Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

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Ins Netz gegangen (1.3.)

Ins Netz gegan­gen am 1.3.:

  • Köl­ner Pub­likum beschimpft Musik­er — ein Skan­dal! | crescen­do — axel brügge­mann find­et klare (und richtige) worte:

    Wie groß die Untu­gend des Nicht-Zuhören-Wol­lens ist, hat sich nun auch dort gezeigt, wo man eigentlich zum Ohre­nauf­sper­ren hinge­ht: im Konz­ert. An einem Ort, der dazu gedacht ist, neue Ein­drücke zu gewin­nen, der ein­er Kun­st gewid­met ist, in der das immer Gle­iche (das klas­sis­che Reper­toire) jeden Abend aufs Neue kri­tisch befragt und inter­pretiert wird, an dem das Fremde, das Über­raschende und das Ver­störende zur Regel gehören.

    Das Köl­ner Konz­ert hat nun gezeigt, dass diese Auf­gabe der Kul­tur von vie­len Men­schen gar nicht mehr gewollt wird. Dass es ein erschreck­end großes Pub­likum gibt, das – im Jar­gon des AfD-Pro­gramms – jenen Kitsch Kul­tur nen­nt, der lediglich der Selb­st­bestä­ti­gung dient, dessen Auf­gabe es sein soll, die nationale Iden­tität zu bestäti­gen und zu stärken, in dem sich die Dum­men durch die Genies des Lan­des erhöht fühlen. Es gibt tat­säch­lich immer mehr Men­schen, die das Konz­ert als eine Art musikalis­che Penisver­größerung ver­ste­hen, die allein deshalb auf dicke Hose machen, weil sie zufäl­lig aus dem gle­ichen Land wie Bach, Beethoven oder Wag­n­er kom­men. Und die zum Ver­bal-Krieg rüsten, sobald die Musik eines unange­focht­e­nen, aus­ländis­chen Titans wie Steve Reich erklingt. Men­schen, die es nicht mehr ertra­gen, wenn – oh, Unter­gang des Abend­lan­des! – inter­na­tionale Kün­stler Englisch sprechen. Men­schen, die Kün­stler belei­di­gen und anschreien sind jene Men­schen, die Aus­län­derkindern mit besof­fen­em Atem „Wir sind das Volk“ ent­ge­genkeifen. Bis­lang haben wir sie eher mit dem Horst Wes­sel Lied in Verbindung gebracht, nun ziehen sie auch Beethoven und Co. in den Schmutz.

  • Holo­caust mit Sol­jan­ka – Ein Aus­flug in die ost­deutsche Ver­schwörungszene | Hate — René Sey­far­th berichtet für hate-mag.com von seinem besuch der ausstel­lung “2000 Jahre – Des deutschen Volkes Lei­densweg”:

    Gefan­gen im fara­dayschen Käfig sein­er Kupfer­drähte und ein­er dual­is­tis­chen Wel­tord­nung aus Gut und Böse, Mann und Frau, wahr und falsch, lebt der Wirt des Wet­tin­er Hofs gut geschützt vor den Blitzschlä­gen intellek­tueller Ein­sicht durch Quel­len­vielfalt oder gar Skep­sis.

  • Zehn Dinge, die du noch nicht über Leonar­do DiCaprio gewusst hast | Merkur — thorsten krämer hat für den blog des merkurs eine schöne liste geschrieben …
  • Every­thing that is wrong with „Mozart in the Jun­gle“. Sea­son 2, Episode 1 „Stern Papa“ | Bad Blog Of Musick — sehr schön: moritz eggert führt seine betra­ch­tung der serie “mozart in the jun­gle” aus sicht eines pro­fes­sionellen musik­ers fort …

Ins Netz gegangen (4.11.)

