Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Jahr: 2018

zaun im schnee

Ins Netz gegangen (28.2.)

Ins Netz gegan­gen am 28.2.:

  • Düs­sel­dor­fer Ver­klä­rung | Begleit­schrei­ben → anläss­lich der „Düs­sel­dor­fer Erklä­rung“ der klein(eren) ver­la­ge und den wunsch nach för­de­rung und prei­se für die immense kul­tu­rel­le (sie behaup­ten sogar, es sei eine künst­le­risch) leis­tung die­ser ver­la­ge schlägt gre­gor keu­sch­nig vor, gleich nägel mit köp­fen zu machen:

    Aber es gibt noch Stei­ge­rungs­po­ten­ti­al. Wie wäre es mit einem Auf­ruf, den Leser, die Lese­rin mit einem adäqua­ten Preis staat­lich zu unter­stüt­zen? Die Kri­te­ri­en für die Preis­ver­ga­be sind leicht zu eru­ie­ren: Der preis­wür­di­ge Leser, die preis­wür­di­ge Lese­rin, muss min­des­tens 50 Bücher im Jahr lesen (3 davon Lyrik und min­des­tens 20% von soge­nann­ten unab­hän­gi­gen Ver­la­gen). Er/​Sie ver­steht sein Tun als künst­le­ri­sche Leis­tung. Ein Dienst an der Lite­ra­tur.

  • Wie ich bei­na­he ein Pla­gi­at ent­hüll­te | Zeit → eine net­te geschich­te über (klas­si­sche) musik und die ver­wir­rung, die fal­sche met­da­da­ten bei strea­ming­diens­ten aus­lö­sen kön­nen, hat gabri­el yoran hier auf­ge­schrie­ben
  • Bür­ger­meis­ter, fangt ein­fach an! | Zeit → ste­fan ramm­ler for­dert nicht ganz zu unrecht dazu auf, bei der ver­kehrs­po­li­tik und vor allem der ver­kehrs­wen­de nicht immer nur auf die bun­des­po­li­tik zu star­ren und zu war­ten, son­dern auch lokal und kom­mu­nal zu den­ken und vor allem zu han­deln

    Es ist ja nicht so, dass klu­ge, gut ver­wo­be­ne und lang­fris­tig aus­ge­rich­te­te Kon­zep­te für einen zukunfts­ge­rech­ten Umbau des Mobi­li­täts­sys­tems in Deutsch­land fehl­ten. Man wüss­te sehr wohl, wie es gin­ge – man will es aber nicht wol­len oder glaubt, es nicht wol­len zu kön­nen. Noch immer haben die Han­deln­den nicht ver­stan­den, dass das Behar­ren beim Alten oder wei­te­re Inno­va­tio­nen in der fos­si­len Mas­sen­mo­to­ri­sie­rung eben gera­de nicht die Zukunft der deut­schen Auto­in­dus­trie sichern.

  • Die Köni­gin des poe­ti­schen Eigen­sinns | Zeit → micha­el braun wür­digt die gro­ße lyri­ke­rin elke er zu ihrem 80. geburts­tag
  • Platt­form-Kapi­ta­lis­mus: „Wir müs­sen über Ver­staat­li­chung nach­den­ken“| Zeit → inter­es­san­tes inter­view mit Nick Srnicek über platt­for­men, die platt­form­öko­no­mie und die damit ver­bun­de­nen ver­än­de­run­gen

Satz

Der Inhalt allein kann nie einen Satz recht­fer­ti­gen. —Tho­mas Stangl

The King's Singers, Bandfoto

Goldene Klänge: King’s Singers feiern

the king's singers, gold (cover)Zum 50. Geburts­tag darf man sich als Ensem­ble schon mal etwas gön­nen. Zum Bei­spiel drei CDs, auf­wen­dig und geschmack­voll ver­packt und ganz schlicht „Gold“ beti­telt. Dann haben auch die ande­ren – das Publi­kum – etwas vom Jubi­lä­um. Und wenn alles gut läuft, ist das Pro­dukt dann nicht nur ein Zeug­nis der lan­gen Geschich­te, son­dern auch musi­ka­lisch über­zeu­gend. Bei den King’s Sin­gers hat offen­sicht­lich alles geklappt. Denn ihr „Gold“-Album, die mehr als drei Stun­den neu­en Auf­nah­men, die sie sich und uns zum Fünf­zigs­ten gön­nen, ist ein wun­der­ba­res Juwel – und zeigt auch sehr schön, auf wel­chem hohen Niveau die aktu­el­le Beset­zung der King’s Sin­gers heu­te singt. Denn obwohl „Gold“ weit­ge­hend ohne vir­tuo­se Schnit­te im Stu­dio auf­ge­nom­men wur­de, ist die voka­le und musi­ka­li­sche Per­fek­ti­on der sechs Eng­län­der erneut atem­be­rau­bend. Und, das ist auch nicht neu, aber den­noch immer wie­der ver­blüf­fend: Es ist ziem­lich egal, ob sie Renais­sance-Motet­ten oder raf­fi­nier­te Arran­ge­ments von Pop-Songs sin­gen. Alles, was sie sich vor­neh­men, machen sie sich unab­ding­bar zu eigen. Und so klin­gen dann fünf Jahr­hun­der­te Musik doch ziem­lich gleich – wie fünf Jahr­zehn­te King’s Sin­gers eben.

