Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: neue musik Seite 2 von 8

Ins Netz gegangen (26.3.)

Ins Netz gegan­gen am 26.3.:

  • Fahr­rad­boom und Fahr­rad­in­dus­trie – Vom Draht­esel zum „Bike“ – ein sehr schö­ner, lan­ger, viel­fäl­ti­ger, brei­ter und inten­si­ver text von gün­ter brey­er zur situa­ti­on des fahr­rads als pro­dukt in deutsch­land: her­stel­lung, ver­trieb, ver­kauf in deutsch­land, euro­pa und asi­en – mit allem, was (öko­no­misch) dazu gehört …
  • Gesetz­ge­bung: Unsinn im Straf­ge­setz­buch | ZEIT ONLINE – tho­mas fischer legt in sei­ner zeit-kolum­ne unter dem titel „Unsinn im Straf­ge­setz­buch“ sehr aus­führ­lich dar, war­um es im deut­schen recht ein­fach schlech­te, d.h. hand­werk­lich ver­pfusch­te, para­gra­phen gibt und for­dert, in die­ser hin­sicht auch mal aufzuräumen

    Ein Bei­spiel für miss­glück­te Gesetz­ge­bung und insti­tu­tio­na­li­sier­te Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit – und ein Auf­ruf zur Reparatur

  • Anti­se­mi­tis­mus: Was heißt „N.soz“? | ZEIT ONLINE – adam soboc­zyn­ski über den ver­dacht (der sich bis­lang nicht erhär­ten oder wider­le­gen lässt), dass die heid­eg­ger-aus­ga­be mög­li­cher­wei­se phi­lo­lo­gisch nicht sau­ber erstellt wur­de (was inso­fern pro­ble­ma­tisch ist, als der zugang zum nach­lass nur ein­ge­schränkt mög­lich ist und die heid­eg­ger-aus­ga­be eh’ schon kei­ne kri­ti­sche ist – was bei einem phi­lo­so­phen die­ses ran­ges & ein­flus­ses eigent­lich not­wen­dig wäre)

    Hät­te der mas­si­ve Anti­se­mi­tis­mus des Phi­lo­so­phen Mar­tin Heid­eg­ger frü­her belegt wer­den kön­nen? Das fragt sich mitt­ler­wei­le auch der Ver­lag der umstrit­te­nen Gesamt­aus­ga­be und ver­langt jetzt den Her­aus­ge­bern Rechen­schaft ab.

  • Musik – Der voll­kom­me­ne Musi­ker – Süddeutsche.de – rein­hard brem­beck wür­digt zum 90. geburts­tag pierre bou­lez und sei­ne eigent­lich irren leistungen:

    Bou­lez, der an die­sem Don­ners­tag sei­nen 90.Geburtstag fei­ert, ist der voll­kom­me­ne Musi­ker. Er ist Kom­po­nist, Diri­gent, For­scher, Intel­lek­tu­el­ler, Pro­vo­ka­teur, Päd­ago­ge, Ensem­ble- und Insti­tuts­grün­der in Per­so­nal­uni­on. Und das alles nicht nur im Neben‑, son­dern im Haupt­be­ruf. Damit steht er heu­te zwar allein da, er knüpft aber an ein bis in die Roman­tik durch­aus gän­gi­ges Berufs­bild an, das Musi­ker nur gel­ten lässt, wenn sie mög­lichst all die­se Tätig­kei­ten glei­cher­wei­se ausüben.
    Bou­lez ist von Anfang an ein Prak­ti­ker gewe­sen. Aber einer, der sich nie sei­ne Träu­me durch die Ein­schrän­kun­gen und fau­len Kom­pro­mis­se der Pra­xis kor­rum­pie­ren ließ.

  • Pierre Bou­lez: „Sprengt die Opern­häu­ser!“ | ZEIT ONLINE – eine geburts­tags­wür­di­gung für pierre bou­lez von felix schmidt, die sich stel­len­wei­se schon fast wie ein nach­ruf liest …

    Bou­lez hat dem Musik­be­trieb einen gewal­ti­gen Stoß ver­setzt und ihm viel von sei­ner Gedan­ken­lee­re aus­ge­trie­ben. Die Lang­zeit­fol­gen sind unüberhörbar.

