Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Jahr: 2018 Seite 2 von 4

fischernetz (detail)

Ins Netz gegangen (5.7.)

Ins Netz gegan­gen am 5.7.:

  • Does Phi­lo­so­phi­cal Lan­guage Have to Be Dif­fi­cult? | Blog of the APA → grant max­well erklärt ziem­lich kurz und schlüs­sig, war­um phi­lo­so­phie manch­mal schwie­ri­ge spra­che benut­zen muss:

    wri­ters like G.W.F. Hegel or Alfred North Whit­ehead or Jac­ques Der­ri­da weren’t sim­ply wri­ting works (which still stand as para­gons of ver­bal com­ple­xi­ty) to con­fu­se or begui­le their rea­ders. They were crea­ting new forms of lan­guage to widen the scope of what could be expres­sed. […] The pro­cess of gene­ra­ting mea­ning is a con­stant nego­tia­ti­on bet­ween our cur­rent world views, embo­di­ed in vast net­works of words and other sym­bols, and the cons­trai­ning facts of exis­tence, both the mate­ri­al rela­ti­ons of the world and our own intrin­sic cha­rac­ters. And the more we inqui­re into the­se appar­ent­ly objec­ti­ve facts, the more we find that they are more like habits or ten­den­ci­es sus­cep­ti­ble to a start­lingly broad ran­ge of pos­si­ble con­s­truc­tions. The semio­tic net­works con­sti­tu­ting our world views evol­ve, as ide­as don’t exist in a vacu­um, but are deve­lo­ped through a con­ver­sa­ti­on that has been occur­ring for thou­sands of years, with each rep­ly requi­ring a gene­ra­ti­on, or some­ti­mes even cen­tu­ries for its ful­lest expres­si­on. To abs­tract ide­as from their his­to­ri­cal con­text, and from the lan­guage deve­lo­ped to descri­be them in ever-grea­ter nuan­ce, would be to flat­ten the com­ple­xi­ty of the­se con­cepts, which com­pri­se the under­ly­ing modes of thought that have impli­cit­ly infor­med the more expli­cit his­to­ri­cal occur­ren­ces.

  • «Ita­li­en betreibt eine Fusi­on von Popu­lis­mus und Tech­no­kra­tie» | NZZ → ein span­nen­des inter­view mit jan-wer­ner mül­ler über die her­aus­for­de­rung der anti­pluar­lis­ten (popu­lis­ten und tech­no­kra­ten) für die moder­nen demo­kra­tien

    Bei­de schein­bar gegen­sätz­li­che Frak­tio­nen sind letzt­lich Anti­plu­ra­lis­ten. Die Tech­no­kra­ten erklä­ren, es gebe nur die eine ratio­na­le Lösung. Es brau­che kei­ne Debat­te, auch kei­ne par­la­men­ta­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung, weil es für ver­nünf­ti­ge Men­schen nichts zu dis­ku­tie­ren gebe. Die Popu­lis­ten behaup­ten wie­der­um, es gebe nur den einen authen­ti­schen Volks­wil­len. Und sie sei­en die Ein­zi­gen, die ihn ver­stün­den und ver­trä­ten.

  • Fin­ne­gans wachen don­ners­tags auf| a tem­po → ein sehr sym­pa­thi­sches gespräch mit fritz senn, einem der bes­ten joy­ce-ken­ner, über sei­ne joy­ce-lek­tü­ren und ‑for­schun­gen – und die zufäl­lig­kei­ten des lebens
  • Schu­le der Gewalt | Zeit → ute fre­vert hat einen schö­nen über­blick über die geschich­te der wehr­pflicht (in deutsch­land) geschrie­ben
  • Sind wir noch gute Euro­pä­er? | Zeit → jür­gen haber­mas muss noch/​mal wie­der ran und den lust- und ideen­lo­sen zustand euro­pas und ins­be­son­de­re der eu – und ihrer (natio­na­len) poli­ti­schen eli­ten – scharf­sin­nig ana­ly­sie­ren. zum bei­spiel:

    Der Rechts­po­pu­lis­mus ver­dankt sich in ers­ter Linie der ver­brei­te­ten Wahr­neh­mung der Betrof­fe­nen, dass der EU der poli­ti­sche Wil­le fehlt, hand­lungs­fä­hig zu wer­den. Der heu­te im Zer­fall begrif­fe­ne Kern Euro­pas wäre in Gestalt einer hand­lungs­fä­hi­gen Euro-Uni­on die ein­zi­ge denk­ba­re Kraft gegen eine wei­te­re Zer­stö­rung unse­res viel beschwo­re­nen Sozi­al­mo­dells. In ihrer gegen­wär­ti­gen Ver­fas­sung kann die Uni­on die­se gefähr­li­che Desta­bi­li­sie­rung nur noch beschleu­ni­gen. Die Ursa­che des trum­pis­ti­schen Zer­falls Euro­pas ist das zuneh­men­de und weiß Gott rea­lis­ti­sche Bewusst­sein der euro­päi­schen Bevöl­ke­run­gen, dass der glaub­haf­te poli­ti­sche Wil­le fehlt, aus die­sem Teu­fels­kreis aus­zu­bre­chen. Statt­des­sen ver­sin­ken die poli­ti­schen Eli­ten im Sog eines klein­mü­ti­gen, demo­sko­pisch gesteu­er­ten Oppor­tu­nis­mus kurz­fris­ti­ger Macht­er­hal­tung

Strahlende Lichter: Das erste Album von Voxid

voxid, shades of light (cover)Das ist kei­ne Musik für spar­sa­me Haus­hal­ter. Denn Voxid hält sich nicht zurück. Im Gegen­teil: Das Quin­tett singt, als gäbe es ein­fach kein Mor­gen mehr. Auf Shades of light gibt es näm­lich alles im Über­fluss: Klang, Sound und Ideen. Nichts wird zurück­ge­hal­ten, immer geht es in die vol­len. Voxid muss sich ja auch nicht ein­schrän­ken, sie haben ein­fach ein schier uner­schöpf­li­ches Reper­toire an Mög­lich­kei­ten. Und das nut­zen sie für die zwölf Songs auch voll­kom­men unge­niert aus. Es beginnt schon bezeich­nend mit Imo­gen Heaps „Head­lock“: Der Sound ist fett und luf­tig zugleich, die Musik klingt leicht und ernst, soli­de und spa­ßig glei­cher­ma­ßen. Auch wenn das Quin­tett behaup­tet, „Music ain‘t my thing“, merkt man in jedem Moment: Hier nimmt jemand Pop sehr ernst – mit gran­dio­sem Ergeb­nis. Vor allem, weil sich Voxid als unge­heu­er eng gefüg­tes Ensem­ble hören lässt: Da ist jede Stim­me in jedem Moment an ihrem Platz.

