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Kategorie: musik Seite 34 von 37

schon wieder mozart: notturni und divertimenti

das ist aber, wenn es schon immer mozart sein muss, wenigs­tens ein­mal etwas, was sonst nicht zu fin­den ist: die not­tur­ni für drei sing­stim­men und drei bas­set­hör­ner. ulf roden­häu­ser hat damit wie­der ein­mal ein typi­sches vil­la-musi­ca-pro­gramm gestrickt: klug und schön glei­cher­ma­ßen…

nachts ist alles anders. was sonst ver­schie­den ist, erscheint nun plötz­lich gleich: die kat­zen sind alle grau. das ist ein per­fek­tes umfeld für mozarts not­tur­ni und die kat­zen­wie­gen­lie­der von igor stra­win­sky. in der vil­la musi­ca war es aller­dings noch hel­ler nach­mit­tag, als die stu­den­ten – sti­pen­dia­ten der vil­la und teil­neh­mer der sin­ging-sum­mer-kur­se – die büh­ne betra­ten. aber hin­der­nis war das kei­nes, sie kön­nen es trotz­dem errei­chen, das klas­sen­ziel – die ver­schmel­zung von mensch­li­cher stim­me und instru­men­ten der kla­ri­net­ten­fa­mi­lie zu einem klang.

die kla­ri­net­te, vor allem aber die bas­sett­hör­ner, ihre tie­fe­ren ver­wand­ten, die man in frei­er wild­bahn kaum mehr antrifft , war schon zu mozarts zei­ten ein scheu­es tier. der hat sie aber trotz­dem geliebt und ihnen nicht nur instru­men­ta­les wie die diver­ti­men­ti kv 439b geschrie­ben, er hat sie auch mit leib­haf­ti­gen sän­gern zusam­men gebracht. schon zu sei­ner zeit sag­te man die­sen blas­in­stru­men­ten beson­de­re nähe zur gesangs­stim­me nach. und genau das war auch in der vil­la musi­ca zu beob­ach­ten: die jun­gen stu­den­ten bemüh­ten sich unter der lei­tung ihrer dozen­ten, ulf roden­häu­ser für die musi­ker und clau­dia eder für die sän­ger, aus­ser­or­den­lich um das mischen der klang­far­ben. und in den sechs minia­tur­dra­men der not­tur­ni, den aufs höchs­te ein­ge­dampf­ten opern­sze­nen, gelang ihnen nicht nur das, sie bewahr­ten sich und ihrem publi­kum aus­ser­dem auch noch ein ganz kla­res klang­bild, dass es den sän­gern leicht mach­te und neben­bei für die zuhö­rer die text­hef­te auch noch über­flüs­sig mach­te.

auch ohne die sän­ger zeig­ten die kla­ri­net­tis­ten, dass man auch ohne sen­ti­men­ta­len kitsch emo­tio­na­le musik machen kann: mit ver­stand und kön­nen nut­zen sie die rei­chen mög­lich­kei­ten, blei­ben dabei immer gelas­sen und ohne auf­re­gung: so wünscht man sich den mozart: zart anschmieg­sa­mer wohl­klang mit rück­grat sozu­sa­gen, beson­ders berüh­rend aus­ge­führt im ada­gio kv 580a. stra­win­skys kat­zen­wie­gen­lie­der sind genau­so kurz, vor allem aber sehr humor­voll – und das geniesst die mez­zo­so­pra­nis­tis regi­na pät­zer sicht­lich.

damit es nicht bei den klei­nig­kei­ten aus der nacht blieb, stand auch noch jens-peter osten­dorfs „1791“ auf dem pro­gramm, eine hom­mage an mozart aus anlass des letz­ten jubi­lä­ums, vor allem aber ein zeug­nis des spie­le­ri­schen umgangs mit klang­ma­te­ria­len aus der musik­ge­schich­te, mit viel­fach gebro­che­nen und reflek­tier­ten motiv­tei­len, die mit gros­sen effek­ten den anspruch auf gross­ar­tig­keit erhe­ben. und die in ermü­den­der aus­führ­lich­keit bis zum ver­stum­mend er musik füh­ren – was roden­häu­ser aber nie dar­an hin­dert, sei­ne schü­ler immer wie­der neu zu gröss­ter musi­ka­li­scher exakt­heit anzu­trei­ben.

nachtrag: so klingt china, wenn es in deutschland zu besuch weilt

und wenn es zei­gen muss, dass die all­ge­mei­nen vor­stel­lun­gen nicht ganz dane­ben lagen.…