  • Ille­ga­le Down­loads machen dem E‑Book-Markt Sor­gen – ein etwas selt­sa­mer arti­kel von cle­mens voigt zur pira­te­rie bei ebooks: eigent­lich will er ger­ne etwas panik ver­brei­ten (und pira­te­rie mit dem dieb­stahl phy­si­cher gegen­stän­de gleich­set­zen) und lässt des­halb aus­führ­lich die abmahn­an­wäl­te wal­dorf-from­mer zu wort kom­men und anbie­ter von pira­te­rie-bekämp­fungs-soft­ware. ande­rer­seits wol­len die ver­le­ger die­se panik­ma­che wohl nicht so ganz mit­ma­chen … – des­we­gen bleibt das etwas einseitig …
  • Selbst­bild einer Uni­ver­si­tät « erlebt – fran­çois bry über das pro­ble­ma­ti­sche ver­ständ­nis von wis­sen­schaft & uni­ver­si­tät, dass „kin­der­unis“ ver­mit­teln können:

    Die Fami­li­en­vor­le­sung war unter­halt­sam. Lehr­reich war sie inso­fern, dass sie ein paar Vor­stel­lun­gen auf den Punkt brachte:
    Ein Pro­fes­sor ist ein Star.
    Eine Vor­le­sung ist eine ein­drucks­vol­le Schau.
    Ver­ste­hen, wor­um es bei einer Vor­le­sung geht, tut man wenn über­haupt außer­halb des Hörsaals. 

  • Feh­len­de Netz­neu­tra­li­tät für Tele­kom-Kun­den spür­bar | dani​el​-weber​.eu – dani­el weber erklärt, wie die tele­kom den feh­len­den zwang zur netz­neu­tra­li­tät aus­nutzt und war­um das auch für ganz „nor­ma­le“ kun­den schlecht ist
  • Autoren nach der Buch­mes­se – Sibyl­le-Berg-Kolum­ne – SPIEGEL ONLINE – sibyl­le berg ist gemein – zu ihre kol­le­gen schrif­stel­lern und den ver­tre­tern des literarjournalismus:

    Auf allen Kanä­len wur­den Schrift­stel­ler wie­der über ihr Schrift­stel­ler­tum befragt, und sie gaben mit schief­ge­leg­tem Kopf Aus­kunft. War­um Leu­te, die schrei­ben, auch noch reden müs­sen, ist unklar. Aber sie tun es. Es wird erwar­tet. Da muss irgend­ein Anspruch befrie­digt wer­den, von wem auch immer. Da muss es wabern, tief und kapri­zi­ös sein. Das muss sein, denn das Schrei­ben ist so ein unge­mein tie­fer Beruf, dass jeder ger­ne ein wenig von der lei­den­den tie­fen Tie­fe spü­ren mag. 

    (das bes­te kann ich nicht zitie­ren, das muss man selbst lesen …)

  • Russ­land: Was Putin treibt | ZEIT ONLINE – gerd koe­nen als (zeit-)historiker über ukrai­ne, russ­land und was putin so umtreibt … (und die kom­men­ta­re explodieren …)
  • Woh­nungs­bau: Es ist zum Klot­zen | ZEIT ONLINE – han­no rau­ter­berg ran­tet über den ein­falls­lo­sen woh­nungs­bau in ham­burg – gilt aber so ähn­lich auch für ande­re städte …

    Häu­ser wer­den streng rasiert gelie­fert, oben alles ab. Das alte Spiel mit Tra­pez- und Trep­pen­gie­beln, mit Walm‑, Sat­tel- oder Man­sard­dä­chern, ein Spiel, das Häu­sern etwas Gemüt­vol­les ver­leiht, auch etwas Behü­ten­des, scheint die meis­ten Archi­tek­ten kaum zu inter­es­sie­ren. Es regiert die kal­te Logik des Funk­tio­na­lis­mus, sie macht aus dem Woh­nen eine Ware. Und da kann ma…

  • Ukrai­ne: Frei­heit gibt es nicht umsonst | ZEIT ONLINE – gei­ge­rin Lisa Bati­a­sh­vi­li zur situa­ti­on in der ukrai­ne und euro­pa sowie sei­ne werte
  • Son­nen­fins­ter­nis: Ein Main­stream der Angst­ma­che – Feuil­le­ton – FAZ – Main­stream der Angstmache
  • Ame­ri­ka­ni­scher Droh­nen­krieg – Was die Regie­rung unter Auf­klä­rung ver­steht – Süddeutsche.de – die süd­deut­sche über die unfä­hig­keit der bun­des­re­gie­rung, sich ans völ­ker­recht zu hal­ten (wol­len), hier beim droh­nen­krieg der usa:

    Jenen „Fra­ge­bo­gen“, auf des­sen Beant­wor­tung die Bun­des­re­gie­rung angeb­lich so gedrun­gen hat, erach­te­ten die Ame­ri­ka­ner jeden­falls „als beant­wor­tet“, teil­te das Aus­wär­ti­ge Amt jüngst auf Fra­gen der Links­par­tei-Abge­ord­ne­ten Andrej Hun­ko und Nie­ma Mov­as­sat mit. Man sehe die Ange­le­gen­heit damit als „geklärt“ an, schrieb eine Staats­se­kre­tä­rin. Die Fra­gen blei­ben also weit­ge­hend unbe­ant­wor­tet. Und die Bun­des­re­gie­rung nimmt das ein­fach so hin. „Das Aus­wär­ti­ge Amt will kei­ne Auf­klä­rung, inwie­fern US-Stand­or­te in Deutsch­land am töd­li­chen Droh­nen­krieg der US-Armee in Afri­ka und Asi­en betei­ligt sind“, kri­ti­sie­ren die Par­la­men­ta­ri­er Hun­ko und Mov­as­sat. „Das ist nicht nur unde­mo­kra­tisch, son­dern es erfüllt den Tat­be­stand der Strafvereitelung.“

  • Deutsch­land: Am Arsch der Welt | ZEIT ONLINE – david hugen­dick haut den deut­schen das abend­land um die ohren

    Das Abend­land ist ein deut­scher Son­der­weg von Kul­tur, Geist, Stolz, Volk und Wei­ner­lich­keit. War­um die­ses Geis­ter­reich der Gefüh­le nicht tot­zu­krie­gen ist. Eine Polemik

Ins Netz gegangen (13.11.)

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Orgelphantasien – Zsigmond Szathmáry in Mainz

Zum Schluss wur­de es rich­tig ver­rückt. Was Zsig­mond Szath­má­ry da mit Orgel und Ton­band anstell­te, war schon ganz schön abge­dreht. „Labi­al“ heißt die Kom­po­si­ti­on von Wil­fried Michel, mit der der Spe­zia­list für zeit­ge­nös­si­sche Orgel­mu­sik sein Kon­zert, das die Musik­hoch­schu­le im Rah­men von „Mainz-Musik“ in ihrem Orgel­saal orga­ni­sier­te, abschloss. Und da ging es wild zu: Das Ton­band knarzt, knirpst, quietscht, fiepst, klin­gelt, quäkt und pfeift wie ein außer Rand und Band gera­te­nes Spiel­zeug. Die Orgel stand dem wenig nach – und war oft genug kaum von der Ton­band­mu­sik zu unter­schei­den. Komisch bis gro­tesk wirk­te das häu­fig und beim ers­ten Hören furcht­bar wirr: Eine per­ma­nen­te Über­for­de­rung – und doch zugleich eine Musik, die in einen Bereich der unbe­schränk­ten Ima­gi­na­ti­on und Anders­ar­tig­keit ent­führt. Von wegen, die Orgel ist ein lang­wei­li­ges Instru­ment mit sta­ti­schem Klang: Hier führt sie sich auf wie ein Derwisch.

