… und zwar aus seinem buch „warum du mich verlassen hast“. interessanter als die lesung – nix besonderes, solide, überlegt, aber ohne inspiration (wie wohl auch das buch in diese richtung zu tendieren scheint) – aber die beobachtung, wie er mit dem publikum umgeht. zunächst einmal wird es immer gründlich zugetextet: so viel gelaber und geschwalle habe ich von einem „dichter“ oder autor oder textproduzent (was wohl am besten passt) selten erlebt. und fast schon zu bewundern, die fähigkeit des einschleimens, in so viel gerede um nichtigkeiten und banalitäten verpackt, dass es fast gar nicht auffällt. naja, nicht mein fall eben, so eine mediokre dichterlesung – da frage ich mich doch immer, wozu das gut sein soll…
paul ingendaay liest. er macht das, weil er ein buch geschrieben hat. und er möchte das gerne an ganz viele leute verkaufen. auch in mainz. deshalb setzt er sich abends in die kleine buchhandlung „shakespeare und so“ und liest. sein buch heißt „warum du mich verlassen hast“. und es ist ziemlich dick. er kann also nur ganz wenig daraus vorlesen. denn sonst säßen seine hörer, die hoffentlich auch bald seine leser sind, ziemlich lange da herum. und sie müssten nichts tun als zuhörern.
aber das wäre ja nicht das schlimmste. denn paul ingendaay kann gut vorlesen. mit wenig aufwand macht er das. nüchtern und sachlich klingt seine stimme angenehm durch die buchhandlung. aber er weiß auch genau, was bei den lesern und zuhöreren gut ankommt. denn das hier in mainz ist ja nicht seine erste lesung. er weiß also genau, wo er die lacher auf seiner seite hat. oder wo er die stimme ein wenig heben muss. oder das es schön ist, dass er zwischendurch mal eine weile stehend liest.
sein buch erzählt mit viel witz und sensibilität von marko. marko ist 15 und lebt in den siebzigern in einem katholischen internat. das ist auch schon fast alles. denn es geht um „mädchen, bücher und gott“. die mädchen fehlen marko und seinen freunden sehr. das gibt anlass zu allerlei lustigen und traurigen verzweiflungstaten. bücher dagegen gibt es mehr als genug. die kann man lesen und dann lange darüber reden. ob es genug gott gibt, ist hingegen nicht so ganz klar.
das ist also eine menge stoff. eben 500 seiten dick. zum vorlesen hat der autor sich ein paar passagen aus dem anfang heraus gesucht. da gibt es nämlich ganz viel zu lachen. später tauchen noch spannende verwicklungen und hochdramatische vorgänge auf. aber die will paul ingendaay noch nicht verraten. denn das buch soll man ja noch lesen.
dafür beantwortet er nach dem lesen auch noch die fragen der hörer. mit viel geduld. denn bestimmt ist er schon ganz oft gefragt worden, was in seinem buch wahrheit und dichtung ist. oder wie es ihm in seiner jugend im katholischen internat erging.
kaufen darf und kann man das buch natürlich auch gleich. und wenn man will, unterschreibt paul ingendaay das auch noch – damit auch jeder glaubt, dass er es selbst geschrieben hat. und das man ihn einmal leibhaftig gesehen hat. das kann man dann seinen enkeln erzählen, später, wenn man alt ist. aber ob dann noch jemand weiß, wer paul ingendaay ist? vielleicht wird er dann ja gerade wiederentdeckt. als ein musterbeispiel des formvollendeten erzählens, dass dem leser freude bereitet. oder so ähnlich.
paul ingenday: warum du mich verlassen hast. münchen: schirmergraf 2006.