MUSIC AIN’T MY THING by VOXID [offi­ci­al video clip]

Beim Kli­cken auf das und beim Abspie­len des von You­Tube ein­ge­bet­te­ten Vide­os wer­den (u. U. per­so­nen­be­zo­ge­ne) Daten wie die IP-Adres­se an You­Tube über­tra­gen.

Eine ande­re Mar­ke, die gleich gesetzt wird, ist das Niveau der Arran­ge­ments: Voxid (frü­her schon eini­ge Jah­re unter dem Namen „tonal­rausch“ unter­wegs) gibt sich nicht mit Dut­zend­wa­re zufrie­den. Des­halb kom­po­nie­ren und arran­gie­ren sie auch (fast) alles selbst. Und das hört man, die genaue Pas­sung auf die Stim­men und das Ensem­ble funk­tio­niert wun­der­bar. Denn die Arran­ge­ments – und wirk­lich alle – sind ganz ein­fach groß­ar­tig viel­fäl­tig, sprü­hen vor Ideen und stel­len sich doch atmo­sphä­risch ganz genau in den Dienst der Songs. Bei „Save your soul“ von Jamie Cul­lum zum Bei­spiel ver­bin­den sich Flä­chen und Lini­en mit dicht ver­wo­be­nen Tex­tu­ren und klang­li­chen Reli­efs. Und Voxid singt das auch immer so, dass man nur zustim­mend nicken kann: Jeder Klang, jede Linie, jeder Akkord strotzt vor Ener­gie, alles ertönt unge­heu­er kraft­voll (man muss nur kurz in „Musi­cal Tre­asu­re“ hin­ein­hö­ren!), aber mit ganz ent­spann­tem Druck. Denn das Quin­tett erreicht sein musi­ka­li­sches und emo­tio­na­les Durch­set­zungs­ver­mö­gen ganz ohne hör­ba­re Anstren­gung.

Das Bes­te – wenn man das aus einem Album von so gleich­blei­bend hoher Qua­li­tät über­haupt her­aus­he­ben kann – steht am Ende: Zunächst „Edge“, das noch ein­mal mit vol­ler Power auf die Ziel­ge­ra­de ein­biegt und in dem vor­treff­lich gestaf­fel­ten Arran­ge­ment zwi­schen leich­ter Beat­box und inten­si­ver Melo­die all die fei­nen Qua­li­tä­ten ihrer Ensem­ble­kunst prä­sen­tiert. Aber dann folgt noch, als Bonus­track, eine bezau­bern­de Ver­si­on von „I fade away“, das sowie­so die schöns­te Melo­die der CD auf­weist und hier im Remix mit Syn­the­si­zer-Ein­satz noch klang­lich auf­ge­peppt wird. Gera­de das hät­te Voxid aber über­haupt nicht nötig, nach­dem es in den 50 Minu­ten davor so eine bril­lan­te Leis­tungs­schau des Vocal Pop prä­sen­tier­te.

Voxid: Shades of light. RUM Records 2018. 51:13 Spiel­zeit.

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“, #50, Juni 2018)

MUSICAL TREASURE by VOXID [offi­ci­al Video Clip]

Beim Kli­cken auf das und beim Abspie­len des von You­Tube ein­ge­bet­te­ten Vide­os wer­den (u. U. per­so­nen­be­zo­ge­ne) Daten wie die IP-Adres­se an You­Tube über­tra­gen.
spinnennetz in blühpflanzen

Ins Netz gegangen (17.6.)

Ins Netz gegan­gen am 17.6.:

  • Rei­se­zeit­un­ter­schie­de unter­schied­li­cher Ver­kehrs­ar­ten von Tür zu Tür im Stadt­ver­kehr – Rea­li­tät und sub­jek­ti­ve Wahr­neh­mungs­ver­zer­rung | Zukunft Mobi­li­tät → mar­tin ran­del­hoff hat eine schö­ne über­sicht über (durch­schnitt­li­che) rei­se­zei­ten im stadt­ver­kehr zusam­men­ge­stellt

    Eine Ursa­che für die­se Ver­tei­lung mit einer star­ken Pkw-Nut­zung auch bei gerin­gen Ent­fer­nun­gen liegt in einer häu­fig anzu­tref­fen­den sub­jek­ti­ven Fehl­wahr­neh­mung bei der Bewer­tung der Schnel­lig­keit bzw. der Rei­se­zeit.

  • „Der eigent­liche Skan­dal liegt ganz woan­ders“ | LTO → er anwalt son­nen­berg fin­det deut­li­che wor­te:

    LTO: Was hat die Aus­sa­ge von CSU-Lan­des­grup­pen­chef Alex­an­der Dob­rindt zur „aggres­si­ven Anti-Abschie­be-Indus­trie“ sei­tens der Anwäl­te bei Ihnen aus­ge­löst?

    Son­nen­berg: Das ist eine sau­dum­me sowie kack­fre­che Aus­sa­ge von einem, der kei­ne Ahnung hat. Das ist ein Dumm­schwät­zer der Mann, das kön­nen Sie ger­ne so zitie­ren.

  • The Life­span of a Lie | Medi­um → das stan­ford pri­son expe­ri­ment ist wohl kaum noch als ernst­haf­tes expe­ri­ment zu hal­ten

    The appeal of the Stan­ford pri­son expe­ri­ment seems to go deeper than its sci­en­ti­fic vali­di­ty, per­haps becau­se it tells us a sto­ry about our­sel­ves that we despera­te­ly want to belie­ve: that we, as indi­vi­du­als, can­not real­ly be held accoun­ta­ble for the some­ti­mes repre­hen­si­ble things we do. As troubling as it might seem to accept Zimbardo’s fal­len visi­on of human natu­re, it is also pro­found­ly libe­ra­ting. It means we’re off the hook. Our actions are deter­mi­ned by cir­cum­s­tance. Our fal­li­bi­li­ty is situa­tio­nal. Just as the Gos­pel pro­mi­sed to absol­ve us of our sins if we would only belie­ve, the SPE offe­red a form of redemp­ti­on tail­or-made for a sci­en­ti­fic era, and we embra­ced it.

