Warum ver­tont der evan­ge­lis­che Kan­tor über­haupt in Deutsch­land die große katholis­che Messe? Wollte Bach seine Kol­le­gen mal zeigen, wie man das richitg, nach allen Regeln der Kun­st, macht? Darauf weiß auch Joshua Rifkin keine endgültige Antwort.
Doch kaum jemand hat die Diskus­sion um die „richtige“ Auf­führung der Bach’schen Vokalw­erke in den let­zten Jahren so befruchtet wie der amerikanis­che Forsch­er und Diri­gent. Also ist es auch vol­lkom­men fol­gerichtig, dass er eine neue kri­tis­che Aus­gabe der Messe ver­ant­wortet. Denn dass mit der Edi­tion der Neuen Bach-Aus­gabe noch nicht das let­zte Wort gesprochen ist, war schon lange klar.
Das wesentliche Prob­lem aller bish­eri­gen Aus­gaben ist näm­lich, dass sie große Teile von
Carl Philipp Emanuels Ergänzun­gen und – gut­ge­mein­ten – Verbesserun­gen des Auto­graphes beibehal­ten haben. Joshua Rifkin war da nun um einiges genauer und hat den Auto­graph noch ein­mal ein­er peniblen kri­tis­chen Prü­fung unter­zo­gen.
Das Ergeb­nis bet­rifft – auf unter­schiedliche Weise – große Teile des Noten­textes. Im Detail sind das eigentlich immer nur Kleinigkeit­en, die auch nicht unbe­d­ingt dazu nöti­gen, die Messe kom­plett neu zu ver­ste­hen. Da aber auch viele Artiku­la­tio­nen, Phrasierun­gen und Vor­trags­beze­ich­nun­gen betrof­fen sind, geben sie in der Summe allerd­ings doch die Möglichkeit, die h‑Moll-Messe auch inter­pre­ta­torisch neu zu ent­deck­en.
Das klare, über­sichtliche Noten­bild erle­ichert den Umgang und macht das Lesen in der Par­ti­tur auch optisch zum Vergnü­gen. Sehr schön ist außer­dem, dass Bre­itkopf auch für die Käufer der Stu­di­en­par­ti­tur den Kri­tis­chen Bericht im Inter­net zum Down­load bere­it­stellt. So kann jed­er Leser die Entschei­dun­gen Rifkins nachvol­lziehen.

Johann Sebas­t­ian Bach: Messe H‑Moll. BWV 232. Her­aus­gegeben von Joshua Rifkin. Stu­di­en­par­ti­tur. Bre­itkopf & Här­tel PB 5303.

(geschrieben für die neue chorzeit, 1/2009)