Zu meinem Arbeitsplatz in Mümling-Grumbach gehört auch die schöne Bergkirche, in der einmal im Monat Gottesdienst gefeiert wird. Die Orgel dort ist freilich nicht der Rede wert – ein Positiv von Walcker mit der Tendenz, in der allerdings auch für das Instrument sehr ungünstig beheizten Kirche, Hänger in den ungünstigsten Momenten zu produzieren.
Jahr: 2017 Seite 2 von 12
Aquabella hat schon immer ein ziemlich unverwechselbares Profil: Vier Frauen singen Weltmusik a cappella – das gibt es nicht so häufig. Und sie tun es mit Erfolg und Durchhaltevermögen. Sein zwanzigjährige Jubiläum feiert das Quartett jetzt mit der siebten CD: Jubilee heißt die ganz passend. Es wird aber bei weitem nicht nur jubiliert, auch nachdenklichere Töne und sehr stimmungsvolle Balladen fanden ihren Weg auf die Platte, die neben Studio-Aufnahmen auch einige Live-Mitschnitte enthält. Und einiges könnte dem treuen Fans schon von früheren Veröffentlichungen bekannt sein.
Ganz wie man es von Aquabella schon kennt, ist es auch zum Jubiläum wieder eine Weltreise zum Hören geworden. Die ist fast durchweg besser für den bequemen Sessel im heimischen Wohnzimmer als für die Tanzfläche geeignet: Zum genussvollen Hören lädt Aquabella mehr ein als zum Mitmachen. Denn Jubilee ist zwar eine abwechslungsreich, aber auch eine ungefährliche und bequeme imaginäre auditive Expedition auf alle Kontinente.
Nach dem strahlenden Beginn mit dem hebräischen „Lo Yisa goy“ gehts in großen Schritten über Schweden und Deutschland (melodisch sehr schön, die Eigenkomposition „Jerusalem“ von Aquabella-Mitglied Gisela Knorr) schnell nach Algerien, zu einer rundum gelungenen Arrangement von „Aicha“, das ja auch schon Evergreen-Charakter hat. Hier bekommt es von Nasser Kilada – der die Frauen auch beim andalusischen „Lamma bada yatathanna“ unterstützt – noch ein wenig Lokalkolorit und Authentizität – nicht, das Aquabella das unbedingt nötig hat. Vor allem fügt er eine neue Klangfarbe hinzu – und das schadet nicht, denn Aquabella-Sängerinnen und vor allem ihre Arrangements sprudeln nicht gerade über vor musikalischer Experimentierfreudigkeit. Das ist alles sehr solide gearbeitet und ordentlich gesungen, aber oft fehlt – wie etwa beim Klassiker „Mas que nada“ – etwas Pep: Zwingend ist das nicht immer, mitreißend nur in wenigen Augenblicken. Die oft etwas flächigen und statischen Arrangements lassen immer etwas Rest-Distanz. Aquabella klingt eben immer nach sich selbst, egal was auf dem Notenständer liegt und in welcher Sprache sie gerade singen.
Die Live-Aufnahmen auf„Jubilee atmen bei gleichbleibender Qualität mehr ansteckende Singfreude: Das gilt schon für das „Adiemus“ von Karl Jenkins (das sich nahtlos in die Weltmusik-Reigen einpasst), ganz besonders aber für das finale „Dortn iz mayn rueplatz“, das mit seinem wunderbar weichen Orgelpunkt und dem schlichten Arrangement ganz verzaubernd und verzückend wirkt.
Aquabella: Jubilee live. Jaro 2017. 52:25 Spielzeit
(Zuerst erschienen in „Chorzeit – Das Vokalmagazin“, #42, Oktober 2017)
Ungleichheiten sind das Wesen der Welt, und dass etwas besser sei, als anderes, ist leicht zu dulden Wilhelm von Humboldt, Litauischer Schulplan (zitiert nach: ders: Schriften zur Bildung. Hrsg. von Gerhard Lauer. Stuttgart: Reclam 2017, 140f.)