  • Two Hundred Fif­ty Things An Archi­tect Should Know | Rea­ding Design → wun­der­ba­re lis­te von din­gen, die archi­tek­ten – und eigent­lich nicht nur die – wis­sen soll­ten, hat micha­el sor­kin hier zusam­men­ge­stellt
  • Hat das E‑Book eine Zukunft? | Medi­um → andré spie­gel über das ebook und die zukunft

    Ich habe mir irgend­wann gesagt: Okay, es wird also in Zukunft alles in bei­den For­ma­ten geben, auf Papier und digi­tal. Aber mit der Zeit muss­te ich ein­se­hen, dass die alten Bestän­de, alles was bis zum Ende des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts erschie­nen ist, nur sehr begrenzt in die digi­ta­le Welt rüber­ge­lan­gen wer­den. Das gan­ze Suhr­kamp-Uni­ver­sum allein: alles weg, und das wird sich auch nicht mehr ändern. Dann habe ich mir gesagt: Okay, also wird wenigs­tens alles, was ab dem ein­und­zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert erscheint, in bei­den Wel­ten vor­han­den sein. Aber jetzt ler­ne ich, dass auch das nicht stimmt.

  • Debat­te oder Pro­test: Wie wei­ter gegen rechts? | Blät­ter für deut­sche und inter­na­tio­na­le Poli­tik → war­um die idee, man müs­se nur mit den rech­ten „reden“, unsinn ist und am pro­blem vor­bei geht:

    Sich selbst in die­se Tra­di­ti­on stel­lend, beschwört Kubit­schek seit Jah­ren eben nicht die Debat­te, son­dern die fina­le Kri­se, um end­lich zur erlö­sen­den Tat schrei­ten zu kön­nen

geknüpftes netz (knoten)

Ins Netz gegangen (13.6.)

Ins Netz gegan­gen am 13.6.:

  • „Die Ret­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on hat sich nach Esche­de wei­ter­ent­wi­ckelt“ – Inter­view mit dem Unfall­me­di­zi­ner Ewald Hüls | Sozi­al­theo­ris­ten → span­nen­des inter­view mit ewald hüls, der beim ice-unglück in esche­de lei­ten­der notartzt war, über mög­lich­kei­ten, kon­zep­te, stra­te­gien und lern­pro­zes­se der ret­tungs­me­di­zin

    Der Ret­tungs­dienst hat genau das erst­mal ler­nen müs­sen – im Gegen­satz zu allen ande­ren betei­lig­ten Orga­ni­sa­tio­nen wie Bun­des­wehr, Poli­zei, Grenz­schutz, Berufs­feu­er­weh­ren – in sol­chen Lagen wirk­lich umzu­schal­ten und bei einem Mas­sen­an­fall von Ver­letz­ten anders zu agie­ren, als wir das aus dem täg­li­chen Ret­tungs­dienst, näm­lich der Indi­vi­du­al­ver­sor­gung, ken­nen. Das war eine der stärks­ten Anstren­gun­gen in den letz­ten Jah­ren, sol­che Kon­zep­te dann auch tat­säch­lich zu ver­in­ner­li­chen. Wenn ich eine Groß­scha­dens­la­ge habe, kann ich nicht ein­fach irgend­wo rein stür­men, son­dern muss auf Befehl ganz bestimm­te Arbei­ten ver­rich­ten, die abge­stimmt sind.

  • Der Thea­ter­be­trieb ist ein Män­ner­la­den | FR → die regis­seu­rin karin hen­kel im inter­view mit dirk pilz über thea­ter, männ­li­che (macht)strukturen, ungleich­heit und ver­än­de­run­gen

    Es gibt ja viel weni­ger gro­ße Rol­len für Frau­en, aber ich möch­te mit den tol­len Schau­spie­le­rin­nen arbei­ten, die ich ken­ne. Das habe ich mir durch­aus zur Auf­ga­be gemacht: Wie kön­nen die­se mehr vor­kom­men? Und das ist dann natür­lich ein femi­nis­ti­scher Blick. Immer alles aus einer Män­ner­per­spek­ti­ve zu erzäh­len – das lang­weilt mich.

  • Die Kli­ma­wand­ler | taz → bern­hard pöt­ter sieht in kei­nen grund für posi­ti­ve nach­rich­ten:

    Denn in der Umwelt‑, Ener­gie- und Nach­hal­tig­keits­po­li­tik legt das Kabi­nett Mer­kel IV gera­de einen Fehl­start hin. Schon im Wahl­kampf 2017 kamen die­se The­men prak­tisch nicht vor. Im Koali­ti­ons­ver­trag von CDU/​CSU und SPD wur­den sie an den Rand gedrängt. Und in der Rea­li­tät der ers­ten drei Mona­te wur­de es noch schlim­mer: Zie­le wur­den gekappt, Fris­ten ver­säumt, Zusa­gen kas­siert, Drin­gen­des wur­de auf die lan­ge Bank gescho­ben. […] Aber auf ein Signal für mehr Nach­hal­tig­keit aus dem Kanz­ler­amt, wo eigent­lich die Nach­hal­tig­keits­po­li­tik koor­di­niert wird, war­tet sie bis­her ver­geb­lich.

  • Zu Büchern fin­det man nicht allein | FAZ → ein schö­nes und (lei­der) not­wen­di­ges plä­doy­er von til­man spre­ckel­sen für die erhal­tung von stadt­bi­blio­the­ken und ihre rol­le im lese­le­ben, aber eben auch für die gesell­schaft ins­ge­samt:

    Denn wenn es einen Ort gibt, an dem sich unse­re Gesell­schaft mit all ihren Wer­ten und ihren Wider­sprü­chen spie­gelt samt der Frei­heit, sich aus dem Ange­bot ganz allein und unbe­ob­ach­tet das Pas­sen­de her­aus­zu­su­chen, ohne befürch­ten zu müs­sen, wie im Inter­net dabei auf Schritt und Tritt regis­triert zu wer­den, dann ist er hier.

  • „Die Blu­men sind weg, die Schmet­ter­lin­ge auch“ | taz → inter­view mit Clau­di­us Prö­ßer über insek­ten­ster­ben, land­wirt­schaft und zwän­ge der gegen­wart – sehr lesens­wert.
netzstruktur auf blauem hintergrund (vernetzungsgraph)

Ins Netz gegangen (16.5.)

