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Schlagwort: kritik

Zufriedene Majestäten: Beethoven und Rachmaninow

Es sieht reich­lich selt­sam aus, was für einen kuriosen Tanz Hände und Arme von Yakov Kreizberg da auf­führen. Aber es funk­tion­iert: Der Diri­gent hat das SWR Sin­fonieorch­ester Baden-Baden und Freiburg beim Meis­terkonz­ert in der Rhein­gold­halle in jedem Moment fest im Griff – auch wenn seine Schlagtech­nik das nicht unbe­d­ingt ver­rät.

Mit riesi­gen, weit aus­holen­den Bewe­gun­gen schwingt der Diri­gent seinen extralan­gen Stab und ste­ht dann kurz darauf minuten­lang fast wie einge­froren und steuert die Orch­ester­musik­er mit winzig­sten Bewe­gun­gen zweier Fin­ger der linken Hand. Dabei hat er allerd­ings auch Unter­stützung: Kir­ill Ger­stein am Klavier gibt im fün­ften Klavierkonz­ert von Lud­wig van Beethoven gerne auch den einen oder anderen Impuls. Über­haupt ergänzen die bei­den sich hier sehr angenehm: Diri­gent und Pianist bevorzu­gen für das let­zte Klavierkonz­ert Beethovens, das vor fast genau 200 Jahren uraufge­führt wurde, eine weich abgerun­dete, har­monisch aus­ge­füllte Lesart, die garantiert nir­gend­wo aneckt.

Run­dum satt und zufrieden tönt der doch oft so rebel­lis­che Beethoven hier, ertrinkt fast in der Har­monie, Ein­tra­cht und Schön­heit dieser Musik. Ger­stein spielt das sehr sauber und immer mit unauf­dringlich­er, fast ver­steck­ter Bril­lanz. Dabei ver­birgt er sich und auch die meis­ten Akzente seines Parts hin­ter weichem Eben­maß. Die Musik, die da in der Rhein­gold­halle erklingt, ist nicht von dieser Welt – sie küm­mert sich aber auch gar nicht darum, sie ist mit sich selb­st und ihrer reinen Schön­heit schon mehr als zufrieden.
Auch das Orch­ester lässt sich da nicht lange bit­ten und schme­ichelt auf allen Ebe­nen. So richtig drehen die Musik­er des SWR-Orch­esters aber erst bei Sergej Rach­mani­nows zweit­er Sin­fonie auf
Auch die wiederum keine im eigentlichen Sinne span­nende oder anre­gende Musik.

Denn Kreizberg bleibt sein­er Meth­ode – und seinem Dirigier­stil – treu: Mit gle­ichzeit­ig eck­i­gen und san­ft wogen­den Bewe­gun­gen lässt er die Sin­fonie zugle­ich fed­er­le­icht schweben und erwartungsvoll vib­ri­eren. Das tost und dröh­nt oft ganz gewaltig, schwellt immer wieder wun­der­bar auf und ab – denn wenn Kreizberg etwas kann, dann ist es das geschick­teste Phrasieren: Nie kommt die Musik zur Ruhe, nie erschöpft sich sein Drang zum ewigen Weit­er. Das ebnet die mon­u­men­tale Sin­fonie allerd­ings auch hin und wieder ein biss­chen ein – alles liegt sozusagen gle­icher­maßen auf dem Weg, der immer weit­er vor­wärts führt und nie ankommt. Aber dieser Weg ist ein unbe­d­ingt schön­er, ein Reigen selig­ster Melo­di­enkun­st in pur­er Präsenz. Und das klingt großar­tig – auch wenn es manch­mal selt­sam anzuschauen ist.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Schön langweilig: Beethoven & Rachmaninov

Es sieht reich­lich selt­sam aus, was für einen kuriosen Tanz Hände und Arme von Yakov Kreizberg da auf­führen. Aber es funk­tion­iert: Der Diri­gent hat das SWR Sin­fonieorch­ester Baden-Baden und Freiburg beim Meis­terkonz­ert in der Rhein­gold­halle in jedem Moment fest im Griff – auch wenn seine Schlagtech­nik das nicht unbe­d­ingt ver­rät.

