Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Kategorie: philosophie Seite 1 von 4

Docere

quod­que parum novit, nemo doce­re potest
[Nie­mand kann leh­ren, was er wenig ver­steht.]Ovid, Tris­tia, 2,348

Lüge

Die Unmo­ral der Lüge besteht nicht in der Ver­let­zung der sakro­sank­ten Wahr­heit. Auf die­se sich zu beru­fen hat man letz­ten eine Gesell­schaft das Recht, die ihre Zwangs­mit­glie­der dazu ver­hält, mit der Spra­che her­aus­zu­rü­cken, um sie dann des­to zuver­läs­si­ger erei­len zu kön­nen. Es kommt der uni­ver­sa­len Unwahr­heit nicht zu, auf der par­ti­ku­la­ren Wahr­heit zu bestehen, die sie doch sogleich in ihr Gegen­teil ver­kehrt. Trotz­dem haf­tet der Lüge etwas Wider­wär­ti­ges an, des­sen Bewußt­sein einem zwar von der alten Peit­sche ein­ge­prü­gelt ward, aber zugleich etwas über die Ker­ker­meis­ter besagt. Der Feh­ler liegt bei der all­zu gro­ßen Auf­rich­tig­keit. Wer lügt, schämt sich, denn an jeder Lüge muß er das Unwür­di­ge der Welt­ein­rich­tung erfah­ren, die ihn zum Lügen zwingt, wenn er leben will, und ihm dabei auch noch „Üb imer Treu‘ und Red­lich­keit“ vor­singt. Sol­che Scham ent­zieht den Lügen der sub­ti­ler Orga­ni­sier­ten die Kraft. Sie machen es schlecht, und damit wird die Lüge recht eigent­lich erst zur Unmo­ral am ande­ren. Sie schätzt ihn als dumm ein und dient der Nicht­ach­tung zum Aus­druck. Unter den abge­feim­ten Prak­ti­kern von heu­te hat die Lüge länst ihre ehr­li­che Funk­ti­on ver­lo­ren, über Rea­les zu täu­schen. Kei­ner glaubt kei­nem, alle wis­sen Bescheid. Gelo­gen wird nur, um dem andern zu ver­ste­hen zu geben, daß einem nicht an ihm liegt, daß man sei­ner nicht bedarf, daß einem gleich­gül­tig ist, was er über einen denkt. Die Lüge, ein­mal ein libe­ra­les Mit­tel der Kom­mu­ni­ka­ti­on, ist heut zu einer der Tech­ni­ken der Unver­schämt­heit gewor­den, mit deren Hil­fe jeder Ein­zel­ne die Käl­te um sich ver­brei­tet, in deren Schutz er gedei­hen kann. Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma mora­lia, #9, S. 28

Wahrheit

Nie­mand hat je bezwei­felt, daß es um die Wahr­heit in der Poli­tik schlecht bestellt ist, nie­mand hat je die Wahr­haf­tig­keit zu den poli­ti­schen Tugen­den gerech­net. Lügen scheint zum Hand­werk nicht nur der Dem­ago­gen, son­dern auch des Poli­ti­kers und sogar des Staats­man­nes zu gehö­ren. Han­nah Are­ndt, Wahr­heit und Poli­tik (1963)

Ungleichheit

Ungleich­hei­ten sind das Wesen der Welt, und dass etwas bes­ser sei, als ande­res, ist leicht zu dul­den Wil­helm von Hum­boldt, Litaui­scher Schul­plan (zitiert nach: ders: Schrif­ten zur Bil­dung. Hrsg. von Ger­hard Lau­er. Stutt­gart: Reclam 2017, 140f.)

Denken

Am schwie­rigs­ten ist es, beim Den­ken nicht immer nur die eige­nen Gedan­ken zu den­ken. Ger­hard Falk­ner, Romeo oder Julia, 137

Wirklichkeit

Die Wirk­lich­keit ist ein ver­patz­tes Ideen­kon­zept.“
Robert Musil, Ideen­blatt zum Mann ohne Eigen­schaf­ten

Menschen

Es ist wahr, dass die Men­schen im Durch­schnitt nir­gends sehr viel wert sind. Aber hier sind sie viel mehr als anders­wo nichts­nut­zig und unver­ant­wort­lich. Lud­wig Witt­gen­stein an Bert­rand Rus­sell, 23.10.1921

Bürger und Kunst

Der Bür­ger wünscht die Kunst üppig und das Leben aske­tisch; umge­kehrt wäre es bes­ser. Theo­dor W. Ador­no, Ästhe­ti­sche Theo­rie (Suhr­kamp 1989), 27

Erschöpfung

Eine ande­re Form von Müdig­keit: die der »Stel­lung«, des »Ver­hält­nis­ses zu«: »Wie ste­hen Sie zum Mar­xis­mus, zum Freu­dia­nis­mus, zu x, zu y?«, »Wel­che Hal­tung neh­men Sie in die­ser Fra­ge ein?« Ermü­dung: die Fra­ge nach der Posi­ti­on. Die heu­ti­ge Welt ist voll davon (Wort­mel­dun­gen, Mani­fes­te, Unter­schrif­ten usw.), und des­halb ist sie ermü­dend: Schwie­rig­keit, frei zu flot­tie­ren, den Platz zu wech­seln. (Schwe­ben heißt dage­gen einen Raum bewoh­nen, ohne sich an einen Platz fest zu bin­den = erhol­sams­te Kör­per­hal­tung: Bad, Schiff.)Roland Bar­thes, Das Neu­trum, 52

(Das stimmt heu­te viel­leicht noch mehr als vor knapp 40 Jah­ren (1978), als Bar­thes das so beob­ach­te­te …)

Affirmation

Und weil ich den­ke, dass sie über Fou­cault redet, muss ich an Ellen den­ken. Dar­an, dass sie mal über Fou­cault mein­te, er sei über­holt, weil jeder gro­ße Den­ker genau dann über­holt sei, wenn sein Name bei Micro­soft Word nicht mehr rot unter­krin­gelt wird. Und Namen, die so gän­gig sind, ass sie von Anfang an vom Sys­tem affir­miert wer­den, wür­den sowie­so nichts tau­gen, mein­te sie. Mal­te Abra­ham, Weil wir so sind, sagen wir schön (Edit #67, 15)

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