Ins Netz gegan­gen am 4.11.:

  • The tragedy of James Bond — lau­rie pen­ny hat sich alte james-bond-filme angeschaut:

    The expe­ri­ence was like hav­ing your fore­brain slow­ly and labo­ri­ous­ly beat­en to death by a wilt­ing erec­tion wrapped in a copy of the Patri­ot Act: sav­age and sil­ly and just a lit­tle bit pathet­ic.

    sie bleibt aber nicht bei der per­sön­lichen abscheu, son­dern zeigt meines eracht­ens (aber ich bin ja auch kein bond-ken­ner) sehr gut, warum die bond-fig­ur (heute) prob­lema­tisch ist:

    The prob­lem with Bond is that he is sup­posed to be the good guy. He is a bor­der­line rapist who is employed by the gov­ern­ment to mur­der peo­ple – and yet he is not an anti-hero. He is just a hero. … Bond is a hero for no oth­er rea­son than that he is on our side, which is how most west­ern nations and par­tic­u­lar­ly the British come to terms with their par­tic­u­lar lega­cy of hor­ror – with a qui­et embar­rass­ment that nonethe­less knows how to defend itself by force.
    […] James Bond, more than any­thing, is a trag­ic fig­ure and his tragedy is the tragedy of white, impe­ri­al­ist mas­culin­i­ty in the 21st cen­tu­ry. It is a tragedy of irrel­e­vance that becomes all the more poignant and painful in the retelling.

  • Lau­da­tio auf Rainald Goetz von Jür­gen Kaube — FAZ — der voll­ständigkeit hal­ber noch die recht gute lau­da­tio von jür­gen kaube auf rainald goetz für den büch­n­er­preis
  • My Top 30 Fonts with the Sex­i­est Amper­sands — sehr schöne samm­lung sehr schön­er amper­sand-umset­zun­gen
  • Poli­tis­che Lit­er­atur: Gegen die herrschende Klasse | ZEIT ONLINE — ein dur­chaus inter­es­santes gespräch hat ijo­ma man­gold mit ulrich peltzer, ili­ja tro­janow & jen­ny erpen­beck über lit­er­atur und poli­tik, ver­gan­gen­heit, gegen­wart und zukun­ft geführt:

    Es gibt das Bedürf­nis der Lit­er­aturkri­tik und der Öffentlichkeit nach Wel­terk­lärung beziehungsweise nach Auf­fächerung von Erfahrun­gen, die man son­st nur aus den Medi­en ken­nt. An die Lit­er­atur wird eine Auf­gabe delegiert, die möglicher­weise nicht unbe­d­ingt eine gen­uin lit­er­arische Funk­tion ist.
    […] Das Moment von Utopie ist mit einem philosophis­chen Begriff von Geschichte ver­bun­den, und der ist uns ver­loren gegan­gen. Wir sehen uns nur noch mit der Empirie der Prob­leme kon­fron­tiert und ver­suchen, sie prak­tisch zu lösen, aber wir haben keinen Entwurf von Zukun­ft mehr, der die Erfahrun­gen der Ver­gan­gen­heit aufnehmen und ver­wan­deln würde, um zu einem anderen Begriff der Zukun­ft zu kom­men als dem, dass die Häuser gedämmt wer­den.

    sehr schön deut­lich wer­den auch die ver­schiede­nen arten, “poli­tisch” zu denken als lit­er­atin — bei peltzer z.b. immer ins philosophisch-his­torische gehend oder bei erpen­beck vom per­sön­lich-indi­vidu­ellen erleb­nis aus

  • Max Wal­len­horst: Das Darm­städter Nebeneinan­der-Sitzen – Merkur — sehr schön­er text im merku-blog von max wal­len­horst über rainald goetz & die büch­n­er­preisver­lei­hung in darm­stadt
  • Deutsche Bank: Sie nen­nen es Ster­be­haus | ZEIT ONLINE -

    Es war ein Bankraub von innen. sehr schöne reportage von marc brost & andreas veiel über macht und ver­ant­wor­tung, ethik, gier und konkur­renz auf den höch­sten ebe­nen der wirtschaft — hier am beispiel der deutschen bank (sehr schön auch, dass sie zeigen, dass das alles selb­st auf betrieb­swirtschaftlich­er ebene (von der volk­swirtschaftlichen ganz zu schweigen) unsin­nig war/ist)

  • Hin­lan­gen — Schön an Rainald Goetz’ Tex­ten ist, was Volk­er Wei­der­mann entset­zt : literaturkritik.de — markus joch über volk­er wei­der­manns selt­same volte, plöt­zlich rainald goetz abso­lut gut zu find­en — und das prob­lem dabei, vor allem bei der rel­a­tivierung in bezug auf “Johann Holtrop”, die wohl auf einem missver­ständ­nis der goet­zschen poet­ik beruht