der schnei­den­de klang der sheng mischt sich unauf­fäl­lig mit dem näseln der erhu und dem zir­pen der unzäh­li­gen sai­ten von zheng, yang­qin und pipa: im foy­er des swr ist eini­ges anders als sonst. die fünf solis­ten des natio­na­len film­or­ches­ters aus peking sind auf ein­la­dung der vil­la musi­ca und des swr gekom­men, um in mainz zu zei­gen, wie sich „der klang chi­nas“ anhört. „der“ klang meint hier expli­zit den tra­di­tio­nel­ler musik, alter und neu­er, in ver­schie­de­nen beset­zun­gen. und dazu gehö­ren eben vor allem und zuerst ein­mal die exo­ti­schen instru­men­te: die sheng ist eine art mund­or­gel, die erhu ähnelt ent­fernt einer gei­ge mit zwei sai­ten, ohne griff­brett und put­zig klei­nem kor­pus – die ähn­lich­keit besteht im grun­de also nur dar­in, dass es ein streich­in­stru­ment ist. zheng ist ein zither-ähn­li­ches instru­ment, wohin­ge­gen yang­qin bloß die chi­ne­si­sche vari­an­te des hack­bretts und pipa eine lau­te ist.
das ist alles reich­lich selt­sam und unge­wohnt, die foto­ap­pa­ra­te der deut­schen kli­cken und kla­cken auch unent­wegt. und doch ist die musik gar nicht so viel anders: man ver­steht es schon irgend­wie – oder glaubt zumin­dest, es zu tun.
der klang der instru­men­te und die art des zusam­men­spie­lens ist zunächst der größ­te unter­schied. doch je genau­er man hin­hört, des­to ver­trau­ter wird das. das chi­ne­si­sche hack­brett etwa unter­schei­det sich kaum von der euro­päi­schen vari­an­te, wird aller­dings hoch­vir­tu­os ein­ge­setzt: die schle­gel wir­beln über die sai­ten, das kann man kaum noch mit­ver­fol­gen. auch die zheng erscheint nicht ganz so fremd: eigent­lich nur eine etwas unge­wöhn­lich zither. dern ton­hö­hen sich vari­ie­ren las­sen und deren klang mit der zwei­ten hand tief­grei­fend ver­än­dernd wer­den kann: vom zit­tern­den vibra­to bis zum dröh­nen­den brum­men rei­chen die mög­lich­kei­ten.
und alles steht im diens­te eines poe­ti­schen musik­ver­ständ­nis. man muss sich nur die titel anschau­en – die sind selbst schon rei­ne poe­sie: „der pfau begrüßt den früh­ling“, „blü­hen­de mond­nacht auf dem früh­lings­fluss“ oder „blü­hen­de blu­men und der voll­mond“. und so erscheint die musik auch: immer sehr beschrei­bend, die natur oder ein mythi­sches gesche­hen abbil­dend, immer in gro­ßer har­mo­nie und ein­tracht – was nicht heißt, dass da stets belang­logs dahin plät­schert: titel wie der „kampf gegen den tai­fun“ oder tanz­mu­si­ken ent­fa­chen auch unge­heu­re wir­bel – mit fünf instru­men­ten kön­nen die chi­ne­sen jeden­falls eine men­ge dampf machen.

kurz zusam­men­ge­fasst: gut erklärt (viel­leicht ein wenig anspruchs­voll und viel, aber immer­hin…), schlecht gespielt. das orches­ter ist offen­bar noch mit­ten im urlaub…

kon­zen­tra­ti­on auf das wesent­li­che ist ange­sagt: eine sin­fo­nie – sonst nichts stand auf dem pro­gramm­zet­tel für das ers­te kon­zert für jun­ge leu­te die­ser spiel­zeit im staats­thea­ter. dafür war es aber auch nicht irgend­ei­ne sin­fo­nie: beet­ho­vens fünf­te, eines der berühm­tes­ten und bekann­tes­ten exem­pla­re die­ser gat­tung hat­te sich die diri­gen­tin cathe­ri­ne rück­wardt aus­ge­sucht, um der jugend mal zu zei­gen, wie das funk­tio­niert. und wo die vier berühm­tes­ten töne der musik­ge­schich­te her­kom­men, was sie für ein gewal­ti­ges werk in gang set­zen.

denn die fünf­te ist und bleibt ein mords­bro­cken, der nor­ma­ler­wei­se recht schwer ver­dau­lich ist. aber rück­wardt mach­te ihren fans im thea­ter die sache ein gutes stück leich­ter: sie zer­glie­der­te die form, trö­sel­te the­men und moti­ve auf, zer­leg­te die sät­ze in klei­ne bruch­stü­cke und lau­ter schöns­te, bes­te, groß­ar­tigs­te stel­len. sie zeig­te beet­ho­vens genia­li­tät bei der ent­wick­lung und ver­ar­bei­tung von mini­mal­mo­ti­ven, erklär­te den „längs­ten schluss­ak­kord aller zei­ten“ und ließ das orches­ter zur demons­tra­ti­on der sin­gu­la­ri­tät der beet­ho­ven­schen sin­fo­nik auch mal schnell einen hal­ben satz mozart spie­len. denn zwei sachen nahm sie ganz beson­ders wich­tig: den form­auf­bau und die dra­ma­tur­gie die­ser sin­fo­nie. nur auf das gebiet der deu­tung wag­te sie sich kaum vor. das ist ja auch das gute recht der prak­ti­ker, die genau das in tönen­der wei­se, in der voll­stän­di­gen auf­füh­rung der sin­fo­nie, erle­digt.

aber ganz ehr­lich, die leis­tun­gen des orches­ters bei den klang­bei­spie­len lie­ßen wenig gutes hof­fen. und so kam es dann auch tat­säch­lich: die som­mer­pau­se – die fünf­te war ihr ers­tes kon­zert in die­ser sai­son – scheint den musi­kern noch sehr in den kno­chen zu ste­cken. schon lan­ge hat das phil­har­mo­ni­sche orches­ter nicht mehr so unkor­di­niert, so grob und unge­nau gespielt. vom main­zer klang, der sich in den letz­ten jah­ren gera­de anfing zu ent­fal­ten, waren da nur noch rui­nen übrig. hof­fent­lich ändert sich das schnell wie­der.