Ins Netz gegan­gen am 16.5.:

  • Der neue Ber­li­ner Fei­er­tag muss der Euro­pa­tag am 9. Mai wer­den! | Der (euro­päi­sche) Föde­ra­list → manu­el mül­ler schlägt vor, einen fei­er­tag für eruopa/​die euro­päi­sche einigung/​befriedung ein­zu­füh­ren

    In Erin­ne­rung an die Schu­man-Erklä­rung begeht die Euro­päi­sche Uni­on den 9. Mai bereits seit vie­len Jah­ren als Euro­pa­tag. Euro­pa­weit fin­den heu­te Fes­te und Ver­an­stal­tun­gen statt, um die euro­päi­sche Idee, die Errun­gen­schaf­ten der euro­päi­schen Inte­gra­ti­on und das bür­ger­schaft­li­che Enga­ge­ment für län­der­über­grei­fen­den Aus­tausch und Ver­stän­di­gung zu fei­ern.

    Nur eines ist der Euro­pa­tag noch nicht: ein gesetz­li­cher Fei­er­tag. Das Land Ber­lin hat jetzt die Chan­ce, das zu ändern.

  • Im Kor­sett des Tur­bo­ka­pi­ta­lis­mus | SZ → im gegen­satz zu ger­hard mät­zigs etwas her­umei­ern­den sowohl-als-auch-arti­kel for­dert lau­ra weiss­mül­ler einen guten punkt, bevor man über die angeb­lich bes­se­re leis­tung der nach­ge­bau­ten pseu­do-alt­stadt in frank­furt dis­ku­tiert:

    Und genau des­we­gen macht es kei­nen Sinn, das neue Frank­fur­ter Alt­stadt­quar­tier in Stel­lung gegen eine Archi­tek­tur zu brin­gen, die ver­sucht, auf die Pro­ble­me unse­rer Zeit zu reagie­ren. Wer die Qua­li­tä­ten bei­der Rich­tun­gen – hier die Bau­ten der Alt­stadt­freun­de, dort die der Avant­gar­dis­ten – ernst­haft ver­glei­chen möch­te, müss­te erst mit der­sel­ben Sorg­falt, Detail­freu­de und Unter­stüt­zung der Bau­be­hör­de ein ähn­lich dich­tes Stück Stadt, und zwar in glei­cher zen­tra­ler Lage, in zeit­ge­nös­si­schem Gewand bau­en las­sen. Ansons­ten ist es unlau­ter, eine Archi­tek­tur für ihre Unbe­haust­heit ver­ant­wort­lich zu machen, wenn man sie aus Kos­ten­grün­den genau in die­ses Kor­sett zwingt.

  • Ein Rei­sen­der auf dem Oze­an der Tex­te: Gérard Genet­te ist tot | NZZ → milo rau schreibt einen gut infor­mier­ten nach­ruf auf den gro­ßen lite­ra­tur­theo­re­ti­ker gérard genet­te, der letz­te woche ver­starb:

    Der­art zahl­reich sind die Bezü­ge aus­ser­halb und inner­halb sei­ner Dis­zi­plin, der­art viel­fäl­tig ist Genet­tes Ein­fluss auf die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten ins­ge­samt, dass es letzt­lich wohl die­se tota­li­sie­ren­de Unab­hän­gig­keit von Schu­len und Denk­rich­tun­gen ist, die sein Werk aus­zeich­net.

bücher (von oben & hinten)

Aus-Lese #51

Almut Tina Schmidt: Zeit­ver­schie­bung. Graz, Wien: Dro­schl 2016. 189 Sei­ten. ISBN 978−3−85420−978−2.

schmidt, zeitverschiebung (cover)Eigent­lich ist Schmidts Zeit­ver­schie­bung eine Geschich­te des erwei­ter­ten Erwach­sen­wer­dens: Das Ende des Stu­di­ums, die ers­ten Jobs, sich ver­fes­ti­gen­de Bezie­hun­gen, die Lie­be und dann das Kind, ein neu­er Job, Zusam­men­zie­hen mit dem Part­ner und ein Hap­py End – das ist das Gerüst des Romans. Aber das ist auch der weni­ger inter­es­san­te Teil des Romans. Schnell wird aber klar – der Titel ist in die­ser Hin­sicht ja über­deut­lich … -, dass etwas ande­res das eigent­li­che The­ma ist: Die Zeit, genau­er viel­leicht: ihre Wahr­neh­mung, oder die wahr­ge­nom­me­ne Posi­tio­nie­rung der Ich-Erzäh­le­rin in ihrem strö­men­den Flie­ßen.

Zeit ist ohne­hin eine Illu­si­on. (140)

Das Erle­ben und vor allem das Erzäh­len der Zeit ver­bin­det sich mit ähn­lich abs­trak­ten Kon­zep­ten wie For­tu­na oder Zufall.
Denn die Ver­spä­tung – um die Zeit­ver­schie­bung etwas bana­ler zu ver­pas­sen – ist das zen­tra­le Moment des Tex­te. Die chro­no­lo­gi­sche Ver­spä­tung ist das eine, aber Ver­spä­tung ist eben auch ein Lebens­ge­fühl (oder genau­er: das Lebens­ge­fühl einer Pha­se des Lebens): Das über­mäch­ti­ge Gefühl des Ver­pas­sens, des „zwi­schen“, „noch nicht“, und des immer schon zu spät sein, des Ein­drucks, immer schon den Anfang ver­passt zu haben … Aber selbst das hap­py end schlägt sich doch auch noch auf das Zeit(empfinden) – hier des eige­nen, klei­nen Kin­des – nie­der: „Und nimmt sich alle Zeit der Welt.“ (189) ist der Schluss­satz, der schön zum Anfangs­satz passt: „Ich war ohne­hin zu spät, konn­te mir also Zeit las­sen.“ (5)

Das The­ma der Zeit­ver­schie­bung ist damit auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne sozu­sa­gen erle­digt. Aber es wird eben deut­lich (wie so oft in die­sem Roman: über­deut­lich), dass es in der nächs­ten Gene­ra­ti­on (wieder/​noch) ein The­ma sein kann. Aller­dings, da schließt sich der Kreis nicht ganz: Noch ist das ein Kind, das „alle Zeit der Welt“ hat. Viel­leicht gelingt ihm/​ihr (?) ja das Erwach­sen­wer­den der Zeit(empfindung) gemäß den gesell­schaft­li­chen Konventionen/​Erwartungen par­al­lel zum rest­li­chen Erwach­sen­wer­den? (Wobei Zeit­ver­schie­bung ja eigent­lich eher die Fra­ge auf­wirft, ob man ohne die­ses spe­zi­el­le, d.h. „nor­ma­le“ Emp­fin­den der Zeit, das Beha­gen dar­in, über­haupt erwach­sen gewor­den ist – der Text ver­neint das eher und situ­iert sei­ne Prot­ago­nis­tin ja mehr als deut­lich in einem Zwi­schen, einem Über­gangs­sta­di­um (klas­sisch: Puber­tät), unab­hän­gig von ihrem Alter.