    Gestern wet­tern, heute bejubeln ‒ ein­er immer­hin, Michael Angele vom „Fre­itag“, hat den pünk­tlichen Kur­swech­sel ver­merkt, auf Face­book. Soll man es damit bewen­den lassen? Ungern. Das Prob­lem ist, wie Wei­der­mann die Kurve kriegen will. Gebetsmüh­le­nar­tig von Inten­sität und Kraft schwär­men, aber den Aggres­sion­spegel von „Johann Holtrop“ ein biss­chen bekrit­teln, als sei er ein Aus­reißer ‒ das ist wie Willy Brandt her­vor­ra­gend find­en, bis auf Emi­gra­tion und Ost­poli­tik. Absurd, weil Inten­sität und Polemik bei Goetz natür­lich stets zusam­menge­hören.

  • Der Rei­hungskün­stler — konkret — joseph wälzholz zeigt die rhetorischen kniffe volk­er wei­der­manns (bei ein paar begrif­f­en musste ich wirk­lich über­legen …)

    Ein genialer Rhetorik­er: Nie­mand set­zt hochkom­plizierte Stilmit­tel so vir­tu­os ein wie der Feuil­leton­ist Volk­er Wei­der­mann. Eine Col­lage in 19 Motiv­en und 79 Fußnoten.

  • Vom Fehlen des Wider­ständi­gen. Weit­ere Gedanken über Fer­ney­hough. — moritz eggert über fer­ney­houghs musik und den unter­schiede zwis­chen par­ti­tur (aufre­gend, kom­plex) und klang (nicht immer über­wälti­gend …) — zu den par­ti­turen hat er kür­zlich schon etwas geblog­gt: http://blogs.nmz.de/badblog/2015/10/19/die-quadratur-der-linie-ein-neuer-blick-auf-das-werk-von-brian-ferneyhough/
  • Neon­azis: Hei­di und die Brand­s­tifter | ZEIT ONLINE — inter­es­sante, gute, pack­ende reportage von daniel müller & chris­t­ian fuchs über eine im neon­azi-fam­i­lien-milieu sozial­isierte junge frau, die sich von dieser ide­olo­gie inzwis­chen abge­wandt hat

    Sie stammt aus ein­er Fam­i­lie von treuen Nazis, als Kind wurde sie in geheimen Lagern gedrillt. Ihre früheren Kam­er­aden zün­deln heute bei NPD und Pegi­da. Hei­di Ben­neck­en­stein hat sich anders entsch­ieden.

  • Stadt Wien veröf­fentlicht pos­i­tive Shar­row-Studie | It start­ed with a fight… — die stadt wien hat an drei wichti­gen, verkehrsstarken straßen unter­sucht, wie aufge­malte fahrrad­pik­togramme (mit pfeil), die soge­nan­nten “shar­rows”, sich auch ohne weit­ere verän­derun­gen des verkehrsraums aus­ge­sprochen gün­stig für rad­fahrerin­nen auswirken:

    Diese Studie „Wirkung von Fahrrad-Pik­togram­men im Straßen­verkehr“ […] zeigt sehr pos­i­tive Ergeb­nisse: Gesteigerte Sicher­heit des Rad- und Autoverkehrs durch verbesserte Inter­ak­tion, Abnahme der Über­holvorgänge und größeren Sicher­heitsab­stand der Autos beim Über­holen.

  • 1001 Dinge | Schmalenstroer.net — eine liste von lis­ten, die man lebendig abar­beit­en “muss”, von einem lis­ten­has­s­er …
  • Warum Akif Pir­incçi aus falschen Grün­den das Richtige passierte und warum das nicht gut ist | Thomas Trappe — kluge beobach­tun­gen von thomas trappe zur wahrnehmung von und dem umgang mit rechtsextremen/rassisten etc., bei “pegi­da” und ander­swo

    Erstens: Die Gründe, warum solche Per­so­n­en kurzzeit­ig oder für immer von der Bühne ver­schwinden, sind meist triv­iales NS-Word­ing. Zweit­ens: Es trifft in aller Regel die Richti­gen. Drit­tens: Indem man es sich aber so ein­fach macht, gibt man ihnen und ihren Unter­stützern die Rolle, die sie so gerne ein­nehmen, näm­lich die des unter­drück­ten Quer­denkers. Was sie, viertens, niemals sind.

Listen

Man sollte keine Büch­er schreiben ohne Lis­ten drin.
Wolf­gang Her­rn­dorf, Arbeit und Struk­tur

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