rück­wardt bemüht sich zwar sehr, aus dem klang­mas­sen ein gro­ßes dra­ma zu for­men. und die musi­ker las­sen sich offen­bar so sehr mit­rei­ßen, dass sie sich schon das eine oder ande­re mal gehen las­sen. die gro­ßen zusam­men­hän­ge, die dra­ma­tur­gie der kom­plet­ten sin­fo­nie wer­den so immer­hin recht deut­lich. aber dafür müs­sen eben alle klang­li­chen fines­sen, alle dif­fi­zi­len fein­hei­ten und hin­ter­sin­ni­gen ent­wick­lun­gen geop­fert wer­den. die paar weni­gen lich­ten momen­te, vor allem in den eck­sät­zen, rei­chen da ein­fach nicht aus: freu­de macht das so nicht.

nett: das quator ardeo aus paris gastiert im maison de france

eigent­lich soll­ten sie ja im wei­her­gar­ten spie­len, aber glück­li­cher­wei­se war der him­mel ziem­lich grau, so dass sie in den saal des mai­son de france umzie­hen durf­ten. denn im frei­en wäre das ver­gnü­gen sicher nur halb so schön gewe­sen, auch wenn es so ein wenig hit­zig und sti­ckig wur­de… aber was nimmt man nicht alles für das erleb­nis guter kunst in kauf.

zar­te arbes­ken schwe­ben durch das mai­son de france, fein wie spinn­we­ben – nur ungleich ange­neh­mer – ver­brei­ten sich die klän­ge von charles koech­lins ers­tem streich­quar­tett. das ardeo-quar­tett ist es, das die­se traum­wel­ten aus klang in mainz ent­ste­hen lässt, ein jun­ges streich­quar­tett aus paris. bei koech­lins ers­tem quar­tett wech­seln die erup­ti­ven klang­bal­lun­gen wüs­ter dra­ma­ti­scher aus­brü­che immer wie­der mit weit aus­ge­spon­ne­nen, zer­brech­lich dün­nen melo­dien. stets fin­det sich noch eine unbe­kann­te rich­tung, noch ein uner­forsch­tes klang­feld für den kom­po­nis­ten an der schwel­le vom 19. zum 20. jahr­hun­dert. und die vier musi­ke­rin­nen des ardeo-quar­tett sprin­gen mit sou­ve­rä­ner anmut und beweg­lich­keit von einer klang­welt in die nächs­te, ohne jedes zögern und ohne jeden bruch.

das ein streich­quar­tett über­haupt so viel­fäl­tig klingt wie das drit­te aus koech­lins feder, ist ganz und gar nicht selbst­ver­ständ­lich. aber wenn es einen kom­po­nis­ten gibt, bei dem das nicht so sehr über­ra­schend ist, dann ist es eben die­ser charles koech­lin. denn er, des­sen vie­le vie­le wer­ke aus sei­nen lan­gen jah­ren des schaf­fens heu­te kaum noch zu hören sind, setzt nicht nur in den quar­tet­ten genau die­sen effekt, die beto­nung der klang­far­ben und klin­gen­den gestal­ten, stän­dig als eigen­wer­ti­ges kom­po­si­to­ri­sches mit­tel ein. und die vier fran­zö­sin­nen haben das nicht nur begrif­fen, son­dern kön­nen es auch in schall­wel­len, in ein ech­tes erleb­nis ver­wan­deln.

sogar beim quar­tett op. 13 von felix men­dels­sohn bar­thol­dy blie­ben sie in ähn­li­cher wei­se klang­for­sche­risch tätig. schon die tat­sa­che, dass sie das taten, ist ein wenig unge­wöhn­lich. wirk­lich über­ra­schen ist aber, dass sie mit die­sem mate­ri­al zu noch stär­ke­ren und ein­drucks­vol­le­ren ergeb­nis­sen kom­men. so ver­rückt es schein mag: die deut­sche musik scheint ihnen mehr als nur ein quänt­chen mehr zu lie­gen als die des fran­zo­sen koech­lin. men­dels­sohns quar­tett haben sie so ver­in­ner­licht, dass es schon fast impro­vi­siert anmu­tet: so unge­zwun­gen ergibt sich eines aus dem ande­ren, so viel natür­li­che kraft und begeis­te­rung tut eben jeder musik gut. ein klei­nes biss­chen unfair ist das aller­dings schon, denn koech­lin hat die­ses power­pa­ket nur in abge­speck­ter form genie­ßen dür­fen.

und ich muss mir den schmarrn auch noch anhö­ren – und mit mei­nem stu­ren pflicht­be­wusst­sein blei­be ich auch noch bis zum ende – man hofft ja doch, dass es nohc bes­ser wer­den könn­te. wur­de es aber über­haupt nicht: der charme der sin­gen­den kreis­sä­ge war eh‘ schon nach weni­gen sekun­den ver­braucht… und das pro­gramm war so ama­teur­haft zusam­men­ge­stüm­pert, das könn­te wahr­schein­lich sogar ich bes­ser hin­be­kom­men – obwohl ich ja kein gro­ßer show-pro­gramm-ent­wick­ler bin… naja, die meis­ten main­zer waren ver­nünf­tig genug, sich das nicht anzu­tun (wahr­schein­lich aber vor allem, weil sie’s gar nicht mit­be­kom­men haben…). ok, soweit das inof­fi­zi­el­le gejam­me­re, jetzt der offi­zi­el­le teil (in dem ich aller­dings auch noch ordent­lich zur sache kom­men muss­te)

passt das über­haupt zusam­men – der unbarm­her­zigs­te gesell­schafts­kri­ti­ker unter den dich­tern des zwan­zigs­ten jahr­hud­nerts und eine musi­ka­li­sche revue? amy leve­renz und mar­kus flei­scher mei­nen schon, die main­zer sind da offen­bar eher gegen­tei­li­ger auf­fas­sung. und sie haben in gewis­ser wei­se recht.