Mit riesi­gen, weit aus­holen­den Bewe­gun­gen schwingt der Diri­gent seinen extralan­gen Stab und ste­ht dann kurz darauf minuten­lang fast wie einge­froren und steuert die Orch­ester­musik­er mit winzig­sten Bewe­gun­gen zweier Fin­ger der linken Hand. Dabei hat er allerd­ings auch Unter­stützung: Kir­ill Ger­stein am Klavier gibt im fün­ften Klavierkonz­ert von Lud­wig van Beethoven gerne auch den einen oder anderen Impuls. Über­haupt ergänzen die bei­den sich hier sehr angenehm: Diri­gent und Pianist bevorzu­gen für das let­zte Klavierkonz­ert Beethovens, das vor fast genau 200 Jahren uraufge­führt wurde, eine weich abgerun­dete, har­monisch aus­ge­füllte Lesart, die garantiert nir­gend­wo aneckt.

Run­dum satt und zufrieden tönt der doch oft so rebel­lis­che Beethoven hier, ertrinkt fast in der Har­monie, Ein­tra­cht und Schön­heit dieser Musik. Ger­stein spielt das sehr sauber und immer mit unauf­dringlich­er, fast ver­steck­ter Bril­lanz. Dabei ver­birgt er sich und auch die meis­ten Akzente seines Parts hin­ter weichem Eben­maß. Die Musik, die da in der Rhein­gold­halle erklingt, ist nicht von dieser Welt – sie küm­mert sich aber auch gar nicht darum, sie ist mit sich selb­st und ihrer reinen Schön­heit schon mehr als zufrieden.

Auch das Orch­ester lässt sich da nicht lange bit­ten und schme­ichelt auf allen Ebe­nen. So richtig drehen die Musik­er des SWR-Orch­esters aber erst bei Sergej Rach­mani­nows zweit­er Sin­fonie auf. Auch die ist wiederum keine im eigentlichen Sinne span­nende oder anre­gende Musik. Denn Kreizberg bleibt sein­er Meth­ode – und seinem Dirigier­stil – treu: Mit gle­ichzeit­ig eck­i­gen und san­ft wogen­den Bewe­gun­gen lässt er die Sin­fonie zugle­ich fed­er­le­icht schweben und erwartungsvoll vib­ri­eren. Das tost und dröh­nt oft ganz gewaltig, schwellt immer wieder wun­der­bar auf und ab – denn wenn Kreizberg etwas kann, dann ist es das geschick­teste Phrasieren: Nie kommt die Musik zur Ruhe, nie erschöpft sich sein Drang zum ewigen Weit­er. Das ebnet die mon­u­men­tale Sin­fonie allerd­ings auch hin und wieder ein biss­chen ein – alles liegt sozusagen gle­icher­maßen auf dem Weg, der immer weit­er vor­wärts führt und nie ankommt. Aber dieser Weg ist ein unbe­d­ingt schön­er, ein Reigen selig­ster Melo­di­enkun­st in pur­er Präsenz. Und das klingt großar­tig – auch wenn es manch­mal selt­sam anzuschauen ist.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

klavierkunst für eine bessere welt

 

Er scheint ein ganz nor­maler junger Pianist zu sein, so wie er in Jeans und schwarzem Hemd auf die Bühne des Frank­furter Hofes kommt. Aber in Kai Schu­mach­er steckt mehr. Denn wer „The Peo­ple Unit­ed Will Nev­er Be Defeat­ed“ aufn­immt (für das Mainz­er Label Wer­go) und auch noch live spielt, der muss etwa Beson­deres sein. Schließlich ist Fred­er­ic Rzewskis riesiger Vari­a­tio­nen­zyk­lus nicht irgend ein Werk.

Zum einen sind da die tech­nis­chen Schwierigkeit­en: In diesen gut sechzig Minuten ist eine Menge ver­packt – rasende Läufe, don­nernde Akko­rde, wilde Sprünge, bru­tale Laut­stärke und sub­tile Fein­heit­en wech­seln ständig. Und die musikalis­chen Anforderun­gen sind auch nicht ger­ing: Diese 36 Vari­a­tio­nen erfordern viel Gestal­tungskraft, viel Über­sicht und gle­ichzeit­ig enorme Konzen­tra­tion im Detail.