Ins Netz gegangen am 16.11.:
- Verblendung, Verschleierung, Verdrängung | Ubermedien → ein sehr eindringlicher appell von ralf hutter an die medien, den klimawandel und die zerstörung der umwelt doch endlich mal ernst zu nehmen und entsprechend zu thematisieren …
- Bibi, Tina, der Führer und wir | epd → georg seeßlen sehr pointiert über den neuen ufa-film und seine ästhetischen und (im weitesten sinne) soziologischen verirrungen
- „Autofahren ist schlimmer als eine Sucht“ | Deutschlandfunk → sehr gutes gespräch mit herman knoflacher, der klare worte über die irrationale anhänglichkeit an und abhängigkeit vom auto der deutschen (und anderer …) findet
Es ist wahrscheinlich aus der Individualsicht immer noch zweckmäßig, aber vor allem hat das Auto ja eine Welt für Autos gemacht und nicht für Kinder. Hätten wir eine Welt für Kinder und würden wir als Menschen und nicht als Autofahrer leben, dann würde sie ganz anders ausschauen. […] Das heißt, hier zeigt sich, was den Menschen wichtiger und lieber ist – die Kinder oder das Auto. Und wären die Eltern Menschen, dann würden sie die Umwelt nicht autogerecht machen, aber sie sind Autofahrer. Das Auto ist dem Menschen immer näher als jeder zweite andere Mensch. Das klingt zwar etwas sozusagen hart, aber es ist die Realität.
Das heißt: Wären die Kinder den Eltern näher als das Auto, dann würden sie den Lebensraum der Kinder verteidigen. Dann würden sie dafür sorgen, dass die Kinder so aufwachsen, wie es in der Menschheit, auch in der urbanen Gesellschaft seit zumindest zehntausend Jahren immer der Fall war, dass der öffentliche Raum in erster Linie den Menschen vorbehalten ist. Das hat sich geändert, nachdem das Auto aus dem tiefsten Stammhirn sozusagen heraus befiehlt, was zu geschehen hat.
- Germany Is a Coal-Burning, Gas-Guzzling Climate Change Hypocrite | Foreign Policy → ein ziemlich schonungsloser amerikanischer blick auf das unglaubliche versagen der deutschen politik in sachen klimaschutz in den letztn jahren
Germany’s shameful record over the last four years is largely attributable to the governing grand coalition: the Christian Democrats and the Social Democrats pay plenty of lip service to environmental issues, but when push comes to shove they always battle for the interests of the coal and car industries.
- Das Klima dreht sich gegen das Klima | SZ → ziemlich großartiges (langes) interview mit dem sehr klugen und reflektieren klimaexperten ottmar edenhofer über herausforderungen, änderungen und bewahrung, zukunft und politik
Es fehlt die Vision und es fehlt die Debatte. Anstatt über ein Verfallsdatum für den Verbrennungsmotor zu diskutieren, wäre es wichtiger, über die Stadt der Zukunft zu reden. Mit dem Kohleausstieg wird auch nicht die Axt an den Industriestandort Deutschland gelegt. Und die Autoindustrie in Deutschland wird sich neu erfinden müssen, wenn sie überleben will. Gerade weil in Kalifornien und in China mit neuen selbstfahrenden Elektroautos experimentiert wird. Die Regulierer haben in Kalifornien der lokalen Luftverschmutzung durch den Autoverkehr den Kampf angesagt. Es ist erstaunlich, mit welchem Selbstbewusstsein und welcher Energie die ihre Aufgabe anpacken. Das sind doch die großen Herausforderungen und nicht die Verteidigung dessen, was bald im Industriemuseum landen wird.
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O Nacht! Ich will ja nicht so viel,
ein kleines Stück Zusammenballung,
ein Abendnebel, eine Wallung
von Raumverdrang, von Ichgefühl.
O Nacht! Ich mag dich kaum bemühn!
Ein kleines Stück nur, eine Spange
von Ichgefühl—im Überschwange
noch einmal vorm Vergängnis blühn!
O still! Ich spüre ein kleines Rammeln:
Es sternt mich an—es ist kein Spott —:
Gesicht, ich: mich, einsamen Gott,
sich groß um einen Donner sammeln.
—Gottfried Benn
Ins Netz gegangen am 9.11.:
- Auf den Spuren der RevolutionärInnen | Skug → ein schöner fotoessay von anton tantner.