Gera­de der Anfang ist durch­aus char­mant erzählt, das muss man Schmidt attes­tie­ren, mit läs­si­ger und hei­te­rer Iro­nie-Distanz. Über­haupt ist die Spra­che oft lako­nisch, knapp und direkt mit Ten­denz zum Humor. Es gibt wenig Aus­schmü­ckung, das hohe Tem­po des Gesche­hens nimmt der Text gut auf: Die Zeit ist ein­fach nie genug, vor allem – so behaup­tet die Erzäh­le­rin immer wie­der – lebt sie im Bewusst­sein, sie zu ver­schwen­den und hat per­ma­nent das Gefühl, die Zeit nicht genü­gend aus­zu­kos­ten, nicht aus­rei­chend zu nut­zen, immer nicht das Digent­li­che (des Lebens) zu tun, son­dern nur einen Not­be­helf, eine Zwi­schen­lö­sung. Lei­der wird die Erzäh­lung und die Spra­che zuneh­mend kon­ven­tio­nel­ler – sozu­sa­gen par­al­lel zum Leben, dem Lebens­ent­wurf der Erzäh­le­rin. Und damit ver­liert der Text lei­der mei­nes Erach­tens etwas: Sicher, das ist in Über­ein­stim­mung mit der geschil­der­ten Ent­wick­lung. Aber es mach­te den Text für mich gegen Ende auch deut­lich lang­wei­li­ger.

Ich ver­schwen­de­te mehr und mehr Zeit damit zu fürch­ten, mei­ne Zeit ernst­haft zu ver­schwen­den. (105)

Gwen­aël­le Aubry: Nie­mand. Graz, Wien: Dro­schl 2013. 150 Sei­ten. ISBN 978−3−85420−843−3.

aubry, niemand (cover)Nie­mand ist das Alpha­bet einer selt­sa­men, schwie­ri­gen Vater-Toch­ter-Bezie­hung, die durch Abwe­sen­hei­ten wesent­lich mit­be­stimmt ist und von der Toch­ter nach dem Tod ihres Vaters erforscht und auf­ge­schrie­ben wird. Der wird uns als Melan­cho­li­ker gezeigt, der auch dar­an stirbt (naja, eigent­lich dann doch am Herz­in­farkt), des­sen Leben bestimmt ist vom Wahn­sinn der Melan­cho­lie (?) und der sich immer wie­der tem­po­rär in sta­tio­nä­rer Behand­lung befin­det, zugleich aber (!) hoch ange­se­he­ner Jura-Pro­fes­sor. Nie­mand nutzt für die­sen nach­träg­li­chen Abschied den emo­tio­na­len, psy­chi­schen und lite­ra­ri­schen Nach­lass des Vater, aus des­sen Schrif­ten (teil­wei­se auch fik­tio­nal gedacht) wird immer wie­der zitiert. Denn zugleich ist der Roman auch ein Ver­such des Erin­nerns, mehr noch: der Ver­ge­gen­wär­ti­gung des Vaters durch die Aus­ein­an­der­set­zung, Auf­ar­bei­tung (Durch­ar­bei­tung) des Ver­hält­nis­ses der Ich-Erzäh­le­rin mit ihm und ein Ver­such, ihn – als Men­schen, als Per­son – zu ver­ste­hen. Schwie­rig ist das inso­fern, als er schon wäh­rend dem Leben ver­schwin­det, (oder das zumin­dest als – in sei­nen Nie­der­schrif­ten offen­bar­tes – Ziel hat­te): eben ein Nie­mand wer­den, ein Mann ohne Eigen­schaf­ten.

Die Erzäh­le­rin ver­liert sich wun­der­bar in ihren eige­nen Sät­zen, häuft immer mehr Details und Erin­ne­run­gen an, türmt das auf, fügt immer neue Ergän­zun­gen, Prä­zi­sie­run­gen, Erwei­te­run­gen an. Die Sät­ze fan­gen oft ganz harm­los an und ufern dann maß­los aus. Aber das ist ja aber gera­de der schö­ne und sym­pa­thi­sche Witz des Tex­tes: die unge­tü­me, wil­de, chao­tisch-frag­men­ta­ri­sche Erin­ne­rung wird nur durch das Alpha­bet der Kapi­tel gezähmt – zumin­dest schein­bar. Und letzt­lich bleibt der Ver­such der Ord­nung, ein kohä­ren­tes Gan­zes dadurch zu schaf­fen (von Anfang bis Schluss in einer fest­ge­füg­ten Abfol­ge) auch ver­geb­lich, eben nur ein Ver­such, der im Text ein­mal als „Ord­nung ohne Bedeu­tung“ klas­si­fi­ziert wird (147). Aber sie ist wohl doch mehr: Denn die Buch­sta­ben ste­hen ja nicht allei­ne, son­dern wer­den in den Kapi­tel­über­schrif­ten zum Wort (mit Aus­nah­me des „Y“, wo die Ord­nung dann eben auch reflek­tiert wird …).

„Nun gehen die Buch­sta­ben aus, die­se Ord­nung ohne Bedeu­tung, mit deren Hil­fe ich ver­sucht habe, sei­ne Unord­nung und mei­ne in den Griff zu bekom­men, unse­re Erin­ne­run­gen zu glät­ten und stam­melnd die­ses sehr alte Wis­sen zu buch­sta­bie­ren, zu dem ich nicht durch­ge­drun­gen bin, als ob die­se Wör­ter und Sät­ze, die unter dem Impuls und der Not­wen­dig­keit einer ande­rern Ord­nung, der sei­ni­gen – einer Auf­for­de­rung oder eines Ver­spre­chens (einen Roman dar­aus machen) –, hin­ge­schrie­ben wur­den, sogleich wie­der in ihre ursprüng­li­chen Bestand­tei­le aus­ein­an­der­fal­len wür­den […] (147)

Micha­el Fehr: Glanz und Schat­ten. Erzäh­lun­gen. Luzern: Der gesun­de Men­schen­ver­sand 2017. 141 Sei­ten. ISBN 9783038530398.