Es geht aber noch weit­er: Wer diese Musik spielt, bezieht immer auch irgend eine poli­tis­che Posi­tion. Schließlich ist das Musik, die etwas verän­dern will. Denn Rzews­ki hat nicht irgend eine Melodie als Grund­lage genom­men, son­dern das chilenis­che „El pueblo unido jamás será ven­ci­do“, das Anfang der 1970er Jahre zum musikalis­chen Sym­bol des Wider­stands gegen Pinochet wurde.

Kai Schu­mach­er macht das im Frank­furter Hof überdeut­lich, er lässt näm­lich erst ein­mal das Orig­i­nal ein­spie­len – gle­ich ein erster Gänse­haut-Moment. Davon wird es noch eine ganze Menge geben. Denn was Rzews­ki kom­poniert hat, das ist nicht nur hochvir­tu­os und vielfältig, arti­fiziell und natür­lich zugle­ich. Son­dern auch so voller Ideen, Stile, Anklänge, dass es unge­heuer viel zu ent­deck­en gibt. Und Kai Schu­mach­er scheint das alles im Blick zu haben. Seine Inter­pre­ta­tion dieses auf­grund sein­er hohen Schwierigkeit nahezu nie gespiel­ten Werkes ist ger­ade dadurch aus­geze­ich­net, die kun­stvolle Gestalt der Musik beson­ders in den Fokus zu holen.

Ander­er­seits ver­liert der Zyk­lus dadurch an Schärfe – und auch die Gewis­sheit, dass das geeinte Volk wirk­lich niemals besiegt wer­den wird. Vielle­icht ist das zwangsläu­fig so, die welt­geschichtliche Entwick­lung seit 1975, als Rzews­ki das Mam­mutwerk kom­ponierte, ist ja keine reine Erfol­gs­geschichte der Befreiung unter­drück­ter Völk­er. Ger­ade diese Span­nung zwis­chen Opti­mis­mus und dem Bewusst­sein um Nieder­lage und Unter­drück­ung auf der anderen Seite führt Schu­mach­er immer wieder ganz beson­ders her­vor.

So real­isiert er mit elastis­chem Ton, mit fed­ern­der Kraft ein sehr offenes Kunst­werk: Das hier ist eine Auf­führung, die ger­ade die stilis­tis­che Vielfalt der Vari­a­tio­nen, von den ana­lytisch die Melodie zer­split­tern­den Sätzen über vir­tu­ose Tas­ten­don­ner­mo­mente bis zu Jazz- und Blues-Impres­sio­nen, beson­ders deut­lich macht. Diese Kon­traste arbeit­et Schu­mach­er sehr stark her­aus – und ist doch immer wieder dann beson­ders überzeu­gend, wenn er sich ganz in die Musik versenken kann, wenn die zarten und zer­brech­lichen Momente auch ihn selb­st neu ergreifen und berühren.

keith jarrett — ein auslaufmodell

wun­der­bar, wie hans-jür­gen linke in der frank­furter rund­schau über das konz­ert kei­th jar­retts in der frank­furter alten oper schreibt:

Kei­th Jar­rett bleibt im ersten Teil des Konz­erts seinem Pub­likum fast alles schuldig und im zweit­en immer­hin den Beweis, dass er ein Musik­er des 21. Jahrhun­derts ist.  […] Er klingt in seinen schlechteren Phasen wie ein mäßig inspiri­ert­er, tech­nisch recht guter, tief sen­ti­men­taler amerikanis­ch­er Pianist und in seinen besten Momenten wie ein handge­brem­ster, mit Pud­erzuck­er bestreuter Brahms, der Jazz gehört hat.

chris­t­ian broeck­ing schreibt in der taz sog­ar:

Ein Desaster aus Größen­wahn, Eit­elkeit und Vir­tu­osität. […] Dass das Pub­likum nach 40 Minuten Konz­ert vor der Pause und 30 Minuten danach stür­misch vier kurze Zugaben her­beik­latschte, kann den Ein­druck nicht schmälern, dass das intellek­tuelle Niveau auf der Bühne kaum ein­mal unteres Mit­tel­maß erre­ichte. Schlim­mer noch wirkt, dass es ein­fach nicht gut klingt, wenn ein sich maß­los selb­st über­schätzen­der Kün­stler kaum mehr den Weg zurück­zufind­en scheint. Das magere kün­st­lerische Ergeb­nis über­ragt Jar­retts enervierende Selb­s­ther­rlichkeit mit großer Not.