Langsam bemächtigt sich hier die Natur der nur selten mit Blumen geschmückten Gräber, die Denkmäler von Rotarmisten und Strommasten rotten vor sich hin, an den roten Sternen, so sie denn noch vorhanden sind, blättert die Farbe ab. Das Zeugnis vergangener Sowjetmacht liegt bewusst dem Verfall preisgegeben, und doch, all dem Moder und Rost zum Trotz: Vereinzelt brennt eine Kerze – als ob sich Karl Liebknechts pathetische Ankündigung, die Leichen der hingemordeten Kämpfer würden wieder auferstehen, dereinst erfüllen werde, als ob den Toten bestimmt sei, in einer kommunistischen Zukunft auferweckt zu werden.
- Durchsetzung von Verkehrsregeln | Zukunft Mobilität → martin randelhoff beginnt eine serie über die gestaltung der mobilitätswende mit einem plädoyer für eine bessere durchsetzung der verkehrsregeln, vor allem zum schutz schwächerer verkersteilnehmer wie etwa den fußgängern
- Die Sache mit dem Leserschwund | BR → knut cordsen denkt über den buchmarkt und seine veränderungen nach – nicht völlig pessimistisch, aber doch in ziemlich grauen farben – allerdings v.a. aus einer ökonomischen perspektive
- Das gefährliche Raunen | Zeit → bernhard pörksen mit einem (auch eher pauschalen) text zur gefahr der pauschalen, sich anscheinend verbreitenden kritik an den medien (insgesamt):
Gemeinsam ist ihnen die Annahme, die etablierten Medien in Deutschland seien ein im Grunde autoritäres Régime, eine Anstalt zur Produktion geistigen Anpassertums. Gemeinsam ist ihnen auch die Behauptung, man selbst gehöre zu einer bedrohten Meinungsminderheit, die im Zweifel verfolgt und brutal geächtet werde. […] Die gegenwärtig kursierenden Theorien der Entmündigung und der Manipulation, Chiffren eines antiliberalen Denkens und einer heimlichen Sehnsucht nach der Revolte, helfen niemand. Und sie ruinieren das Vertrauensklima, das guter Journalismus bräuchte, gerade jetzt und gerade heute.
- Das Muster der Verschwörung | FAZ → durchaus interessant, auch wenn ich immer noch etwas fassunglos bin: eine ehemalige anhängerin chemtrail und anderen verschwörungstheorien erzählt
- Lutherland ist abgebrannt | Mein Jahr mit Luther → achim landwehrs unbedingt lesenswerte „abrechnung“ mit dem reformationsjubiläum 2017 und überlegungen, was daraus für jubiläen udn unsere geschichtskultur überhaupt folgt:
was bleibt da vom Reformationsjubiläum? Es bleibt eine große Leere – eine Leere, die sich aber nicht breitmacht, weil das Jubiläum nun zu Ende gegangen ist. Diese Leere ist durch das Reformationsjubiläum selbst produziert worden. […] Fast zwangsläufig hängt diese inhaltliche Aushöhlung mit dem Versuch zur nahezu hemmungslosen wirtschaftlichen Verwertung des Jubiläums zusammen. Die Feier zu 500 Jahren Reformation fand sich eingeklemmt zwischen Kirche und Kommerz, zwischen Ökumene und Ökonomie. Nein, falsch. Das Reformationsjubiläum war nicht eingeklemmt. Es hat versucht, sich dort bequem einzurichten. […] Der Leerlauf des Jubiläumsgeschehens ergab sich nicht, weil es ein Zuviel an Reformation gegeben hätte, sondern weil zu wenig Reformation in diesem Jubiläum war. Und der Mangel an Reformation kam dadurch zustande, dass man das historische Ereignis mitsamt seinen konkreten Umständen nur in recht homöopathischen Dosen zum Thema machte. […] Unter dem Zwang zur Aktualisierung verschwand die Individualität und das historisch Spezifische bis zu Unkenntlichkeit. […] Womit wir es hier zu tun haben, hört auf den Namen ‚flache Geschichte‘: der möglichst geräuscharme, hindernisfreie und vor allem unkomplizierte Gebrauch (oder eher Missbrauch) von Vergangenem für gegenwärtige Zwecke. Flache Geschichte wird allenthalben verwendet. Es ist das vermeintlich historische Stammtischargument, das zur Erklärung heutiger Zustände herhalten muss, es ist die knapp erzählte Vorgeschichte, die Vergangenes genau soweit zurichtet, dass es sich in eine lineare Kausalität einordnet, und es ist das kurze Aufblitzen eines Relikts aus dem Vorgestern, vielleicht ein Bild, ein Zitat, ein Filmausschnitt oder ein bekannter Name, mit denen Vertrautheit hergestellt und die Sicherheit evoziert werden soll, dass es genauso war. Flache Geschichte zielt drauf ab, sich der Mühen der Komplexität zu entledigen, die Gebirge der Zeiten in aller Eile abzutragen, um freie Sicht auf die Vergangenheit zu erhalten.