fehr, glanz und schatten (cover)Sime­li­berg hat­te mich ziem­lich begeis­tert. Glanz und Schat­ten kann da lei­der nicht ganz mit­hal­ten. Vor allem die star­ke Kon­zen­tra­ti­on und die frem­de Här­te, jeweils in Form und Spra­che, von Sime­li­berg fehlt mir hier. Ganz oft weiß ich spon­tan (und spä­ter) über­haupt nicht, was die Tex­te wol­len und/​oder sol­len, die Fremd­heit ist und bleibt oft ziem­lich groß: Irgend­wie fin­de ich nicht zu dem Text. Des­sen „The­ma“ könn­te man oft nen­nen: die kal­te, erbar­mungs­lo­se Welt des (Spät-)Kapitalismus und des Kon­sums, die Zurich­tungs­ma­schi­nen und ‑mecha­nis­men der („frei­en“) Gesell­schaft, wie sie sich vor allem in der Fremd­be­stim­mung (statt Indi­vi­dua­li­tät) äußern – aber der Fremd­be­stim­mung einer gesichts­lo­sen, anony­men Macht. Das spie­len die Tex­te mit dem Vor­füh­ren von Rol­len­bil­dern und ‑kli­schees, v.a. denen der Geschlech­ter, durch. Gewalt spielt dabei immer wie­der eine außer­or­dent­lich Rol­le: als Ven­til, als Aus­bruch aus den unent­komm­ba­ren Zwän­gen, als Umschla­gen der Ener­gien. Nico Bleut­ge hat in sei­ner Rezen­si­on des Ban­des vor­ge­schla­gen, die Tex­te als zum Vor­trag bestimm­te zu lesen – viel­leicht ist das wirk­lich hilf­reich, denn „allei­ne“, als blan­ker Text, fin­de ich nur in eini­gen weni­gen (zum Bei­spiel dem inten­si­ven „Stu­den­tin“ oder „Mais“) genü­gend Fas­zi­na­ti­on bei der Lek­tü­re.

Felix Hart­laub: Don Juan d’Aus­tria und die Schlacht bei Lepan­to. Her­aus­ge­ge­ben von Wolf­ram Pyta und Wolf­gang M. Schwiedrzik. Neckar­ge­münd, Wien: Edi­ti­on Mne­mo­sy­ne 2017 (Gegen­Satz 8). 292 Sei­ten. ISBN 9783934012301.

felix hartlaub, don juan d'austria (cover)
Eine geschichts­wis­sen­schaft­li­che Dis­ser­ta­ti­on aus dem Jahr 1940 über ein Ereig­nis aus dem Jahr 1571 – lohnt die Lek­tü­re eines sol­chen Tex­tes heu­te noch? Durch­aus, kann man sagen, wenn der Ver­fas­ser For­mat hat­te. Und das muss man Felix Hart­laub beschei­ni­gen. Des­halb ist Don Juan d’Aus­tria und die Schlacht bei Lepan­to tat­säch­lich auch noch inter­es­sant, als his­to­ri­sche Dar­stel­lung eines his­to­ri­schen Ereig­nis­ses. Inter­es­sant ist auch die Form: Hart­laub arbei­tet erzäh­lend, er bringt (fast) kei­ne Zita­te und nutzt auch ver­gleichs­wei­se weni­ge Quel­len (und sowie­so zur gedruck­te): Als geschichts­wis­sen­schaft­li­che Qua­li­fi­ka­ti­ons­schrift hät­te das heu­te wohl kei­ne Chan­ce mehr. Auch als „Sach­buch“ bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich die Lek­tü­re heu­te wirk­lich noch so unbe­dingt lohnt, wie die Her­aus­ge­ber beto­nen … Sicher, die Sti­li­sie­rung des sowie­so schon zur Welt­ge­schich­te hoch­sti­li­sier­ten Ereig­nis­ses ist gekonnt umge­setzt. Aber viel mehr sehe ich da jetzt nicht unbe­dingt …

Die letz­te Sinn­ge­bung des Tages von Lepan­to gewann wir auch so noch nicht. An die Sei­te sol­cher Über­le­gun­gen muß wohl die Ahnung tre­ten, daß der Tag von Lepan­to zu den sel­te­nen Ereig­nis­sen gehört, die, wenn man es so aus­drü­cken darf, auf einer höhe­ren Ebe­ne der Geschich­te lie­gen und bei denen die Fra­ge nach den tat­säch­li­chen Fol­gen im letz­ten nicht ange­mes­sen ist. Nur mate­ri­ell betrach­tet, gehör­te der Sieg frei­lich wohl zu den – im Ver­hält­nis zu dem Erfol­ge – all­zu ver­schwen­de­ri­schen Blut­op­fern, an denen vor allem auch die deut­sche Geschich­te so reich ist. In die­ser Hin­sicht ist man­che aus den unmit­tel­bar fol­gen­den Jah­ren erhal­te­ne Äuße­rung auf­schluß­reich. Das ide­al Bild der Schlacht aber, die noch über­all, in den Galee­ren im Hafen, in den Waf­fen und Nar­ben gegen­wär­tig war, lös­te sich rasch aus dem Gefü­ge mensch­li­cher Pla­nun­gen; es war ganz in sich abge­schlos­sen, man konn­te kei­ner­lei Abwand­lun­gen und Fort­set­zun­gen ersin­nen. (237)

außer­dem gele­sen:

  • Axel Matthes: Geor­ges Batail­le nach Allem. Ber­lin: blau­wer­ke 2016 (split­ter 07). 66 Sei­ten. ISBN 978−3−945002−07−0.
  • Gün­ter de Bruyn: Das Leben des Jean Paul Fried­rich Rich­ter. Eine Bio­gra­phie. Über­ar­bei­te­te und ver­mehr­te Neu­fas­sung. Frank­furt: Fischer 2013. 350 Sei­ten. ISBN 9783100096449.
  • Hans Jür­gen von der Wen­se: Das Nord­licht. Her­aus­ge­ge­ben von Val­eska Ber­ton­ci­ni und Rei­ner Nie­hoff. Mit einem Bei­wort von Val­eska Ber­ton­ci­ni. Ber­lin: blau­wer­ke 2016 (split­ter 11). 58 Sei­ten. ISBN 9783945002117.
  • Hans Jür­gen von der Wen­se: Das lose Werk. Map­pe Nr. 01: Wol­ken. Ber­lin: blau­e­wer­ke 2016. ISBN 978−3−945002−02−5.
  • Ruth Klü­ger: Marie von Ebner-Eschen­bach. Anwäl­tin der Unter­drück­ten. Wien: Man­del­baum 2016 (Autorin­nen fei­ern Autorin­nen). 56 Sei­ten. ISBN 9783854765219.
  • Mar­le­ne Stre­eru­witz: Mar­le­ne Stre­eru­witz über Ber­tha von Sutt­ner. Wien: Man­del­baum 2014 (Autorin­nen fei­ern Autorin­nen). 61 Sei­ten. ISBN 9783854764564.