„die kunst­ken­ner blie­ben weg“ heißt es in einem der gedich­te brechts, die leve­renz sich aufs noten­pult gelegt hat. und trifft damit auf die main­zer situa­ti­on zu. als hät­ten sie es vor­her gewusst, waren zu die­ser revue im frank­fur­ter hof, ver­an­stal­tet vom main­zer lite­ra­tur­bü­ro und dem kul­tur­som­mer rhein­land-pfalz, ziem­lich wenig leu­te gekom­men und noch weni­ger bis zum ende geblie­ben. ein „hap­py end“ soll­te das sein, so behaup­te­te der titel. und die hoff­nung dar­auf war wohl so das ein­zi­ge, was die ver­streu­ten zuhö­rer auf­recht hielt.

denn die­ser revue fehlt so ziem­lich alles, was sie zu einem span­nen­den, unter­halt­sa­men oder wenigs­tens inter­es­san­ten abend gemacht hät­te. zum bei­spiel eine dramt­ur­gie – fehl­an­zei­ge: leve­renz stol­pert sich durch brechts leben, ver­fehlt dabei auch noch wich­ti­ge sta­tio­nen und ver­trö­delt sich dann im ame­ri­ka-teil mit neben­säch­li­chen schla­gern. die musik – vor­wie­gend belang­lo­se arran­ge­ments. mar­kus flei­scher bemüht sich, mög­lichst wenig zu stö­ren und sorgt mit sei­ner ana­chro­nis­ti­schen strom­gi­tar­re für wei­chen klang­tep­pich ohne höhen oder tie­fen. die sän­ge­rin und ihre stim­me – ein ganz gro­ßes pro­blem. denn die passt viel bes­ser in ver­rauch­ten club als in die nüch­tern-kon­zen­trier­te atmo­sphä­re des frank­fur­ter hofs. hier offen­ba­ren sich alle unzu­läng­lich­kei­ten, alle brü­chig­kei­ten und quä­le­rei­en viel zu erbar­mung­los. und auch die büh­nen­prä­senz – nur noch eine wei­te­re leer­stel­le.

und wenn man das nun addiert, bleibt ledig­lich die fra­ge: wie­so hat nie­mand der sän­ge­rin die­se pein­lich­keit erspart? oder um es mit brecht zu sagen: „ich rate lie­ber mehr zu kön­nen als man macht, als mehr zu machen als man kann“ – hät­te amy lever­nez des meis­ters rat doch nur befolgt.

auch das rheingau musik festival hat mal wieder ein ende gefunden

und zwar mit mozarts gro­ßer c‑moll-mes­se. dum­mer­wei­se (muss man echt fast sagen) habe ich die letz­te woche aber gera­de ganz fan­tas­tisch in mainz gehört. da konn­te die all­zweck­waf­fe hel­muth ril­ling im klos­ter eber­bach lei­der nicht ganz mit­hal­ten – vor allem, weil sei­ne musi­ker, ins­be­son­der der chor, nicht auf dem sel­ben niveau ange­sie­delt waren. dafür war der bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter da…

hoch hin­aus woll­ten sie: zum abschluss­kon­zert hat das rhein­gau musik fes­ti­val im klos­ter eber­bach noch ein­mal eine enor­me tri­bü­ne für den chor auf­ge­baut. gehol­fen hat es aber nicht viel. um es gleich zu sagen, mozarts c‑moll-mes­se war an die­sem abend kaum mehr als soli­des kunst­hand­werk. das ist nichts schlech­tes, aber auch nicht beson­ders auf­re­gend.

dabei war es eigent­lich eine viel­ver­spre­chen­de kon­stel­la­ti­on. schließ­lich war hel­muth ril­ling der auf­trag­ge­ber die­ser mes­se. denn mozart selbst, der sie übri­gens ganz aus­nahms­wei­se ohne expli­zi­ten auf­trag plan­te und begann, hat sie wohl nie fer­tig kom­po­niert. aber es gibt ja robert d. levin, pia­nist und mozart-spe­zia­list, der schon des meis­ters requi­em mit einer vor­treff­li­chen ergän­zung ver­arz­tet hat. und der eben letz­tes jahr für hel­muth ril­ling die c‑moll-mes­se kv 427 zu ende geschrie­ben hat. bemer­kens­wert dar­an ist, wie gut sich sei­ne arbeit – die sich nur zum klei­nen teil auf skiz­zen stüt­zen kann – in den rest inte­griert. aber aus­ge­rech­net ril­ling lässt an die­sem abend viel von dem poten­zi­al, dass die mischung aus mozart und levin bie­tet, unge­nutzt. viel­leicht liegt’s ja dar­an, dass er aus­wen­dig diri­giert – aber eine gan­ze men­ge bleibt unge­mein pau­schal und ober­fläch­lich. das kyrie etwa ist vor allem stei­fe rou­ti­ne bar jeder span­nung, ohne die andeu­tung eines geheim­nis­ses. und gera­de davon bie­tet die­ses mes­se unge­heu­er viel – man muss es nur ent­de­cken und zum leben erwe­cken. aber dafür schei­nen sich weder das durch­ge­hend wuch­ti­ge orches­ter und der oft genug unfle­xi­bel har­te, nicht beson­ders durch­set­zungs­fä­hi­ge chor (bei­de vom fes­ti­val des euro­päi­schen musik­fests stutt­gart in den rhein­gau gekom­men) begeis­tern zu kön­nen.

