endlich habe ich es ein­mal geschafft, hein­er goebbels eisler­ma­te­r­i­al auch ein­mal live zu sehen — das ensem­ble mod­ern und joseph bier­bich­ler sind ja erst acht jahre mit der pro­duk­tion unter­wegs. und ihre cd (bei ecm erschienen) gehört schon lange zu meinen lieb­sten und meist­ge­spiel­ten.

was mich unge­heuer beein­druckt hat: wie stark diese musik, mit­samt ihren min­i­mal­is­tis­chen szenis­chen ele­menten (der büh­ne­nauf­bau vor allem mit der kleinen, kaum erkennbaren eissler-stat­uette in der mitte, die im zum zuschauer­raum offe­nen u sitzen­den musik­er, weit verteil über die ganze büh­nen­rän­der, auf ein­fachen schwarzen bänken, mit beson­ders ein­fachen noten­stän­dern, die wech­sel­nden licht­stim­mungen — ganz unauf­dringlich, aber eben, typ­isch für goebbels-pro­duk­tio­nen, stim­mig bis ins let­zte detail) immer noch auf mich wirkt, auch wenn ich sie eigentlich schon tausend­mal gehört habe und wirk­lich sehr gut kenne.

befremdet hat mich ander­er­seits, wie lustig das pub­likum war, an welch unpassenden stellen es zu teils ziem­lich heftigem gelächter kam — die eissler-lieder sind in meinen augen eher tragis­che zeug­nisse als komisch. denn ger­ade mit ihrer unbändi­gen hoff­nung auf eine bessere (arbeiter-)welt, ihren glauben an die möglichkeit ein­er rev­o­lu­tion, sind sie, kon­fron­tiert man sie mit der unverän­dert bedrück­enden­den (glob­alen) wirk­lichkeit, eigentlich tragisch: nach so vie­len jahren sind sie immer noch kein schnee von gestern, nicht ver­gan­gen­heit — etwas schlim­meres kann ihnen, betra­chtet man sie von dem stand­punkt ihrer entste­hung aus, eigentlich gar nicht passieren. lustig sind dabei für mich allen­falls teile der bei­den hör­musiken, die goebbels aus ton­band­kon­ser­ven von äußerun­gen eisslers zusam­mengeschnit­ten hat. die waren ton­tech­nisch allerd­ings auch am wenig­sten überzeu­gend, sie fan­den keinen platz im raum des frank­furter schaus­piels. die musik dage­gen ist live um län­gen bess­er als die — eigentlich auch nicht schlechte — cd-ver­sion. mit einem kleinen manko: die stimme von bier­bich­ler, elek­tro­n­isch ver­stärkt, ist ziem­lich stark abge­hoben. aber das fügt sich nach weni­gen minuten auch. die musik an sich ist vor allem um ein vielfach­es plas­tis­ch­er und durch­hör­bar­er. die sam­pler-spur beispiel­sweise ist durch­weg erhe­blich deut­lich­er wahrzunehmen als auf der auf­nahme. auch son­st ist die große räum­lichkeit, die weit auseinan­derge­zo­ge­nen musik­er — es sind ja nur 15 leute, die über rund um die nicht ger­ade kleine bühne verteilt sind — live natür­lich erhe­blich drastis­ch­er und ein­drück­lich­er zu erleben.

die hohe kraft dieser musik auf mein gemüt hat aber vor allem eine quelle: joseph bier­bich­ler. ihn als sänger zu nutzen war ein­deutig ein geniestre­ich hein­er goebbels. denn ger­ade seine etwas zit­trige stimme, seine kleinen unsicher­heit­en — etwa sein nicht ger­ade seltenes leicht­es voraneilen — ver­lei­hen dem ganzen eine faszinierende, unge­heure authen­tiz­ität. wie er am ende der wiegen­lieder für arbeit­er­müt­ter die let­zten wörter sprechend leicht nach oben zieht und so das ganze gle­ich immer wieder in zweifel zieht, das ist ein­fach wahnsinn: so viel wirkung mit so wenig aufwand, so präzise geset­zt. daneben sind es aber auch, das ist mir hier beson­ders deut­lich gewor­den, die fan­tastis­chen arrange­ments goebbels, die dem ganzen nicht nur eine musikalis­che geschlossen­heit, son­dern auch überzeu­gungskraft und emo­tion­al­ität ver­lei­hen. also ein­fach ein wahnsin­nig gutes kunst­werk.