Ein Wort

A word is dead, when it is said
Some say –
I say it just beg­ins to live
That day
Emi­ly Dick­in­son (1862)

spinnennetz in blühpflanzen

Ins Netz gegangen (2.5.)

Ins Netz gegan­gen am 2.5.:

  • Umso schlim­mer für die Tat­sa­chen | Süd­deut­sche → wolf­gang kraus­haar wirft einen instruk­ti­ven blick auf die „ergeb­nis­se“ des gedenk­jah­res zum 50. jubi­lä­um von „1968“

    Kaum jemand, der sich damals auf die Bewe­gung ein­ge­las­sen hat­te, dürf­te so wie­der aus ihr her­aus­ge­kom­men sein, wie er zuvor in sie hin­ein­ge­gan­gen war. Das war ein kom­pri­mier­ter, äußerst dyna­mi­scher Pro­zess, der die Ein­zel­nen nur zu häu­fig grund­le­gend ver­än­dert hat.

    Die­se Bewe­gung war aber in ihrem Kern auch etwas völ­lig Neu­ar­ti­ges. Ihre Akteu­re woll­ten ja nicht ein­fach wie noch die Arbei­ter- oder Gewerkschafts‑, die Frie­dens- oder Oster­marsch­be­we­gung durch ihren Pro­test Inter­es­sen ver­fol­gen und bestimm­te Zie­le errei­chen. Nein, sie woll­ten sich dabei auch selbst ent­wi­ckeln, ver­än­dern, man­che sogar „befrei­en“. Es ging 1968 zugleich auch immer um die Beweg­ten selbst, um ihre Bedürf­nis­se, ihre Wün­sche, ihre Träu­me – in einem empha­ti­schen Sin­ne um Sub­jek­ti­vi­tät. Die Scha­len der alten Per­son soll­ten abge­schüt­telt und dar­un­ter ein neu­es Ich ent­deckt und gebor­gen wer­den. Damit hat­te sie allen Irrun­gen und Wir­run­gen zum Trotz ein Bewe­gungs­for­mat geschaf­fen, das für ande­re Pro­tes­tie­ren­de zum Fix­punkt wur­de und an dem sich vie­le spä­ter ori­en­tiert haben.

  • Die Schein­frei­heit der Bibel | taz → heinz-wer­ner kubitz­ka erklärt, war­um es falsch (und schein­hei­lig) ist, sich für moder­ne wer­te auf das chris­ten­tum zu beru­fen:

    Tole­ranz und Frei­heit sind eben nicht orga­nisch aus dem Chris­ten­tum erwach­sen, son­dern muss­ten gera­de­zu in Geg­ner­schaft zum Chris­ten­tum ver­wirk­licht wer­den. […] Befrei­ung fin­det und fand nicht mit, son­dern meist gegen die Reli­gio­nen statt. Moder­ne Wer­te nimmt man nicht aus alten Schrif­ten.

  • Ver­ba­le Aus­schuss­wa­re | Spie­gel → sascha lobo ver­zwei­felt an face­books com­mu­ni­ty-stan­dards – und zwar aus­drück­lich schon an ihrer sprach­li­chen ver­fasst­heit
  • Mein ers­ter DSGVO Rant – Zu vie­le Mythen und gefähr­li­ches Halb­wis­sen zum neu­en euro­päi­schen Daten­schutz­recht | Recht 2.0 → cars­ten ulb­richt ärgert sich über panik und fal­sche infor­ma­tio­nen in bezug auf die dsgvo

    Wer sich hier von der Panik­ma­che nicht anste­cken lässt, son­dern sich aus ver­nünf­ti­gen Quel­len oder bei Bera­tern infor­miert, die einen prak­ti­ka­blen Weg zur Umset­zung zei­gen und nicht nur mit­tei­len, wie unsi­cher und ris­kant alles wird, der wird auch die Vor­ga­ben der DSGVO sinn­voll umge­setzt bekom­men.

  • Von der Lügen­pres­se zur Lügen­wis­sen­schaft? | Zeit­ge­schich­te online → andre­as wir­sching macht sich gedan­ken über den platz und die rele­vanz der (zeit-)geschichte in der heu­ti­gen gesell­schaft:

    Mit ihrem plu­ra­len Blick auf die Ver­gan­gen­heit ver­mei­det die Pro­blemer­zeu­gungs­ge­schich­te zugleich die Frag­men­tie­rung ihres Gegen­stan­des ent­lang iden­ti­tä­rer Abgren­zun­gen. Sie lässt sich daher nicht vor den Kar­ren außer­wis­sen­schaft­li­cher Iden­ti­täts­kon­struk­ti­ons­be­dürf­nis­se span­nen, son­dern ana­ly­siert die­se selbst als Pro­blem­ho­ri­zont der Gegen­wart.
    So – und wie ich mei­ne nur so – lässt sich die Zeit­ge­schich­te als Vor­ge­schich­te der Gegen­wart ver­ste­hen. Und als sol­che kann sie nicht nur, son­dern soll­te unbe­dingt ihre Stim­me in der Deu­tung aktu­el­ler Pro­blem­la­gen erhe­ben. Gegen­über den Reduk­tio­nis­ten aller Cou­leur wirkt sie stö­rend, aber eben das erweist ihre öffent­li­che Rele­vanz.
    Und in nicht weni­gen Dis­kus­sio­nen liegt dar­in auch ihre beson­de­re Kom­pe­tenz. His­to­ri­sche Wis­sen­schaf­ten sind näm­lich die ein­zi­gen Dis­zi­pli­nen, die gleich­sam mit zwei Augen sehen. Wäh­rend das eine Auge in der Zeit- und Stand­ort­ge­bun­den­heit des Wis­sen­schaft­lers haf­ten bleibt, rich­tet sich das ande­re auf die his­to­ri­sche Tie­fe. Und erlau­ben Sie mir zum Schluss eine nicht ganz ernst­zu­neh­men­de Wei­ter­füh­rung des Bil­des. Denn sind nicht die rein gegen­warts­ori­en­tier­ten Wis­sen­schaf­ten gleich­sam die Ein­äu­gi­gen unter den Blin­den – den blin­den Zeit­ge­nos­sen, die ihre Gegen­wart nicht zu ver­ste­hen ver­mö­gen? Und ist es dem­ge­gen­über nicht allein die Zeit­ge­schich­te, die mit ihren bei­den Augen zusam­men räum­lich sehen kann. Wenn es sich so ver­hält, ist die Zeit­ge­schich­te weder anti­qua­ri­sche noch Lügen­wis­sen­schaft und um ihre Rele­vanz braucht uns nicht ban­ge zu sein.