Denn die drei CDs von Gold umspan­nen nicht nur das wei­te Reper­toire der King’s Sin­gers, son­dern auch gro­ße Tei­le der Musik­ge­schich­te: 80 kur­ze und kür­ze­re Stü­cke habe sie aus­ge­wählt, eini­ges davon spe­zi­ell für die­sen Anlass arran­gie­ren oder kom­po­nie­ren las­sen. Die ers­te CD, „Clo­se Harm­o­ny“, ver­zau­bert schon mit den ers­ten Tak­ten von „We are“ von Bob Chil­cott, dem lan­gen Weg­ge­fähr­ten des Ensem­bles, der als ein­zi­ger auch Musik zum zwei­ten Teil von „Gold“, der geist­li­chen Musik, und dem drit­ten Teil, der welt­li­chen A‑Cap­pel­la-Musik bei­gesteu­ert hat.

Jeder wird natur­ge­mäß ande­re Lieb­lin­ge haben, aber Lieb­lin­ge soll­te hier jeder fin­den. Denn in den über drei Stun­den Musik dürf­te jeder Geschmack mehr als ein­mal getrof­fen wer­den. Zumal die King’s Sin­gers John Legend genau­so lie­be­voll und über­zeu­gend sin­gen wie Orlan­do Las­sus. Hein­rich Schütz kommt eben­so zu Ehren wie Rhein­ber­gers „Abend­lied“, das hier tat­säch­lich auch ohne Chor sehr emo­tio­nal wirkt, auch wenn die deut­sche Aus­spra­che nicht unbe­dingt die Spe­zia­li­tät der Bri­ten ist. John Rut­ter hat für sie ein paar Shake­speare-Zei­len mit sehr inten­si­ver Musik ver­se­hen, Bob Chil­cotts „Thou, my love, art fair“ steht völ­lig rich­tig zwi­schen Wiliam Byrd und Pal­estri­na. So lie­ße sich die Rei­he der Höhe­punk­te noch lan­ge fort­set­zen. Denn die King’s Sin­gers sin­gen all das so wun­der­bar geschmei­dig und per­fekt abge­stimmt, jeweils so cha­rak­te­ris­tisch zart oder druck­voll, äthe­risch schwe­bend oder soli­de grun­diert, dass man bei allen drei CDs von deren Ende immer wie­der über­rascht wird.

The King’s Sin­gers: Gold. 3 CDs. Signum Records 2017. 67:37 + 61:15 + 65:37 Minu­ten Spiel­zeit.

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“, #45, Janu­ar 2018)

gefrorenes spinnennetz

Ins Netz gegangen (31.1.)

Ins Netz gegan­gen am 31.1.:

  • Inter­view: „Die Rele­vanz von Geschlecht nimmt ab“ | Cam­pus Mainz → die ger­ma­nis­ti­sche sprach­wis­sen­schaft­le­rin dama­ris nüb­ling über spra­che und geschlecht, gen­der und gerech­tig­keit

    Lang­fris­tig wäre es gut, die Kate­go­rie Geschlecht auf­zu­lö­sen, statt sie zu dra­ma­ti­sie­ren. Das funk­tio­niert neben dem Streu­en auch mit neu­tra­li­sie­ren­den Pro­no­men im Plu­ral wie „alle“, „vie­le“ oder „man­che“. Außer­dem kann man auch anstel­le von Per­so­nen­be­zeich­nun­gen abs­trak­te­re Begrif­fe ver­wen­den, zum Bei­spiel: „Das Insti­tut hat ent­schie­den“ anstel­le von „Der Insti­tuts­lei­ter hat ent­schie­den“ und so wei­ter.
    Aller­dings kommt das immer auf den Kon­text an. Fes­te Rezep­te gibt es nicht, Krea­ti­vi­tät ist gefragt. Dazu gehö­ren auch die zuneh­men­den Prä­sens­par­ti­zi­pi­en im Plu­ral wie „Stu­die­ren­de“. Sin­gu­la­re wie „der Stu­die­ren­de“ tau­gen dage­gen nicht, da Sin­gu­la­re immer mit Genus auf­ge­la­den sind. Mei­ne Erfah­rung ist, dass es weni­ger eine Fra­ge der Mög­lich­kei­ten als des Wil­lens ist.