erst ab dem glo­ria taucht dann, vor allem in den letz­ten chö­ren und dem quo­niam-ter­zett, ech­ter und inni­ger aus­druck immer häu­fi­ger auf. und wenn man mal vom etwas lust­lo­sen, trä­gen cre­do absieht, wird es mit fort­schrei­ten­der dau­er immer bes­ser. das sanc­tus ist ein rich­tig kräf­ti­ges, tat­säch­lich erfüll­tes stück musik. und im bene­dic­tus dür­fen die solis­ten noch ein­mal um die wet­te sin­gen. die sopra­nis­tin ruth zie­sak, stel­len­wei­se beängs­ti­gend unsi­cher, mach­te aus­ge­rech­net hier aller­d­ins kei­ne beson­ders gute figur. simo­na hou­da-satur­o­vá blieb zwar etwas unschein­bar, aber soli­de. ganz ähn­lich lie­ßen sich die män­ner hören: sowohl tenor cor­by welch als auch bass mar­kus mar­quardt bemüh­ten sich, mög­lichst wenig auf­zu­fal­len. doch in den letz­ten momen­ten, im agnus dei, kam dann tat­säch­lich bei allen doch noch das feu­er zum vor­schein, das den ers­ten tei­len so sehr gefehlt hat: der vol­le ein­satz aller keh­len und see­len, der die­se mes­se erst zu einem ereig­nis wer­den lässt.

piazzolla tanzt, mozart schaut zu

so, noch ein­mal nach­rich­ten vom main­zer musik­som­mer. dies­mal habe ich das ma’a­lot-quin­tett erwischt, im wei­her­gar­ten, gespielt wur­de die selt­sa­me kom­bi­na­ti­on von piaz­zolla und mozart, die total blöd­sin­nig neben­ein­an­der stan­den und sich bloß anschwie­gen… viel mehr gibt’s eigent­lich nicht sagen – außer das die bestuh­lung im wei­her­gar­ten nicht gera­de sehr bequem ist.. und das publi­kum dies­mal ziem­lich trä­ge war…

also, so hat’s die rhein-zei­tung bekom­men:

die frä­cke waren eigent­lich über­flüs­sig: die wah­re kul­tur zeigt sich schließ­lich im klang und nicht in der klei­dung. und sie pass­ten auch nicht so recht ins gemüt­li­che ambi­en­te des wei­her­gar­ten. vor allem aber ging die dienst­klei­dung des ma’alot-quintetts (zumin­dest ihrer vier män­ner) nicht so recht mit der musik zusam­men, die sie am meis­ten spiel­ten. denn astor piaz­zoll­as wer­ke sind nie nur rei­ne kon­zert­saal­mu­si­ken, son­dern immer auch noch unter­hal­tung.

das liegt natür­lich am tan­go, von dem (fast) jeder note aus sei­ner hand beseelt ist. zwar wür­de es wohl schwer­fal­len, zu sei­nem tan­go nue­vo einen klas­si­schen paar­tanz aufs par­kett zu legen, aber ganz lässt piaz­zolla sei­ne her­kunft nie los. bes­tes bei­spiel dafür ist wohl die „his­toire du tan­go“, eine vier­sät­zi­ge suite, die genau das tut, was ihr titel ver­spricht: eine geschich­te der tan­go­mu­sik in klin­gen­den bei­spie­len zu schrei­ben. der kla­ri­net­tist des ma’alot-quintetts, ulf-gui­do schä­fer, hat das für sein ensem­ble zurecht­ge­rückt. und die fün­fe brin­gen mit die­ser musik sogar die stuhl­bei­ne zum tan­zen. das ist näm­lich genau das, was der gemei­ne mit­tel­eu­ro­päi­sche kon­zert­be­su­cher mit dem tan­go ver­knüpft: lei­den­schaft pur. und das ma’alot-quintett zeigt wun­der­bar die ent­wick­lung von der nacht­mu­sik in den kon­zert­saal, vom anrü­chi­gen tanz zur hoch­kul­tur.

fast eben­so erfolg­reich nahm sich das blä­ser­quin­tett des „tan­go bal­lets“ von piaz­zolla an. immer wie­der wech­sel­ten sie ganz non­cha­lant und bei­läu­fig vom flö­ten­den froh­sinn zur besinn­li­chen nach­denk­lich­keit und der gedan­ken­ver­lo­ren melan­cho­lie. so kam nie lang­wei­le auf. geschlos­se­ner blieb das ensem­ble bei den „estacio­nes por­tenas“, der argen­ti­ni­schen ver­si­on von vival­dis „vier jah­res­zei­ten“. hier­bei fiel die para­do­xe mischung des ma’alot-quintetts viel­leicht am deut­lichs­ten auf: da ver­su­chen sich fünf musi­ker in einer klas­si­schen beset­zung der euro­päi­schen kunst­mu­sik an mehr oder min­der ech­ter süd­ame­ri­ka­ni­schen folk­lo­re. und es funk­tio­niert erstaun­lich gut. viel­leicht ist es ein wenig zu gut, zu schön – aber das stört ja kaum.