Taglied 30.4.2018

Johann Sebas­ti­an Bach, Toc­ca­ta & Fuge d‑moll BWV 565 – aller­dings nicht auf der Orgel gespielt, son­dern sehr schön auf einem Pedal­cem­ba­lo:

J.S. Bach, Toc­ca­ta in d minor /​en ré mineur, BWV 565

Beim Kli­cken auf das und beim Abspie­len des von You­Tube ein­ge­bet­te­ten Vide­os wer­den (u. U. per­so­nen­be­zo­ge­ne) Daten wie die IP-Adres­se an You­Tube über­tra­gen.
fischernetz

Ins Netz gegangen (19.4.)

Ins Netz gegan­gen am 19.4.:

  • Fata, Libel­li. Lite­ra­tur­ko­lum­ne | Mer­kur → ekke­hard knö­rer wirft einen instruk­ti­ven blick auf den buch­markt und sei­ne (haupt-) akteur*innen

    Ein Buch ist ide­al­ty­pisch das, was eine Autorin ver­fasst, ein Agent in ihrem Namen ver­kauft, eine Lek­to­rin lek­to­riert, ein Ver­lag set­zen lässt, publi­ziert und bewirbt, was ein Händ­ler online oder im Laden ver­kauft, eine Rezen­sen­tin rezen­siert, eine Käu­fe­rin kauft. Ein Buch ist also ein ziem­lich kom­ple­xes, aus geis­ti­gen, mate­ri­el­len, öko­no­mi­schen Aspek­ten zusam­men­ge­setz­tes Objekt. […] Das Schrei­ben von Büchern ist eine in jeder Hin­sicht auf­wän­di­ge und anstren­gen­de Sache. Die aller­meis­ten Autorin­nen und Autoren von Lite­ra­tur kön­nen, wie sich aus den genann­ten Zah­len ohne viel Rech­nen ergibt, weder von den Ver­käu­fen ihrer Bücher noch von den Vor­schüs­sen leben. Das gilt für die USA, das gilt für Deutsch­land, es gilt wohl über­all auf der Welt. Den­noch erschei­nen Jahr für Jahr unfass­bar vie­le bel­le­tris­ti­sche Titel. Wovon leben all die­se Men­schen?

  • Geschlos­sen gegen ima­gi­nier­te Bedro­hun­gen | Süd­deut­sche → ein ziem­lich guter essay von felix ste­phan über die ver­bies­ter­ten, eng­stir­ni­gen kämp­fe um (deutungs-)hoheit (auch) in der kul­tur­sze­ne, die er er im ver­har­ren in den eige­nen echo­kam­mern begrün­det sieht
  • Aber über Juden­hass nicht lachen wol­len! | Über­mei­den → gabri­el yoran regt sich ziem­lich zu recht über dum­me fra­gen beim dlf auf:
    [Levit] soll allen Erns­tes erklä­ren, wie sich sein Twit­tern jüdi­scher Wit­ze mit Kri­tik an einem Preis für Ver­ächt­lich­ma­chung von Ausch­witz-Häft­lin­gen ver­trägt. Was ist das für ein furcht­ba­res Land, in dem ein füh­ren­des, seriö­ses Medi­um sol­che Fra­gen stellt?
  • Moni­ka Grüt­ters im Inter­view | Tages­spie­gel → ein total irres inter­view mit moni­ka grüt­ters, die sich ernst­haft dar­über beschwert, dass bei kul­tur­po­li­ti­schen ent­schei­dun­gen (zu) vie­le mit­re­den wol­len. nun ja:

    Manch­mal wür­de auch der Kul­tur­be­trieb eine Auto­ri­tät gut ver­tra­gen.

  • Die gro­ße Inklu­si­on | taz → vor­ab­druck eines auzu­ges aus armin nas­sehs neu­em buch über 1968, „Gab es 1968?“, das – wenn ich den hier ver­öf­fent­lich­ten text als maß­stab neh­me – sehr inter­es­sant zu sein scheint:

    Als wirk­sa­mes Erbe [von 1968] haben sich Inklu­si­ons­schü­be voll­zo­gen, in deren Fol­ge es zu einer Gene­ra­lin­k­lu­si­on der Bevöl­ke­rung kam. Dadurch ist es, so mei­ne The­se, in allen west­eu­ro­päi­schen Län­dern zu einem mehr oder weni­ger merk­li­chen impli­zi­ten Links­ruck gekom­men – nicht expli­zit links gemäß der Vor­stel­lung der radi­ka­len Revo­lu­ti­ons­per­spek­ti­ve des klei­nen har­ten Kerns von „1968“, wonach die Gesell­schaft ein umbau­ba­res Objekt dar­stellt. Doch die Inklu­si­ons­dy­na­mik hat durch­aus zu einer dis­kur­si­ven Betei­li­gung grö­ße­rer Grup­pen geführt, und es kam zu einer grup­pen­über­grei­fen­den Prä­mi­ie­rung von Abwei­chung allein des­halb, weil die „Arbeits­tei­lung“ von Schich­ten und Milieus durch­ein­an­der­ge­riet.
    […] Die Poli­ti­sie­rung der Inklu­sion ist das, was ich hier als das impli­zit Lin­ke bezeich­nen möch­te. Es ist links, weil es die ega­li­tä­ren, auf sozia­le Ungleich­heit zie­len­den For­men von Mit­glied­schaft und Gene­ra­lin­k­lu­si­on von Bevöl­ke­run­gen offen­siv angeht und sich mit jedem Schritt in Rich­tung Gene­ra­lin­k­lu­si­on die Unmög­lich­keit ein­han­delt, sol­che For­men wie­der zurück­zu­dre­hen. Und es ist impli­zit links, weil es für die Ver­fol­gung sol­cher Poli­tik kei­ner expli­zit lin­ken Seman­tik und Pro­gram­ma­tik bedarf.

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