Zum 50. Geburtstag darf man sich als Ensemble schon mal etwas gönnen. Zum Beispiel drei CDs, aufwendig und geschmackvoll verpackt und ganz schlicht „Gold“ betitelt. Dann haben auch die anderen – das Publikum – etwas vom Jubiläum. Und wenn alles gut läuft, ist das Produkt dann nicht nur ein Zeugnis der langen Geschichte, sondern auch musikalisch überzeugend. Bei den King’s Singers hat offensichtlich alles geklappt. Denn ihr „Gold“-Album, die mehr als drei Stunden neuen Aufnahmen, die sie sich und uns zum Fünfzigsten gönnen, ist ein wunderbares Juwel – und zeigt auch sehr schön, auf welchem hohen Niveau die aktuelle Besetzung der King’s Singers heute singt. Denn obwohl „Gold“ weitgehend ohne virtuose Schnitte im Studio aufgenommen wurde, ist die vokale und musikalische Perfektion der sechs Engländer erneut atemberaubend. Und, das ist auch nicht neu, aber dennoch immer wieder verblüffend: Es ist ziemlich egal, ob sie Renaissance-Motetten oder raffinierte Arrangements von Pop-Songs singen. Alles, was sie sich vornehmen, machen sie sich unabdingbar zu eigen. Und so klingen dann fünf Jahrhunderte Musik doch ziemlich gleich – wie fünf Jahrzehnte King’s Singers eben.
Denn die drei CDs von Gold umspannen nicht nur das weite Repertoire der King’s Singers, sondern auch große Teile der Musikgeschichte: 80 kurze und kürzere Stücke habe sie ausgewählt, einiges davon speziell für diesen Anlass arrangieren oder komponieren lassen. Die erste CD, „Close Harmony“, verzaubert schon mit den ersten Takten von „We are“ von Bob Chilcott, dem langen Weggefährten des Ensembles, der als einziger auch Musik zum zweiten Teil von „Gold“, der geistlichen Musik, und dem dritten Teil, der weltlichen A‑Cappella-Musik beigesteuert hat.
Jeder wird naturgemäß andere Lieblinge haben, aber Lieblinge sollte hier jeder finden. Denn in den über drei Stunden Musik dürfte jeder Geschmack mehr als einmal getroffen werden. Zumal die King’s Singers John Legend genauso liebevoll und überzeugend singen wie Orlando Lassus. Heinrich Schütz kommt ebenso zu Ehren wie Rheinbergers „Abendlied“, das hier tatsächlich auch ohne Chor sehr emotional wirkt, auch wenn die deutsche Aussprache nicht unbedingt die Spezialität der Briten ist. John Rutter hat für sie ein paar Shakespeare-Zeilen mit sehr intensiver Musik versehen, Bob Chilcotts „Thou, my love, art fair“ steht völlig richtig zwischen Wiliam Byrd und Palestrina. So ließe sich die Reihe der Höhepunkte noch lange fortsetzen. Denn die King’s Singers singen all das so wunderbar geschmeidig und perfekt abgestimmt, jeweils so charakteristisch zart oder druckvoll, ätherisch schwebend oder solide grundiert, dass man bei allen drei CDs von deren Ende immer wieder überrascht wird.
The King’s Singers: Gold. 3 CDs. Signum Records 2017. 67:37 + 61:15 + 65:37 Minuten Spielzeit.
(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #45, Januar 2018)