ganz umsonst hat sich das ma’alot-quintett übrin­gens doch nicht in die frä­cke gewor­fen: für mozart gehört sich das immer noch. und weil eben mozart­jahr ist, darf auch mög­lichst kein kon­zert ohne den jubi­lar vor­über­ge­hen. auch wenn es über­haupt nicht ins pro­gramm passt. die har­mo­nie­mu­sik zu „così fan tut­te“ und das andan­te für eine orgel­wal­ze, die ulf-gui­do schä­fer für sein ensem­ble bear­bei­tet hat, sind zwar auch schö­ne musik und die fünf blä­ser spie­len auch frisch und fröh­lich drauf los – aber das ist im wei­her­gar­ten, umge­ben von piaz­zoll­as musik, weder beson­ders pas­send noch beson­ders span­nend.

der trom­pe­ter axel dör­ner hat ges­tern den swr-jazz­preis bekom­men. und er hat dafür einen abend lang gezeigt, war­um das unbe­dingt rich­tig war: weil er nicht nur ein guter trom­pe­ter ist, son­dern – was für mich viel ent­schei­den­der scheint – weil er es ver­mag, grup­pen zu for­men. zwei davon hat er nach mainz mit­ge­bracht: „die ent­täu­schung“ – alles ande­re als der name…, und sein expe­ri­men­tel­les trio „TOOT“. und dör­ner zeig­te sich eigent­lich den gan­zen abend nicht nur kaum, son­dern nie im mit­tel­punkt. bei der ent­täu­schung war es vor allem der unge­heu­er­li­che rudi mahall, der das zen­trum des gesche­hens ger­ne an sich zog (ohne das das schlecht wäre, wer so inten­siv und inno­va­ti­ons­freu­dig mit der bass­kla­ri­net­te arbei­ten und spie­len kann, darf so etwas), bei toot vor allem tho­mas lehn und sein syn­the­si­zer, die das klang­li­che gesche­hen doch sehr stark präg­ten. aber ich hat­te dann doch den ein­druck, dass es sehr stark von dör­ner abhing, dass die­se kon­stel­la­tio­nen ent­ste­hen konn­ten – kon­stel­la­tio­nen, in denen neu­es, fas­zi­nie­ren­des, expe­ri­men­tel­les ent­ste­hen und aus­pro­biert wer­den kann – fer­ti­ge lösun­gen hat er nicht, will er wohl auch nicht (das wäre ja still­stand). für den zuhö­rer ist das natür­lich mehr „arbeit“, er muss sich das selbst noch for­men, nach anknüp­fungs­punk­ten, nach (be-)deutungen suchen – eine musik, die kein (oder nur ein sehr mini­ma­les, extrem redu­zier­tes) bedeu­tungs- und formin­ven­tar hat bzw. gera­de dar­auf aus ist, die­se vor­ga­ben mit allen mit­teln zu unter­lau­fen und zu ver­hin­dern, ist wesent­lich anstren­gen­der und unbe­que­mer zu hören. und dazu kommt natür­lich noch, dass die klang­land­schaft von toot ziem­lich karg ist, oft eher wie ver­blass­te schwarz-weiß-bil­der, schnapp­schüs­se, als wie ein cine­ma­scope-farb­film. gera­de dör­ne arbei­tet mit sei­ner ver­ka­bel­ten trom­pe­te schließ­lich vor allem an for­men des klan­ges kurz vor dem ver­stum­men, for­men des mehr oder min­der ton­hal­ti­gen rau­sches etc.

ok, soweit die kon­fu­sen über­le­gun­gen. so habe ich das dann für die rhein-zei­tung beschrie­ben:

wer sei­ne band „die ent­täu­schung“ nennt, muss sich schon ziem­lich sicher sein, das sie genau das nicht her­vor­ruft. axel dör­ner ist in die­ser hin­sicht völ­lig unge­fähr­det. immer­hin war sei­ne arbeit mit der „ent­täu­schung“ einer der grün­de, war­um der trom­pe­ter die­ses jahr die vom land rhein­land-pfalz und dem swr gestif­te­ten 10.000 euro des swr-jazz­prei­ses über­reicht bekam. und nach alter musi­ker sit­te bedank­te er sich dafür mit einem kon­zert. „die ent­täu­schung“ war dabei als der tra­di­tio­nel­le teil ange­kün­digt wor­den – aber zum glück pflegt das quar­tett eine sehr zeit­ge­nös­si­sche art, mit der trad­ti­ti­on des jazz umzu­ge­hen. sicher basiert das hör­bar auf dem bebop, aber ist auch unver­kenn­bar aus dem jahr 2006. vor allem der witz und humor aller vier musi­ker sorgt dafür. das schaut recht harm­los aus, ein ganz nor­ma­les quar­tett mit schlag­zeug, bass, bass­kla­ri­net­te (der fan­tas­ti­sche rudi mahall) und trom­pe­te. und es fängt auch unauf­fäl­lig an. doch dann bre­chen die musi­ker immer wie­der aus: da gibt es die selt­sams­ten sprün­ge, die ver­rück­tes­ten tem­pi­wech­sel an den absur­des­ten stel­len, da gehen die bei­den blä­ser mit­ten in einer num­mer ins trep­pen­haus und spie­len dort wei­ter. das ist rei­ne camou­fla­ge, der suber­si­ve bebop einer post­mo­der­nen zap­per-gene­ra­ti­on – unge­heu­er frisch und unter­halt­sam. und auch wenn es schein­bar total unkon­trol­liert daher kommt, die musi­ker um den coo­len, voll­kom­men gelas­se­nen axel dör­ner haben das in jedem moment fest im griff.

