie(n) zum The­ma hat — und die immer wieder uner­füllt bleibende Sehn­sucht nach der total­en Har­monie und der vol­len­de­ten Beständigkeit:

Es sollte jet­zt los­ge­hen, es sollte sich jet­zt wieder­holen, es sollte jet­zt endlich wieder Fam­i­lie sein.

(weil ich über Wei­h­nacht­en strenge Nachricht­en- und Medi­endiät gehal­ten habe, komme ich erst jet­zt dazu, meinen Fee­dread­er durchzuar­beit­en. Bis Heilig Abend bin ich schon vorge­drun­gen …)

Taglied 26.12.2011

Wei­h­nacht­en auf Droge … Und wahrschein­lich die einzige Art, wie man mit “Jin­gle Bells” über­haupt noch musikalisch umge­hen kann — so wie die A‑Cap­pel­la-Großmeis­ter Raja­ton es tun (allerd­ings auf finnisch …):

Taglied 25.12.2011

Heute gibt es nicht viel zu über­legen, son­dern etwas ganz offen­sichtlich­es: Die Wei­h­nacht­shis­to­rie von Hein­rich Schütz, zum Beispiel in dieser ganz ordentlichen Ver­sion des Mon­tever­di-Chors Würzburg:

Taglied 24.12.2011

Heute muss es natür­lich ein Wei­h­nach­stlied sein. Allerd­ings in etwas anderem Gewand. Und zwar von dem Pro­jekt “Alte Wei­h­nacht­slieder neu”, das Chris­t­ian Stey­er vor einiger Zeit in Berlin recht erfol­gre­ich ins Leben ruf und das genau das tut, was der Name sagt: Alte Wei­h­nacht­slieder neu sin­gen — in der Regel a‑cappella und in wirk­lich schö­nen Sätzen. Zum Beispiel das hier, “Es kommt ein Schiff geladen”:

Taglied 23.12.2011

Wir näh­ern uns Wei­h­nachen … Deshalb gibt es heute etwas zur Ein­stim­mung: “Es ist ein Ros entsprun­gen”, in einem Satz von Hugo Dis­tler, einge­sun­gen von dem Madri­gal­chor Kiel unter Friederike Woe­bck­en:

Alle Jahre wieder: Das Weihnachtsoratorium

Schon die schiere Größe ist beein­druck­end, die Chor­massen auf den Altarstufen, die Länge des Werkes und das Durch­hal­tev­er­mö­gen der Musik­er und des Pub­likums. Das ist aber eher seine portliche Leis­tung. Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschaft gelingt es allerd­ings, daraus auch dur­chaus beein­druck­ende Musik zu machen. Dabei ist das für ihn schon fast Rou­tine: Regelmäßig ste­ht in der Wei­h­nacht­szeit auch im Dom das kom­plette Bach­sche Wei­h­nacht­so­ra­to­ri­um auf den Plan. Dieses Jahr war es wieder so weit.

Und ganz schnell, näm­lich schon beim „Jauchzet, frohlock­et“ des Ein­gangschores, wird klar: Dieses Mal wird das Wei­h­nacht­so­ra­to­ri­um noch lebendi­ger und kraftvoller klin­gen. Der Dom­chor und das Mainz­er Kam­merorch­ester leg­en sich gle­ich ins Zeug, als hät­ten sie nicht noch über zwei Stun­den Musik vor sich. Und doch bleibt Bre­itschaft sein­er Inter­pre­ta­tion­slin­ie treu: Das wirk­liche Erstaunen ob des Wun­ders der Geburt Jesu Christ ste­ht im Mit­telpunkt. Und die unbändi­ge Freude darüber, immer wieder jauchzt, frohlockt und jubelt der Chor, die Instru­men­tal­is­ten und auch die Solis­ten.

Die zügi­gen Tem­pi dieser hochges­timmten Musik sind dabei dur­chaus irdisch, wirk­lich entrückt wirkt das fast nur im Choral „Ich steh an dein­er Krip­pen hier“ im sech­sten Teil. Das gilt vor allem in der ersten Hälfte, den ersten drei Kan­tat­en für die eigentlichen Wei­h­nachts­feiertage. Hier wird die eigentliche Wei­h­nachts­geschichte, der Kern des Wun­ders, erzählt. Und hier singt der Mainz­er Dom­chor. Denn nach der Pause erset­zt Bre­itschaft die jun­gen Stim­men des Dom­chors mit den etwas reifer­en der Domkan­tor­ei St. Mar­tin. Und diesen Unter­schied hört man deut­lich: Die Kan­tor­ei klingt erwach­sen­er, fül­liger und singt mit mehr Druck, aber nicht ganz so beweglich wie der Dom­chor. Die immer etwas ungläu­big-naive Begeis­terung des Beginns wan­delt sich in ehrfürchtiges Staunen.