ich habe das konz­ert zwar nicht gehört, aber das bringt meine gedanken beim hören (auch der älteren) von jar­retts improvsi­a­tio­nen ziem­lich gut auf den punkt.

berg und brahms sehnen sich nach irgendetwas

trauer ist ein wesentlich­es motiv für kom­pon­is­ten, fast so bedeu­tend wie die sehn­sucht — nach liebe, nach ein­er besseren welt, nach dem vol­len­de­ten kunst­werk. das war in der roman­tik so und ist auch im 20. jahrhun­dert noch so gewe­sen. deshalb hat sich die sin­foni­et­ta mainz zwei werke auf das pro­gramm geset­zt, die genau das zeigen sollen: alban bergs vio­linkonz­ert und die erste sin­fonie von johannes brahms. zwei kom­po­si­tio­nen also, die auf den ersten blick so gar nichts miteinan­der gemein haben. und auch auf den zweit­en blick liegen immer noch wel­ten zwis­chen ihnen. denn vielmehr als eine dif­fuse moti­va­tion der sehn­sucht verbindet sie wirk­lich nicht.
alban berg hat mit seinem vio­linkonz­ert ein­er­seits den auf­trag eines geigers erfüllt und ander­er­seits die trauer um den tod von manon gropius ver­ar­beit­et. im kur­fürstlichen schloss inter­essierten sich michael mil­lard, der diri­gent der sin­foni­et­ta, und die solistin son­ja starke allerd­ings vor allem für den emo­tionalen aspekt. sie tat­en dies allerd­ings auf eine bestechende weise. denn auch wenn sie das vio­linkonz­ert zu ein­er besinnlichen gedenk­feier macht­en, sie tat­en es mit geschmack und feinge­fühl. denn sie wur­den nie sen­ti­men­tal. im gegen­teil, ger­ade son­ja starke zeigte durch ihr schnürkel­los konzen­tri­ertes spiel, dass man nicht gefühls­duselig wer­den muss, um emo­tio­nen zu zeigen. ger­ade durch ihren präzise tra­gen­den ton, ihr bewun­dern­swertes lega­to und ihre uner­schüt­tliche tech­nis­che sicher­heit ermöglicht sie die ent­fal­tung der musik als wei­hevolle andacht, ohne sie mit sen­ti­ment zuzuschüt­ten. die sin­foni­et­ta unter­stützte sie dabei her­vor­ra­gend: mit hoher präzi­sion und spür­barem engage­ment ließ sie sich von mil­lard durch die auch nicht ein­fache par­ti­tur führen.
nach der pause saßen dann zwar mehr oder weniger die sel­ben leute auf der bühne, aber es war lei­der ein völ­lig anderes orch­ester. denn mit der ersten sin­fonie von brahms hat­ten wed­er die musik­er noch ihre diri­gent beson­dere for­tune. mil­lard dirigierte tem­pi wie aus gum­miband, entsprechend wenig ein­heitlich wur­den die einzel­nen sätze. und es zeigte sich: brahms mag zunächst harm­los wirken, aber unter der ober­fläche ver­birgt sich den­noch eine immer wieder faszinierende kom­plex­ität. die kon­nte man im schloss allerd­ings höch­stens erah­nen. denn mil­lard ver­mochte es hier nicht, sein orch­ester zu einem klangkör­p­er zu for­men. schw­er und müh­selig erkämpften sich die musik­er ihren weg ins finale, wo sie es immer­hin ordentlich krachen lassen kon­nten. echte sehn­sucht klingt aber anders.

 

Westrand: Dieter M. Gräfs vagabundierende Lyrik

tja, das ist das ergeb­nis des man­is­chen bücherkaufens aus den rest­posten — so etwas rutscht auch immer wieder hinein. denn mit diesen gedicht­en kann ich nicht viel anfan­gen. das hat mehrere gründe — vielle­icht war ich ja auch nur nicht in der richti­gen stim­mung. aber ein­wände habe ich fol­gende:

  • die ständi­gen enjambe­ments: ich ver­ste­he diese über­frach­tung der gedichte damit ein­fach nicht, das ist längst vom stilmit­tel und aus­drucks­form zum manieris­mus verkom­men
  • die forcierte her­metik der bilder: das ist nicht nur vol­lkom­men bemüht, son­dern auch so ziel­los, ergeb­nis­los — es ergeben sich meist nicht ein­mal inter­es­sante fügun­gen aus der krampfhaften anstren­gung, möglichst ver­quere meta­phern zu bilden…
  • klar, die “ein­fache” lek­türe wird durch die dun­klen, verblassten, ver­schat­teten bilder absichtlich erschw­ert, ver­hin­dert und ver­langsamt bzw. auch nur unter­brochen, abge­brochen — jeden­falls irgend­wie ver­baut
  • das ner­vende daran ist aber vor allem, dass sich aus den fast nur in zweizeil­ern (zudem fast immer super kurzen zeilen) daherk­om­menden gedicht­en eigentlich nie ein fluss ein­stellt, schon gar nicht so etwas wie ein flow
  • und die ewigen anspielun­gen (die er zudem noch meint im appen­dix erk­lären zu müssen, weil sie solo eben doch nicht immer funk­tion­ieren) auf helden(-sagen) fan­gen auch nach weni­gen seit­en an zu ner­ven
  • kurzge­sagt: bil­dung­shu­berei, pseu­do-anspruchsvoll, ohne (erkennbaren) sinn und zweck und zusam­men­hang — das fängt schon mit dem mot­to (von gior­dano bruno, beze­ich­nen­der­weise zitiert nach rolf dieter brinkmanns rom, blicke) an und hört eigentlich erst mit dem appen­dix (auch der kann natür­lich nicht ein­fach anmerkun­gen oder anhang heißen) auf.

also: ein­fach ziel­los umher­schweifende, sich möglichst klug gebende, die bemühung dazu aber nie ver­hehlende lyrik — ziem­lich lang­weilig und spröde…

dieter m. gräf: wes­trand. gedichte. frankfurt/main: suhrkamp 2002.

ganz viele zeichen — zu viele?

macht die aneinan­der­rei­hung von ganz vie­len zeichen einen text zum roman? „die gar­ni­tur“, eine art tex­ta­gen­tur mit dem anspruch beson­der­er inno­v­a­tiv­ität, scheint der idee nicht abgeneigt zu sein. ihre chefs matthias edling und jörg stein­leit­ner haben die 205.293 zeichen einen roman genan­nt. so viele zeichen sind das aber gar nicht – im großzügi­gen druck gut 150 seiten.wie das buch auf meine leseliste gekom­men ist – ich habe keine ahnung, das ist eben manch­mal der nachteil so exten­siv­er lis­ten­führereien… – gelohnt hat es sich jeden­falls nicht, noch nicht ein­mal als unter­hal­tung ist es wirk­lich brauch­bar. es ist so ein ver­such, die amerikanis­che gang­ster­sto­ry oder eher den gang­ster­film nach europa zu ver­legen. weil die autoren (oder, wie sie sich selb­st benen­nen, das „autorenteam“) dafür aber über zu wenig kreativ­ität, vorstel­lungskraft, stil­ge­fühl und ästhetis­che urteilssicher­heit ver­fügt, klappt das nicht so richtig – ist auch alles eine stufe harm­los­er: stu­dent, der im pflege­heim arbeit­ete, schnappt sich das viele bargeld ein­er sein­er ger­ade ver­stor­be­nen pati­entin­nen, haut in den süden ab, nimmt auf dem weg noch eine heiße frau mit, die sich auch noch als klug her­ausstellt, erlebt ver­schiedene „aben­teuer“ etc. etc. – kommt natür­lich reich, wenn auch etwas versehrt, mit sein­er traum­frau aus dem schla­mas­sel her­aus.
so ein text ist wohl das unauswe­ich­bare ergeb­nis, wenn kreative beson­ders kreativ und auch noch inno­v­a­tiv oder avant­gardis­tisch sein wollen: eine außeror­dentlich bemühte plot-kon­struk­tion (deut­lich zu merken der kon­struk­tion­s­plan…), ein grauen­haft banaler stilis­tis­ch­er brei, total plat­te und abge­lutsche motive und so weit­er. – andere erk­lärungsmöglichkeit: so etwas passiert, wenn kreative kurse für kreatives schreiben besuchen. der kunst­willen führt aber nur zur pseudokun­st – etwa im nachrich­t­entick­er, der unten über die seit­en läuft. vielle­icht ist das ja als beson­dere real­itätsver­sicherung gemeint, es bringt aber über­haupt nichts
das beste noch der titel oder eigentlich der gesamte para­text, etwa auch das mot­to von nico­las cage (klar, deut­lich­er ver­weis auf das ref­eren­zsys­tem dieses textes: früher stand hier ein bon­mot eines dichters, eine sen­tenz oder so etwas ähn­lich­es, jet­zt ist es halt das ergeb­nis eines halb­wegs hellen augen­blicks eines schaus­piel­ers): „es gibt zu viele schwätzer, zu viele lügn­er, zu viele diebe. das beschle­u­ni­gung­stem­po unser­er kul­tur [!!] ist so hoch, das bietet gün­stige bedin­gun­gen für arschlöch­er. nur wer die his­to­rie kenn, kann sich eine kor­rek­te mei­n­ung bilden.“ oder auch die auf­machung – wirkt fast wie real­satire (titel mit präsen­ta­tor, aufruf zur tex­tein­sendung „aller gewicht­sklassen“), übertreibt es damit aber („stab“, inkl. „per­for­mance-musik“, cater­ing von „mama&mama“ – sehr witzig…) so weit, dass es offen­bar doch tat­säch­lich ernst gemeint war (natür­lich wohl mit dem zwinkern­den auge – es gibt kaum schlim­meres als so ent­standene texte – die sind näm­lich fast nie wirk­lich witzig und schon gar nicht gut)