doch das änder­te sich bald: mit dem trio toot ver­ließ der preis­trä­ger dann die letz­ten res­te des fes­ten bodens. jetzt gaben auch kei­ne kom­po­nier­ten the­men mehr halt, nicht ein­mal die her­kömm­li­chen töne spiel­ten eine rol­le, von tra­di­tio­nel­len song-struk­tu­ren ganz zu schwei­gen. was der vokal­ar­tist phil min­ton und tho­mas lehn am syn­the­si­zer da mit dör­ner pro­du­zier­ten, ist nur noch eine ein­zi­ge suche, eine jagd nach neu­en, ange­mes­se­nen aus­drucks­mög­lich­kei­ten. und das recht mini­ma­lis­ti­sche gef­ri­ckel, knar­zen, rau­schen und wis­pern, das nun aus den laut­spre­chern dringt, ver­langt scharf gespitz­te ohren und geschärf­te auf­merk­sam­keit. das tran­sis­to­ri­sche ist die­ser expe­ri­men­tel­len impro­vi­sa­ti­on fest ein­ge­schrie­ben, nie sind die drei mit einem klang zufrie­den, nie pro­du­zie­ren sie behag­li­che wohl­fühl-musik. ihr métier ist, ganz ähn­lich wie bei der „ent­täu­schung“, die suche nach alter­na­ti­ven, der impuls zum nach­den­ken, auch zum nicht-ein­ver­stan­den-sein. damit hat dör­ner die gren­zen des jazz frei­lich längst hin­ter sich gelas­sen – und das publi­kum im main­zer funk­haus auch sehr stra­pa­ziert: die rei­hen lich­te­ten sich unter­des­sen spür­bar.

natur und kunst

die bei­den kom­men ja ab und an mit­ein­an­der in berüh­rung, meist aller­dings nur in einer rich­tung, um die es hier jetzt auch geht: ein net­tes klei­nes kon­zert loka­ler kräf­te im gon­sen­hei­mer rat­haus, das um das the­ma „natur­ver­to­nun­gen“ kreist – mit hef­ti­gem hin- und her-sprin­gen zwi­schen den sti­len und jahr­hun­der­ten (ein bei­trag zur tat­säch­lich statt­fin­den­den berüh­rung in umge­kehr­ter rich­tung, also kul­tur in der natur, fin­det sich etwa hier.) so, genug der vor­re­de, jetzt der eigent­lich text:

rau­schen­de flüs­se, spru­deln­de quel­len, wogen­de wäl­der – fer­tig ist die natur. viel mehr bekommt die musik näm­lich nicht von ihr mit, wären da nicht nur die vogel­stim­men. aber die sind ja immer schon mehr oder weni­ger musik gewe­sen. und obwohl sich die natur in der rea­li­tät noch ein wenig viel­fäl­tig prä­sen­tiert, die mög­lich­kei­ten sind auch so für die musik schon uner­gründ­lich. ein paar, ganz weni­ge eigent­lich, die­ses ein­drin­gens der natur in die akus­ti­sche kunst waren jetzt im gon­sen­hei­mer rat­haus zu hören. die drei musi­ke­rin­nen des duo flau­tia­no machen das mit einem rund­um­schlag: aus barock, roman­tik und gegen­wart haben sie der kam­mer­mu­sik ein paar stich­pro­ben zum the­ma „wind, wald und was­ser“ ent­nom­men.

nicht feh­len darf bei einem sol­chen the­ma natür­lich oli­vi­er mes­siaen, der meis­ter der inte­gra­ti­on von vogel­stim­men in die kom­po­nier­te musik. von ihm haben sich die pia­nis­tin ange­li­ka raff und ihre part­ne­rin, die flö­tis­tin susan­ne gimm, sein ers­tes werk, in dem er sich ganz dem klang eines vogels ver­schreibt, aus­ge­sucht: „le mer­le noir“, die schwa­re amsel. damit kön­nen die bei­den zuge­lich zei­gen, wie gut sie auf­ein­an­der abge­stimmt sind: im stän­di­gen auf und ab, in den viel­fäl­ti­gen stim­mun­gen des kur­zen stücks bil­det das duo eine geschlos­se­ne ein­heit, das den unzäh­li­gen details, den natur­nach­ah­mun­gen und atmo­sphä­ri­schen ein­drü­cken ihren raum lässt.

vor der roman­tik rausch­te und plät­scher­te es in der musik eher sel­ten. hän­dels „neun deut­sche ari­en“ bie­ten immer­hin zwei bei­spie­le: regi­na dah­len singt mit wohl­do­sier­ter kraft und kla­rer arti­ku­la­ti­on vom zit­tern­den glän­zen der spie­len­den wel­len, von der herr­lich­keit der natur. aber erst die roman­tik ist die hoch­zeit der ver­mäh­lung von natur und kunst: ob in lie­dern oder sona­ten – ganz ohne geht es nur noch sel­ten ab. carl reine­ckes „undi­ne“, eine pro­gram­ma­ti­sche sona­te für flö­te und kla­vier, erfor­dert zwar eher groß­zü­gi­ges asso­zi­ie­ren, um die natur in der musik zu erken­nen. aber sie brei­tet ein wun­der­ba­res pan­oram aus – mit klei­nig­kei­ten geben die musi­ke­rin­nen sich hier nicht ab. immer haben sie gro­ße zusam­men­hän­ge im blick, stets bleibt alles im fluss, beharr­lich fol­gen sie den wel­len­be­we­gun­gen des emo­tio­na­len erle­bens, das erst in der besinn­li­chen ver­söh­nung des schlus­ses sei­ne erfül­lung fin­det.