Über­haupt hat Szath­má­ry sich gut dem Mot­to des Fes­ti­vals „Klang­far­ben“ ange­passt. Wenn etwas die sechs Wer­ke sei­nes Kon­zer­tes zusam­men­hielt, dann die jeweils neu­ar­ti­ge und eigen­stän­di­ge Orga­ni­sa­ti­on von Klän­gen. Györ­gy Lige­ti, der in die­sem Jahr 90 gewor­den wäre, ist damit in den 1960ern berühmt gewor­den. Und sein „Volu­mi­na“ für Orgel ist ein ech­ter Klas­si­ker der avant­gar­dis­ti­schen Orgel­mu­sik, auch wenn er im Kon­zert gar nicht so oft zu hören ist. Die Vor­be­rei­tung der aus­schließ­lich gra­fisch notier­ten Par­ti­tur, die für ihre wan­de­r­en­den und in alle Orgel­far­ben chan­gie­ren­den Clus­ter bekannt ist, ver­langt schließ­lich eini­ge Arbeit und etwas Mut. Aber von Anstren­gung ist bei Szath­má­ry nichts zu mer­ken: Im Gegen­teil, sei­ne Ver­si­on zeich­net sich gera­de durch ihre Gelas­sen­heit und Abge­klärt­heit aus – von den weich gesetz­ten Klang­flä­chen des Anfangs bis hin zum lei­se aus­klin­gen­den Schluss spielt er das in der Musik­hoch­schu­le mit einer unauf­ge­reg­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit, der man die lan­ge Beschäf­ti­gung mit die­sem Stück und der neu­en Orgel­mu­sik über­haupt immer anhört.

Eine ähn­li­che Kon­ten­an­ce, wenn auch in ganz ande­ren Klän­gen, strah­len dann nur noch Hide­ki Chi­ha­ras „Due Stel­le del­la sfera cele­s­te in lon­tanan­za“ aus. Hier meint man, das Vor­bild Oli­vi­er Mes­siaen noch mit­zu­hö­ren, wenn sich die fast allein gelas­se­nen Melo­dien in ihrer frei­en, ver­track­ten Rhyth­mik weit aus­pan­nen und die Ster­ne der Unend­lich­keit im Klang ein­zu­fan­gen zu schei­nen. Rou­ti­ne und Sou­ve­rä­ni­tät bestim­men nicht nur hier Szath­má­rys Vor­trag – eine Ruhe frei­lich, die immer auch eine gewis­se Distanz ausstrahlt.
Das gilt in gewis­sem Maße auch für sei­ne eige­ne Kom­po­si­ti­on „Stro­phen“, die die Orgel wie­der mit einer vor­be­rei­te­ten Ein­spie­lung ergänzt. Von der abs­trak­ten Klang­or­ga­ni­sa­ti­on bis zu Jahr­markt­an­klän­gen ste­cken die „Stro­phen“ vol­ler Über­ra­schun­gen aller Far­ben und For­men, die eine Men­ge Mög­lich­kei­ten ein­fach mal durch­de­kli­nie­ren. Und wie­der füh­ren sie weit ins Reich der Ima­gi­na­ti­on: Man muss sich nur der siche­ren Füh­rung Szath­má­rys über­las­sen, der sein Publi­kum behü­tet durch eige­ne und frem­de Klang­land­schaf­ten lei­tet – er selbst scheint sich dort jeden­falls aus­ge­spro­chen wohl zu fühlen. 

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)

Taglied 13.3.2013: Hans-Joachim Hespos zum Geburtstag

Der groß­ar­ti­ge, nicht genug zu loben­de Kom­po­nist Hans-Joa­chim Hes­pos wird heu­te 75 Jah­re alt – Herz­li­chen Glück­wunsch! Eine schö­ne Wür­di­gung sei­nes reich­hal­ti­gen Schaf­fens & Trei­bens steht unter dem tref­fen­den Titel „Quir­lig ver­manscht und näselnd ver­beult“ in der Neu­en Musik­zei­tung.

Es gibt von ihm unzäh­li­ge gute & span­nen­de Wer­ke, da fällt die Aus­wahl nicht leicht. Viel­leicht ist das hier ganz gut: „iOSCH“ für Trom­pe­te, Eupho­ni­um, Alp­horn (hier gespielt von Mal­te Bur­ba)

Mal­te Bur­ba: Hans-Joa­chim Hes­pos – iOSCH 1/​2

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Mal­te Bur­ba: Hans-Joa­chim Hes­pos – iOSCH 2/​2

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Eine klei­ne Doku über ihn heißt „Tat­ort Ganderkesee“:

Tat­ort Gan­der­ke­see – Der Kom­po­nist hans-joa­chim hespos

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Netzfunde vom 12.2. bis zum 20.2.