macht die aneinan­der­rei­hung von ganz vie­len zeichen einen text zum roman? „die gar­ni­tur“, eine art tex­ta­gen­tur mit dem anspruch beson­der­er inno­v­a­tiv­ität, scheint der idee nicht abgeneigt zu sein. ihre chefs matthias edling und jörg stein­leit­ner haben die 205.293 zeichen einen roman genan­nt. so viele zeichen sind das aber gar nicht – im großzügi­gen druck gut 150 seiten.wie das buch auf meine leseliste gekom­men ist – ich habe keine ahnung, das ist eben manch­mal der nachteil so exten­siv­er lis­ten­führereien… – gelohnt hat es sich jeden­falls nicht, noch nicht ein­mal als unter­hal­tung ist es wirk­lich brauch­bar. es ist so ein ver­such, die amerikanis­che gang­ster­sto­ry oder eher den gang­ster­film nach europa zu ver­legen. weil die autoren (oder, wie sie sich selb­st benen­nen, das „autorenteam“) dafür aber über zu wenig kreativ­ität, vorstel­lungskraft, stil­ge­fühl und ästhetis­che urteilssicher­heit ver­fügt, klappt das nicht so richtig – ist auch alles eine stufe harm­los­er: stu­dent, der im pflege­heim arbeit­ete, schnappt sich das viele bargeld ein­er sein­er ger­ade ver­stor­be­nen pati­entin­nen, haut in den süden ab, nimmt auf dem weg noch eine heiße frau mit, die sich auch noch als klug her­ausstellt, erlebt ver­schiedene „aben­teuer“ etc. etc. – kommt natür­lich reich, wenn auch etwas versehrt, mit sein­er traum­frau aus dem schla­mas­sel her­aus.
so ein text ist wohl das unauswe­ich­bare ergeb­nis, wenn kreative beson­ders kreativ und auch noch inno­v­a­tiv oder avant­gardis­tisch sein wollen: eine außeror­dentlich bemühte plot-kon­struk­tion (deut­lich zu merken der kon­struk­tion­s­plan…), ein grauen­haft banaler stilis­tis­ch­er brei, total plat­te und abge­lutsche motive und so weit­er. – andere erk­lärungsmöglichkeit: so etwas passiert, wenn kreative kurse für kreatives schreiben besuchen. der kunst­willen führt aber nur zur pseudokun­st – etwa im nachrich­t­entick­er, der unten über die seit­en läuft. vielle­icht ist das ja als beson­dere real­itätsver­sicherung gemeint, es bringt aber über­haupt nichts
das beste noch der titel oder eigentlich der gesamte para­text, etwa auch das mot­to von nico­las cage (klar, deut­lich­er ver­weis auf das ref­eren­zsys­tem dieses textes: früher stand hier ein bon­mot eines dichters, eine sen­tenz oder so etwas ähn­lich­es, jet­zt ist es halt das ergeb­nis eines halb­wegs hellen augen­blicks eines schaus­piel­ers): „es gibt zu viele schwätzer, zu viele lügn­er, zu viele diebe. das beschle­u­ni­gung­stem­po unser­er kul­tur [!!] ist so hoch, das bietet gün­stige bedin­gun­gen für arschlöch­er. nur wer die his­to­rie kenn, kann sich eine kor­rek­te mei­n­ung bilden.“ oder auch die auf­machung – wirkt fast wie real­satire (titel mit präsen­ta­tor, aufruf zur tex­tein­sendung „aller gewicht­sklassen“), übertreibt es damit aber („stab“, inkl. „per­for­mance-musik“, cater­ing von „mama&mama“ – sehr witzig…) so weit, dass es offen­bar doch tat­säch­lich ernst gemeint war (natür­lich wohl mit dem zwinkern­den auge – es gibt kaum schlim­meres als so ent­standene texte – die sind näm­lich fast nie wirk­lich witzig und schon gar nicht gut)