Auf der Suche nach dem Charak­ter­is­tis­chen jedes einzel­nen Satzes kommt Bre­itschaft so sehr weit. Die Verve, mit der er sich und die Chöre etwa in jeden einzel­nen der sechs Ein­gangschöre stürzt, ist jedes­Mal beein­druck­end. Und sie überträgt sich recht prob­lem­los auf den Rest des Ora­to­ri­ums, auch auf Arien und Rez­i­ta­tive der Solis­ten. Die wur­den in der Pause nicht aus­gewech­selt, was aber nicht von Nachteil war. Denn auf einen Evan­ge­lis­ten wie Christoph Pré­gar­di­en, dem man in jedem Satz seine lange Erfahrung und seine Detail­freudigkeit anhört, möchte man keines­falls verzicht­en – auch wenn die Höhe in den Spitzen­tö­nen in der let­zten Arie etwas mürbe wird. Inten­sive Kläng steuern auch die Altistin Alexan­dra Rawohl und der Mainz­er Bass Patrick Pobeschin bei, während die Sopranistin Clau­dia von Tilz­er oft etwas über­drama­tisch agiert. Aber selb­st die plaka­tiv­en Momente find­en ihren Platz: Manch­mal muss man eben etwas dick­er auf­tra­gen. Son­st wür­den da ja auch nicht fast 100 Cho­ris­ten sin­gen.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

Taglied 18.12.2011

Jauchzet, frohlock­et! auf, preiset die Tage,
Rüh­met, was heute der Höch­ste getan!
Las­set das Zagen, ver­ban­net die Klage,
Stim­met voll Jauchzen und Fröh­lichkeit an!

Heute ist es — aus Anlass der Auf­führung im Mainz­er Dom — das Bach’sche Wei­h­nachts-Ora­to­ri­um, das meine Musik des Tages ist. Und immer wieder stelle ich fest: Die Sin­fo­nia der zweit­en Kan­tate ist ein­fach genial:

 

st. petersburg und mainz

Der Zusam­men­prall zweier Kul­turen gilt oft als ein Zeichen von Unheil. Das muss aber nicht unbe­d­ingt so sein. Ger­ade in der Musik haben sich immer wieder große Ereignisse aus dem Aufeinan­dertr­e­f­fen vol­lkom­men unter­schiedlich­er Stile und Musik­er ereignet. Das adventliche Chorkonz­ert im Dom war genau so ein Fall. Im Zen­trum stand zwar der St. Peters­burg­er Knaben­chor. Aber die Mainz­er ließen es sich nicht nehmen, den Mäd­chen­chor wenig­stens ein biss­chen sin­gen zu lassen. Und das war eine großar­tige Idee. Denn einen großen Teil sein­er Wirkung und Ein­drück­lichkeit zog diese Adventsmusik aus dieser Kon­fronta­tion. Hier trat­en zwei völ­lig ver­schiedene Chor­tra­di­tio­nen ins Blick­feld, zwei ganz gegen­sät­zliche Klangkul­turen.
Den Anfang machte der Mainz­er Mäd­chen­chor. Nicht viel war es, was sie san­gen. Aber es reichte Karsten Stor­ck, um das Niveau und die Qual­ität seines Ensem­bles wieder ein­mal plas­tisch bewusst zu machen. Egal, ob verträumt und san­ft schwin­gend wie der Satz des Wei­h­nacht­sliedes „Maria durch ein Dorn­wald ging“ oder fed­ernd zupack­end wie bei der aus­gewählten Mag­ni­fi­cat-Ver­to­nung: Immer bewiesen sie volle Präsenz, vor­bildliche Klarheit und Ein­heit des Klangkör­pers, der alle Struk­turen klar erken­nen ließ.
Und dann der Wech­sel zu den rus­sis­chen Jun­gen. Das war nicht nur ein anderes Geschlecht, das war eine ganz andere Idee des Chork­langs. Denn Trans­parenz und kom­pos­i­torische Struk­turen waren jet­zt über­haupt nicht mehr wichtig. Jet­zt ging es vor allem darum, den Raum mit Klang auszufüllen – ein Vorhaben, das im Mainz­er Dom zu sehr anre­gen­den Ergeb­nis­sen führte.
Alles war immer im Fluss, jed­er Über­gang wurde von Wladimir Ptscholkin so sorgsam abgefed­ert, dass er nahezu unerkennbar wurde. Es war eine schein­bar nie ver­siegende Fülle weich­er Klang­bilder, die sie aus den Werken vor­wiegend rus­sis­ch­er Kom­pon­is­ten her­ausholten. Und es war immer wieder verblüf­fend, wie naht­los sie sich in den Raum schmiegten, wie die gar nicht so vie­len Kinder und Jugendliche die Energien fließen ließen. Einen Sieger gab es in diesem Konz­ert natür­lich nicht, nur zwei völ­lig unter­schiedliche klan­gliche Ergeb­nisse. Aber schön waren bei­de.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

die faz sucht die idylle

und find­et sie auf einem wei­h­nachts­markt in der ron­neb­urg. dumm nur, das davon gar nichts stimmt: wed­er mit­te­lal­ter­lich, noch fernab von kom­merz, noch abseits des trubels. dafür muss man noch nicht ein­mal da gewe­sen sein, da genügt schon das ange­blich redak­tionelle wer­be­film­chen: klick.

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