Mei­ne Netz­fun­de für die Zeit vom 12.2. zum 20.2.:

Taglied 23.7.2012

sehr fein: Bal­la­ta No. 2 von Fran­ce­so Fil­idei (mir bis­her völ­lig unbekannt …)

Fran­ces­co Fil­idei: Bal­la­ta No.2 (2012)

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Neu und alt, friedlich vereint – im Gedenken

Es war wie bei der Urauf­füh­rung: Das Publi­kum war von Béla Bar­tóks „Musik für Sai­ten­in­stru­men­te, Schlag­werk und Celes­ta“ so begeis­tert, dass das Orches­ter den letz­ten Satz wie­der­ho­len muss­te. Damals, vor fast 75 Jah­ren in Basel genau so wie jetzt im Kur­fürst­li­chen Schloss. Das Orches­ter der Main­zer Musik­hoch­schu­le unter Wolf­ram Kolo­seus war schuld an die­ser Par­al­le­li­tät. Denn beim Abschluss der dies­jäh­ri­gen „MainzMusik“-Konzertreihe bot es ein span­nen­des und über­ra­schen­des Pro­gramm, bei dem der Schluss­ap­plaus voll­kom­men gerecht­fer­tigt war.

Der Beginn des Kon­zer­tes war aber etwas aktu­el­ler, mit der Strei­cher­mu­sik „Der Opfer Hiro­shi­mas geden­kend“. Uwe Lohr­mann – gebo­ren im Jahr der Urauf­füh­rung der Bar­tók-Musik – schrieb die­ses Stück für dop­pel­tes Streich­or­ches­ter und Solo­vio­li­ne zur Erin­ne­rung an und aus Anlass des 60. Jah­res­ta­ges des ers­ten Atom­bom­ben­ein­satz. Dich­te, kom­ple­xe Akkor­de der vie­len Strei­cher­stim­men sind das, die das schreck­li­che Gesche­hen sehr bild­haft ein­fan­gen. Vor allem aber ist es eine Musik der Trau­er, des Schmer­zes und des Ver­lus­tes – und dar­in ganz unmit­tel­bar. Genau dar­auf legt es auch Kolo­seus, der 2005 schon die Urauf­füh­rung diri­gier­te, an. Und auch Ben­ja­min Berg­mann als Solist, der aber als sol­cher gar nicht sehr her­aus­sticht, son­dern sich eng in das Orches­ter­ge­sche­hen inte­griert, folgt ihm eng. Zusam­men wid­men sie sich Lohr­manns Musik sehr effek­tiv und kon­trol­liert: Sie machen bewe­gen­de, emo­tio­na­le Musik, ohne sich in Sen­ti­men­ta­li­tä­ten zu verlieren.
Der Trau­er­mu­sik folgt dann ein uner­war­te­ter Abste­cher in die Wie­ner Klas­sik: Mozarts gro­ße g‑Moll-Sin­fo­nie. Und es funk­tio­nier­te. Denn Mozarts vor­letz­te Sin­fo­nie erweist sich im Schloss als wun­der­ba­re Ergän­zung, wie ein Kom­men­tar aus der Ver­gan­gen­heit. In gewis­ser Wei­se ist das ein biss­chen wie ein Rück­kehr in die Nor­ma­li­tät, die aber auch nie eine hei­le Welt war – denn Kolo­seus führt auch die Abgrün­de und Brü­che die­ser Musik vor, ohne sich dar­in zu ver­lie­ren. Geschmei­dig und für ein Stu­den­ten­or­ches­ter sehr klang­kul­ti­viert navi­giert er sicher durch Mozarts Spätwerk.

Wie über­haupt vie­les klapp­te an die­sem Abend. Selbst die klei­nen Unge­nau­ig­kei­ten, die sich in Bar­tóks „Musik für Sai­ten­in­stru­men­te, Schlag­werk und Celes­ta“ hin und wie­der ein­schli­chen, gehö­ren dazu: Denn Kolo­seus wirft sich und das Hoch­schul­or­ches­ter betont unge­stüm in die kul­ti­vier­te Wild­heit Bar­tóks, ihre ewig drän­gen­den Unru­he und rast­lo­sen Bewe­gung, die nur kur­ze Momen­te des Inne­hal­tens, der idyl­li­schen Inseln der Har­mo­nie im Meer der Unrast erlaubt. Und das ist so mit­rei­ßend, dass selbst der Diri­gent auf­pas­sen muss, auf der Büh­ne nicht ein­fach loszutanzen.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)

Trommeln, Glocken und anderes Geklöppel

Gran­di­os: Die Eröff­nung des die­jäh­ri­gen Mainz­Mu­sik-Fes­ti­vals der Main­zer Musik­hoch­schu­le. Ein Fest für ent­de­cken­de Ohren, für offe­ne Köp­fe und Sinne.