Lyambiko: Selbsthilfegruppe für angstfreies Musizieren

Wenn ein Musik­er seine Band „Selb­sthil­fe­gruppe für angst­freies Musizieren” nen­nt, ver­fügt er wahrschein­lich über eine gute Por­tion Humor. Wenn der Schlagzeuger von Lyam­biko, Torsten Zwin­gen­berg­er, das tut, hat er vor allem Recht. Denn Angst haben Sän­gerin Lyam­biko und ihr Trio im Frank­furter Hof sicher­lich nicht: Son­st wür­den sie wohl kaum so relaxt und lock­er arbeit­en.

Aber entspan­ntes Musizieren ohne Angst macht allein noch keine gute Musik aus. Denn bei Lyam­biko wird die Sicher­heit auf der Bühne durch einen weit­ge­hen­den Verzicht auf Risiken erkauft. Was gibt es schon zu hören: Eine junge, tal­en­tierte Sän­gerin mit angenehmer Stimme und ein ver­siertes All­round-Trio. Hem­mungslose Ekklezi­tis­ten sind sie alle, wie sie da auf der Bühne ste­hen. Aus allen Eck­en suchen sie sich ihr Mate­r­i­al zusam­men: Ein wenig Swing, eine gute Por­tion Blues, dann noch ein biss­chen Latin, ergänzt um eine Prise Eth­no-Pop und abgeschmeckt mit ein­er Prise Mod­ern Jazz – fer­tig ist der Ein­topf. Dumm ist nur, dass aus dem ganzen Mis­chmasch nichts Neues entste­ht. So bleibt eben gute, ungewöhn­lich erfol­gre­iche Unter­hal­tung. Und deshalb ist es auch nicht ver­wun­der­lich, dass die CD von Lyam­biko in den Pop-Charts notiert wird. Vom Geist des Jazz, von sein­er Kraft und Aus­drucks­fähigkeit, ist das näm­lich schon ein ganzes Stück ent­fer­nt.

Dabei sind die Musik­er wirk­lich nicht schlecht. Neben den flinken Fin­gern des Pianis­ten Mar­que Lowen­thal ist es vor allem Schlagzeuger Torsten Zwin­gen­berg­er, der ab und an doch aufhorchen lässt. Wie er Stöcke und Besen über Trom­mel und die riesi­gen, hal­len­den Beck­en tanzen lässt, wie er rast­los zwis­chen Per­cus­sions und Drum­set pen­delt — das alles weist ihn deut­lich als feinsin­ni­gen Klangtüftler aus.

Lyam­biko selb­st, ganz unbeschei­den als „the most beau­ti­ful voice“ angekündigt, ist ja dur­chaus nett anzuse­hen und anzuhören. Eine gefäl­lige, wohltö­nende Stimme, die aber bis jet­zt mehr von ihren poten­tiellen als den tat­säch­lichen Qual­itäten prof­i­tiert. Denn bei aller Gewandtheit und Aus­drucks­fähigkeit: Inspi­ra­tion und Inno­va­tion sind ihre Stärken nicht. Als Jazz ist die Musik denn auch recht belan­g­los: Friedlich mäan­dert das in gewohnt-belan­glos­er Form vor sich hin. Als Unter­hal­tungsmusik ist es solides Kun­sthandw­erk – und das ist ja auch schon was.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung)

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