- Wikipedia baut ab, oder: Was von „open“ übrig bleibt II | albatros → jürgen fenn über die negativen auswirkungen der entwicklung des webs auf die (offene) organisation von wissen:
Es bedarf keiner Erörterung, dass sich dies auch noch weiter auf die hergebrachten Mitmachprojekte des Web 2.0 auswirken wird. Wer an diese Technik aus Apps plus Endgeräte gewöhnt ist und damit aufwächst, wird nie auf die Idee kommen, an einem Massenprojekt wie Wikipedia teilzunehmen, weil er sich so etwas gar nicht mehr vorstellen kann. Normal ist, dass man auf riesige Datenbestände zugreift, die automatisiert erstellt oder jedenfalls automatisiert ausgewählt worden sind, aber nicht, dass man sie als Autor eigenhändig mit schreibt, kuratiert, pflegt und kollektiv verwaltet. Das liegt alles zentral bei der Firma, die es anbietet. Top-down, also nicht in den Händen einer Community, bottom-up.
„Ich baue beim Bau meines Hauses ganz auf meine Hausautoren, sie sind das Fundament meines Verlags“, sagte Engeler zu Henrici, als sie zusammen in die Baugrube blickten, wo einige Schriftsteller eben damit beschäftigt waren, mit einer Nervensäge Wörter zu zerlegen. Die zu wirren Haufen aufgeschichteten Bausteine wurden von den werkmüdigerweise damit beauftragten Anagrammatikern so zusammengeschottert, dass
sie mindestens bis zum Richtfest fast festgemauert in der Rede stehen würden. „Hausautoren sind zwar fundan1ental“, sagte Henrici, „aber ich bin beruhigt zu sehen, dass du nicht so sehr auf sie baust, dass du sie einmauerst.“ Engeler warf ihm einen etwas misstrauischen Blick zu und meinte: „Unser ganzer Fundus ist ausschliesslich mental, allerdings mehr ornamental als instrumental, und weniger monumental als experimental. Deshalb kommen wir auch ohne Zement aus. Die Wände mögen wie Papier aussehen, aber sie sind mit Bleistiften armiert. Das Haus ruht, wie du bemerkt haben wirst, auf festen Grundsätzen, denn wir werden jetzt häuslich, ganz ohne Feld‑, Wald- und Wiesenpoesie. Es beginnt ein neuer Abschnitt.“ „Man könnte fast sagen: ein Umbruch“, pflichtete ihm Henrici bei, „sogar noch bevor alles gestrichen ist.“ —Hans-Jost Frey, Henrici, 11
Wenn ein Boot nach rechts neigt und zu sinken droht, ist die Lösung nicht, sich von der linken Seite zu entfernen.
— Nick Fabian (@eingenickt) September 30, 2017
Angesichts der Millionen Kastanien, die derzeit von den Bäumen fallen, ist es doch erstaunlich, wie selten man eine auf den Kopf kriegt.
— Stefan Geyer (@Geyst) October 1, 2017
So, just a house then. pic.twitter.com/9LESZRLtGn
— John Wickerson (@wicko3) October 5, 2017
Warum heißt es eigentlich Wissensdurst, aber Lesehunger?
— @pallaske@social.cologne (@pallaske) October 10, 2017
https://twitter.com/guenterhack/status/918916747637477376
Oh, was ist der Mensch, daß er über sich klagen darf?
— GOETHE (@goethe_jw) October 16, 2017
https://twitter.com/Wondergirl/status/920373962756034563
— blauwerke verlag (@blauwerke) October 22, 2017
Großstadt
„Fuck, der nächste Bus kommt erst in 6 min.“Kleinstadt
„Ok, in 30 min kommt der nächste.“Dorf
„Juhuu, heute fährt noch einer!“— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) October 25, 2017
https://twitter.com/schrillmann/status/924277059630911488
https://twitter.com/Wondergirl/status/925083076669079552