Banner am Gebäuder der Musikhochschule

Aus der ange­kün­dig­ten Eröff­nung mit dem Pau­ken­schlag wur­de dann doch nichts. Das Rady­an-Ensem­ble hat­te für das Eröff­nungs­kon­zert der dies­jäh­ri­gen Aus­ga­be von Mainz­Mu­sik näm­lich über­haupt kei­ne Pau­ke mit­ge­bracht. Dafür waren auf der Büh­ne im Roten Saal der Musik­hoch­schu­le aber jede Men­ge ande­re mehr oder weni­ge unge­wöhn­li­che Schlag­in­stru­men­te. Und ja, ein paar Trom­meln waren auch dabei. Aber die spiel­ten gar kei­ne so gro­ße Rolle.

Schon beim Auf­takt, einem Teil von Guo Wen­jings „Dra­ma“, kam das Per­cus­sion-Quar­tett ganz ohne Trom­mel aus: Nur mit drei Paa­ren des chi­ne­si­schen Beckens, wie es eigent­lich aus­schließ­lich in der Volks­oper Chi­nas ver­wen­det wird, arbei­te­ten die Musi­ker. Das reich­te aber, um eine fas­zi­nie­ren­de Viel­falt des dra­ma­ti­schen Aus­drucks, des genau struk­tu­rier­ten Auf und Ab her­zu­stel­len. Das schep­per­te durch­aus mal kräf­tig, dröhn­te dumpf in den Ohren oder klirr­te flir­rend durch den Saal.

Ein viel­ver­spre­chen­der Beginn. Und das Rady­an-Ensem­ble lös­te das Ver­spre­chen den Rest des Abend ein: Ein genau geplan­ter Ablauf, der nichts dem Zufall über­lässt, und naht­lo­se Über­gän­ge machen aus der Rei­hung ver­schie­dens­ter Kom­po­si­tio­nen machen ihren Auf­tritt zu einem Ereig­nis, einer wun­der­ba­ren Ent­de­ckungs­rei­se in die Welt der kom­ple­xen Rhythmen.

Sicher tau­chen da auch Sku­ri­li­tä­ten auf: Ob Vito Zura­js „Top Spin“, das hier urauf­ge­führt wur­de, wirk­lich dadurch gewinnt, dass die drei Spie­ler am run­den Tisch mit den aus­ge­leg­ten Instru­men­ten immer mal wie­der ihre Plät­ze wech­seln und die Stim­me des ande­ren fort­set­zen? Beim ers­ten Hören zumin­dest nicht. Es scheint, so der Klang­ein­druck, jeden­falls eine irr­sin­nig kom­pli­zier­te Par­ti­tur zu sein. Immer mal wie­der schält sich aber aus dem ver­meint­li­chen Cha­os so etwas wie Ord­nung her­aus – aber viel­leicht istauch das nur eine Täu­schung, eine Illu­si­on des Zuhörers.

Doch genau dar­um geht es hier ja: Neue Klän­ge ent­de­cken, neue Kom­bi­na­tio­nen erspü­ren, die Offen­heit des Hörens zu erfah­ren. Das kön­nen etwa die Uchi­wa Taikos sein, chi­ne­si­sche Trom­meln ohne Zar­ge, die fast nur aus dem Schlag­fell bestehen. Jar­rod Cagwin, der auch selbst mit­spielt, hat für die­se Instru­ment mit „Mut­te­kopf“ eine Art Natur­schil­de­rung geschrie­ben – zumin­dest hat er sich bei der Kom­po­si­ton von der Berg­welt um den Mut­te­kopf inspi­rie­ren las­sen. Mit mini­ma­len Ton­hö­hen­ver­schie­bun­gen, erzeugt durch wan­dern­de Schlag­punk­te auf den fächer­ar­ti­gen Trom­meln, und mit über­la­gern­den Rhyth­men erzeugt er fas­zi­nie­ren­de Mus­ter, aus denen man dann wirk­lich den Was­ser­fall, den hin­ab­stür­zen­den Stein oder den schnel­len Abstieg ins Tal her­auzu­hö­ren meint.