gut, das war der also offi­zi­el­le text­teil. nicht mehr hin­ein­ge­passt hat v.a. sofia gubai­du­li­nas „klän­ge des wal­des“. obwohl das auch mal wie­der ganz schön zu hören war. natür­lich auch hier wie­der die obli­ga­ten vogel­stim­men (was wäre ein wald ohne die gefie­der­ten vie­cher), aber vor allem ein sehr atmo­sphä­ri­sches stim­mungs­bild, noch bei­na­he (naja, viel­leicht doch nicht so bei­na­he) roman­ti­sches stück musik. wobei die grund­hal­tung, das emo­tio­na­le emp­fan­gen und (hör-)bildliche wie­der­ge­ben die­ser stim­mung in der musik eben doch ziem­lich von der roman­ti­schen ästhe­tik bestimmt ist. jeden­falls sehr schö­ne, plas­ti­sche momen­te – vor dem inne­ren auge tau­chen ein­sa­me, unbe­rühr­te, leicht ver­wil­der­te mär­chen­wäl­der auf, sanf­te nebel­schwa­den, hier und da blitzt immer wie­der ein ein­sa­mer son­nen­strahl durch das dach der grü­nen wüs­te, ansons­ten eher gedämpf­tes licht etc. usw. – also irgend­wie eben die typi­schen emp­fin­dun­gen der roman­ti­ker – oder die ent­spre­chen­den kli­schees.

mozart, nichts als mozart

nun gut, es gibt schlim­me­res ;-) aber beson­ders begeis­tert bin ich von sol­chen pro­gram­men nun mal nicht… aber nett war’s trotz­dem, nur nicht beson­ders auf­re­gend oder gar inno­va­tiv bzw. indi­vi­du­ell, d.h. ein­ma­lig – das pro­gramm hät­ten die betei­lig­ten wahr­schein­lich an jedem abend an jedem ort genau so auch gespielt (und haben es wahr­schein­lich auch schon…)

ok, jetzt der offi­zi­el­le text:

zu mozarts zei­ten hät­te es das nicht gege­ben: ein kon­zert nur mit jahr­hun­der­te­al­ter musik. heu­te dage­gen wird gera­de so mozart gefei­ert. aber meist sind es immer­hin spe­zia­lis­ten, die so etwas tun. etwa die eng­lish baro­que soloists beim rhein­gau musik fes­ti­val. zusam­men mit dem pia­nis­ten robert levin und der mez­zo­so­pra­nis­tin ber­nar­da fink hat john eli­ot gar­di­ner im wies­ba­de­ner kur­haus einen gan­zen abend nur mozart gespielt. aber immer­hin ein bun­tes pro­gramm: ein kla­vier­kon­zert, eine sin­fo­nie, zwei ari­en (mit der grund­so­li­den ber­nar­da fink) und noch ein kon­zert­satz für vio­li­ne und kla­vier.

gar­di­ner ist dafür zwar in mön­chi­sches schwarz gehüllt. aber er diri­giert eher wie ein gue­ril­la­kämp­fer. mit einem fast unheim­li­chen biss packt er jede note fest am kra­gen und braust fast aggre­siv durch sein pro­gramm: lan­ge­wei­le und mit­tel­maß sind die fein­de, die es aus­zu­til­gen gilt. und er muss dabei auf nie­man­den rück­sicht neh­men, er kann den klang redu­zie­ren, bis fast nur noch struk­tu­ren zu hören sind sind und auch ganz schön grob drein­fah­ren – die baro­que soloists fol­gen ihm ohne zögern: das ist schon eine beein­dru­cken­de spiel­kul­tur. sei­ne inter­pre­ta­ti­ve leis­tung scheint sich aller­dings im inten­si­ven aus­brei­ten der extre­me in jeder musi­ka­li­schen dimen­si­on zu erschöp­fen: hohe tem­pi, gro­ße dyna­mik­un­ter­schie­de, hef­tigs­te beto­nung sor­gen in einem kos­mi­schen auf­ein­an­der­pral­len der kraft­fel­der für hef­ti­ge span­nung. so gibt gar­di­ner der musik ihre ecken und kan­ten zurück – das ist, auch wenn es nicht mehr ganz tau­frisch ist, immer noch erfri­schend.

im pia­nis­ten robert levin hat er dafür einen pas­sen­den part­ner gefun­den. der geht zwar nicht ganz so rauh und kämp­fe­risch er an die solo­par­tie des c‑dur-kon­zer­tes, doch mit eben­bür­ti­ger ernst­haf­tig­keit. so bleibt das alles nicht nur aus­ge­gli­chen, son­dern auch zivi­li­siert. wie flink sei­ne fin­ger wirk­lich sind, bewies er nicht nur in der impro­vi­sier­ten kadenz, son­dern vor allem im kon­zert­satz für kla­vier, vio­li­ne und orches­ter. von mozart gibt es dazu zwar gera­de mal ein frag­ment des anfangs, aber levin hat dar­aus eini­ges gemacht. auf­fäl­lig ist vor allem die gro­ße rol­le des orches­ters: den solis­ten wird zwar eini­ges abge­for­dert – levin und kati debret­zeni bewei­sen mit blit­zend-per­len­den ton­kas­ka­den auch ihre behän­de leich­tig­keit – aber das ist mehr als eine rei­ne bra­vour­leis­tung, das ist erfül­len­de musik.

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