  • Kul­tur­gut Buch – brö­ckelt der Mythos? | Deutsch­land­funk Kul­tur → ein nach­denk­li­ches inter­view mit jörg sun­dermei­er vom famo­sen ver­bre­cher-ver­lag zur lage des buch­mark­tes und der lite­ra­tur im ganz all­ge­mei­nen

    Ich glau­be, momen­tan ist eher das Pro­blem nicht so sehr, dass die Leu­te nicht lesen wol­len oder nicht lesen kön­nen, son­dern dass es ein biss­chen demi mode ist, und ich habe aber den Ein­druck, dass es sich ändert und dass das Lesen wie­der zurück­kommt,

  • „Gewon­nen hat die deut­sche Nati­on“ | Zeit → noch ein älte­res inter­view, das schon lan­ge in mei­ner lese­lis­te schlum­mert: georg schmidt spricht über den drei­ßig­jäh­ri­gen krieg (die leser­kom­men­ta­re igno­riert man aber bes­ser …)
  • The Ulti­ma­te Pro­duc­ti­vi­ty Blog → groß­ar­tig, sehr tref­fend auf den punkt gebracht
  • Abwe­sen­heit als Kri­se | Sozi­al­theo­ris­ten → span­nen­de über­le­gun­gen von ste­fan kühl zum pro­blem der anwe­sen­heits­kon­trol­len an uni­ver­si­tä­ten

    Selbst in Über­wa­chungs­prak­ti­ken begab­te Leh­ren­de wer­den fest­stel­len, dass sie trotz ein­zel­ner Sie­ge über beson­ders auf­fäl­li­ge Drü­cke­ber­ger am Ende die­se Kon­troll­kämp­fe ver­lie­ren wer­den. Die Krea­ti­vi­tät von Stu­die­ren­den beim Erfin­den von Wegen, die­se Kon­trol­len zu unter­lau­fen, wird immer grö­ßer sein als die Krea­ti­vi­tät von Leh­ren­den im Erfin­den neu­er Wege der Kon­trol­le. Anwe­sen­heits­lis­ten sind des­we­gen ein stump­fes Schwert, um das Leis­tungs­ni­veau von Stu­die­ren­den anzu­he­ben. […] Das Pro­blem der Abwe­sen­heit von Stu­die­ren­den ist also nicht vor­ran­gig ein Pro­blem der Qua­li­tät der Leh­ren­den, son­dern liegt viel­mehr in der Gestal­tung der Stu­di­en­gän­ge selbst […] Statt auf das Pro­blem der Abwe­sen­heit mit dem eher bra­chia­len Mit­tel der Anwe­sen­heits­lis­te zu reagie­ren, gäbe es eine Alter­na­ti­ve. Man könn­te chro­ni­sche Abwe­sen­hei­ten – oder Anwe­sen­hei­ten, die nur über Anwe­sen­heits­lis­ten durch­ge­setzt wer­den kön­nen – als ein Zei­chen dafür sehen, dass irgend­et­was in dem Stu­di­en­gang nicht stimmt.

  • Trump ist der Geburts­hel­fer von „Me Too“ | SZ → eine gute – und wie mir scheint, sehr tref­fen­de – ein­ord­nung von hed­wig rich­ter der #MeToo-bewe­gung in den wan­del von män­ner-/männ­lich­keits­bil­dern und die geschich­te der gleich­be­rech­ti­gung

    Die Empö­rung über die Gewal­ti­gen, die sich der Lei­ber der ande­ren bedie­nen, ist mehr als ein Hash­tag und etwas ande­res als eine Hetz­jagd. Sie ist das Ende der letz­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit: Das Zwei­fel- und Beden­ken­lo­se einer männ­li­chen Herr­schaft, das in die Kör­per ein­ge­schrie­ben war, scheint end­gül­tig außer Kraft gesetzt zu sein.

  • The Hori­zon of Desi­re | Longreads → ein her­vor­ra­gen­der essay von lau­rie pen­ny über kon­sens, rape cul­tu­re, männ­lich- und weib­lich­keit und die damit ein­her­ge­hen­den (ste­reo­ty­pen) erwar­tun­gen an das ver­hal­ten beim sex

    Rape cul­tu­re is not about demo­ni­zing men. It is about con­trol­ling fema­le sexua­li­ty. It is anti-sex and anti-plea­su­re. It tea­ches us to deny our own desi­re as an adap­ti­ve stra­tegy for sur­vi­ving a sexist world. […] But unless we talk about desi­re, about agen­cy, about con­sent, then we’ll only ever be fight­ing this cul­tu­re war in retre­at. It’s a real war, one that impacts our bodi­ly auto­no­my and our eco­no­mic and poli­ti­cal power. The batt­le for fema­le desi­re and agen­cy goes way bey­ond the bed­room, and it’s a batt­le that right now ever­yo­ne is losing.

Goethe erkennen

Wer möch­te denn Goe­the sein? So gna­den­reich es ist, ihn gewe­sen zu wis­sen, so pei­ni­gend wäre es, er noch ein­mal sein zu müs­sen. Erken­nen heißt doch gera­de, besit­zen zu dür­fen, ohne es sein zu müs­sen. Hans Blu­men­berg: Lebens­the­men. Aus dem Nach­laß, 151

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