Und sol­che Fas­zi­na­tio­nen gibt es immer wie­der eine Men­ge an die­sem Abend – etwa Sal­va­to­re Sciar­ri­nos klei­nes Glo­cken­stück „Appen­di­ce alla per­fe­zio­ne“ oder das gro­ße „Psap­p­ha“ von Ian­nis Xena­kis. Genau sol­che Ent­de­ckun­gen sind ja das Ziel von Mainz­Mu­sik – und des­halb war das Rady­an-Ensem­ble ein wun­der­ba­rer Griff für das Eröffnungskonzert.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)

jörg widmann, neue musik & kritik

das ist mal eine abrech­nung: unter dem titel „halb­bil­dung, schwär­me­rei, lee­re“ steht sie im bad blog of musick der neu­en musik­zei­tung. da geht es zunächst um wid­mann, sei­ne (inzwi­schen) lee­re, belang­lo­se, aus ver­satz­stü­cken geschus­ter­te musik (ich konn­te den hype um ihn noch nie so recht ver­ste­hen – ein­fach, weil sei­ne musik mich nur sel­ten berühr­te oder fas­zi­nier­te. viel­leicht war das ja intui­tiv rich­tig …). dann aber auch um die ver­stri­ckun­gen im musik­be­trieb, um die ver­ga­be von prei­sen etc., um fes­ti­vals und der­glei­chen – anhand von wid­mann und wolf­gang rihm. und dann auch noch um die nicht (mehr) vor­han­de­ne musik­kri­tik. und sogar die musik­wis­sen­schaft ent­täuscht arno lücker (der auch mal selbst kom­po­niert) mit inhalts­lee­re und unge­nau­ig­keit bei der unter­su­chung wid­mann­scher musik. er ver­sucht sich statt­des­sen selbst an einer ana­ly­se. da kommt weni­ger gutes bei raus:

Wid­mann kommt es nicht auf Struk­tur, auf Form, auf Refle­xi­on, auf Tie­fe, son­dern auf Wir­kung, Aus­druck, Effekt, Gefüh­lig­keit und auf den „span­nen­den“ Moment im Kon­zert an, mit dem er das – wie er: naï­ve – Publi­kum beein­dru­cken kann

und kurz dar­auf, am ende der fünf­ten the­se, kom­men noch so ein paar schö­ne, tref­fen­de sätze:

Wid­manns kom­po­si­to­ri­sche Ästhe­tik ist unre­flek­tiert, juve­nil, affir­ma­tiv bis zur Anbie­de­rung, schein­au­then­tisch und ohne Uto­pie. Wid­mann sehnt sich ins 19. Jahr­hun­dert zurück. Zurück zu den Schwär­mern, zurück zum Bie­der­mei­er. Sei­ne Ästhe­tik ist ver­al­tet, aber genau das ist es, was sei­nen Erfolg aus­macht, was ihn – aus der Grup­pe jün­ge­rer Neue-Musik-Kom­po­nis­ten – zum Publi­kums­lieb­ling der Phil­har­mo­nie­abon­nen­ten Deutsch­lands wer­den ließ.

hach, das sitzt. und gefällt mir … auch das: „Was hier in Wahr­heit ver­mit­telt wird, ist schlech­te, pri­mi­tiv-monu­men­ta­le Naiv­äs­the­tik mit unauf­ge­klär­tem, geschicht­lich blin­dem Spaßfaktor.“

und sehr schön auch noch der nach­trag, dar­aus muss ich noch ein­mal zitieren:

… der Autor des Tex­tes schätzt Jörg Wid­mann, als jeman­den, der – wür­de er nicht von der ihn umar­men­den Öffent­lich­keit zeit­lich und dadurch auch künst­le­risch über­for­dert wer­den – durch­aus das Poten­ti­al hät­te, gute Musik zu kom­po­nie­ren. Viel­mehr weiß er von eini­gen Kom­po­nis­ten, deren Per­sön­lich­kei­ten nicht der­art strom­li­ni­en­för­mig jus­tiert wur­den, dass sie sich an alles und jeden anzu­pas­sen gewillt sind, dabei aber künst­le­risch unsag­bar Wert- und Span­nungs­vol­les zu sagen, zu kom­po­nie­ren haben. Die­sen Kom­po­nis­ten wird zu wenig Auf­merk­sam­keit geschenkt.

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